


Am Montagabend lud die «Aktion für Biodiversität» zu einem Gesprächsabend ins Zeughaus. Das Resultat war ein angeregter Dialog zum Thema «meine persönliche BiodiversiTAT». Zudem gab es spannende Kurzreferate von bestehenden Bio-Oasen zu hören.
Auch damals wurden Ideen auf Flipchart-Blätter gekritzelt: Vor zweieinhalb Jahren fand im Zeughaus der «Zukunfts-Workshop» für Teufen statt. Dabei wurde über neue Bike-Trails, einen Sprungturm für die Badi, Mobilitätsangebote und vor allem über mehr Natur im Dorf diskutiert. An diesem Samstagvormittag entstand die Idee der «Aktion für Biodiversität». Seit rund zwei Jahren ist die inzwischen vierköpfige Gruppe aktiv. Sie verfasst jeden Monat einen Gastbeitrag für die Printausgabe der «Tüüfner Poscht», organisiert «BiodiversiTATen» und fördert Vernetzung und Austausch. «Wenn wir alle 10 Prozent unseres Einflussbereichs biodivers gestalten, entfalten wir damit eine grosse Wirkung.» Lucia Andermatt eröffnet den Diskussionsabend. Treffpunkt ist wiederum das Zeughaus, Geburtsort der «Aktion für Biodiversität». Ziel sind ein reger Austausch und Inspiration. «Wir werden nun ein paar Beispiele von bereits umgesetzten Projekten hören. Hoffentlich lässt sich der eine oder andere davon motivieren», sagt Alexander Assmus. Er führt durch den Abend und bittet als ersten Referenten Gemeinderat Peter Renn vor die «Notizwand».
Wildromantik vor der Haustür

Peter Renn fördert in seinem Garten seit 20 Jahren die Biodiversität – mit einer Vielfalt einheimischer Pflanzen und Lebensraum für Kleintiere (Trockensteinmauern, Wildsträucherhecken, Raumteiler). «Ein naturnaher Garten ist ein Ort der Zuflucht für Meschen, Tiere und Pflanzen. Wo Natur ist, gibt es keinen Stillstand. Kreieren wir den Freiraum, wo sich das wilde Leben entfalten darauf, mit den Kreisläufen der Natur anstatt gegen sie.» Peter Renn spricht aber nicht nur von der romantischen Seite seines Naturgartens. Er gibt auch zu bedenken: «Wer Zier- und Nutzpflanzen in seinem Garten biologisch pflegen will, muss bereits sein, die dafür notwendige Zeit und Geduld aufzubringen.»
Kindheitserinnerungen

Wie viele der Anwesenden wurde auch Dölf Früh von Andreas Kusters «Paradies» auf der Schäflisegg inspiriert. «Wir waren beim Anblick dieser wilden Umgebung sofort begeistert. Sie hat mich an meine Kindheit auf dem Bauernhof im Toggenburg erinnert.» Für die Gestaltung seiner grossen Liegenschaft beim Fernblick liess sich Dölf Früh deshalb von Andreas Kuster beraten. «Wir haben uns gefragt, ob es möglich ist, einen Spagat zwischen einem gepflegten Garten und etwas Wildnis bzw. Lebensraum zu schaffen.» Dieses Ziel habe man erreicht – mit dem «Naschweg» (mit Beerenpflanzen gesäumter Spazierweg), einer 1000 Quadratmeter grossen Blumenwiese, 42 Obstbäumen und einem Natur-Pool. «Wir haben nun sehr häufig Besuch von Tieren aller Art: Vögel, Bienen, Wespen, Schmetterlinge, Eidechsen etc.. Ein lebendiger und wunderschöner Garten.» Diese Erfahrungen sollen nun auch in die kommerziellen Bauprojekte der Tecti AG einfliessen – unter anderem bei 9 Projekten in Teufen.
Wilde Schule

Kilian Scheuzger ist kein Fan von sterilen Schulumgebungen: «Wenn man so eine Anlage betritt, ‘töttelet’ es richtig. Das wollte ich beim ‘Hörli’ anders machen.» Während seiner Zeit als Hauswart der Schulanlage Hörli legte er deshalb viel Wert auf eine naturnahe und lebendige Umgebung. «Natürlich muss man dafür einen Kompromiss zwischen Funktionalität und Wildheit finden. Aber meiner Erfahrung nach klappt das gut – und der Aufwand lohnt sich.» Über die Jahre hat er unter anderem nicht einheimische Pflanzen nach und nach durch hiesige ersetzt, mit Lernenden eine Trockensteinmauer gebaut und Mauersegler-Kästen installiert (sind heute noch bewohnt). «Ich war anfangs etwas besorgt über die Reaktion der Lernenden. Würden Sie die Natur leben lassen oder mit dem Töffli über die Wiesen fahren? Es hat sich gezeigt: Wenn das Leben da und spürbar ist, respektieren es die Jungen auch.»
Weniger ist schöner

Früher lag Christian Blumer noch im Krieg mit dem Unkraut. «Ich habe Tage ins Jäten der Verbundstein-Fugen investiert. Anfangs von Hand, später mit Gift oder Feuer. Nun mache ich seit einigen Jahren gar nichts mehr – und der Platz war noch nie so schön.» Diesen Ansatz verfolgt er für sein ganzes Grundstück gegenüber dem Schulhaus Gählern. «Inzwischen habe ich auch diverse Aufwertungen vorgenommen: eine lange Liste einheimischer Pflanzen und Bäume, Ast- und Steinhaufen, Hecken und, und, und.» Rund 2000 Quadratmeter bewirtschaftet er selber, um die restlichen 8000 kümmert sich Landwirt Ueli Näf. Dieses Stück Land ist als sogenannte «Öko-Fläche» zertifiziert und darf entsprechend selten gemäht bzw. nur extensiv bewirtschaftet werden. «Das ist dem Kanton zum Glück einiges an Beitragszahlungen wert. Aber klar ist auch, dass das nur mit einem gleichgesinnten Landwirt funktioniert.»
Gewähren lassen

Ganz in der Nähe von Christian Blumer wohnt Manfred Kirsch. Er zog vor fast 30 Jahren mit dem Ziel hierher, eine Oase für die Natur zu schaffen. «Mir ging es damals wir der Generation Z heute. Ich war und bin sehr besorgt um unsere Umwelt. Ich fragte mich deshalb: Was kann ich machen?» Seine Antwort: Eine wilde Rückzugsstätte für Pflanzen und Tiere schaffen. Auf seiner Liegenschaft lässt er der Natur mehr oder weniger freien Lauf. «Mit Ausnahme von kleinen Hilfestellungen.» Auch seine Heidschnucken-Schafe kommen fast ohne Zufütterung aus. Über die Jahre haben sich in seiner Biodiversitäts-Oase diverse Tiere angesiedelt – oder kommen auf Besuch. «Auch spektakuläre Arten wie der Schwarz- und Rotmilan, der Uhu, der Waldkauz, der Sperber oder die Schleiereule. Ich will deshalb bald auch Hochsitze für Raubvögel installieren.» Die grössten Feinde seiner Oase sind Hauskatzen und die fehlende Vernetzung mit anderen wilden Flächen. «Ein Rückzugsort allein reicht halt nicht. Ich hoffe deshalb sehr, dass andere dem Beispiel folgen.»
Gemüse-Vielfalt

Thomas Roth ist kein Fan von Labels. Auch er übt sich auf seinem «Battenhof» in einem Spagat: zwischen kommerzieller Landwirtschaft und biologischer Vielfalt. «Wir haben einen sehr diversen Bio-Gemüsegarten. Das ist toll für die Biodiversität aber nicht unbedingt effizient. Zum Glück haben wir die nötigen Kunden, die uns das Gemüse abkaufen.» Er glaubt, dass Landwirtschaft und Biodiversität vereinbar sind. «Es braucht aber viel Engagement und Durchhaltewillen. Und die Labels bzw. deren Auswahlkriterien sind meiner Meinung nicht immer zielführend – viel wichtiger ist die richtige Einstellung.»
Vorzeigeprojekt

Sein Name ist in jedem zweiten Referat gefallen: Andreas Kuster ist der Biodiversitäts-Berater Teufens. Die Liegenschaft auf der Schäflisegg ist sein Herzensprojekt. «Diese ‘BiodiversiTAT’ läuft nun seit bald 30 Jahren. Inzwischen hat sich die Parzelle massiv verändert.» Das gilt für den Garten rund ums Haus aber auch für die landwirtschaftliche Fläche, die von Pächter Alwin Hasler bewirtschaftet wird. «Wir haben uns auf eine extensive Bewirtschaftung mit wenigen Schnitten pro Jahr und Obstbäumen geeinigt. Das zeigt: So etwas funktioniert. Und dank den Zahlungen des Kantons ist es auch nach wie vor lukrativ.» Andreas Kuster zeigt Fotos von seinem Paradies – inklusive einer farbenfrohen Blumenwiese. «Das sind Oregano-Sträucher. Hier tummeln sich unzählige Wildbienen, Schmetterlinge oder Hummeln. Ein herrlicher Anblick.»
Im Quadrat

Auch Jakob Brunnschweiler berichtet vom Zusammenspiel von Landwirtschaft und Biodiversität. Er ist Vizepräsident der seit 1963 bestehenden Stiftung Pro Appenzell. Ihr Ziel ist die Erhaltung der freien Natur. Dazu gehören insbesondere Quellgebiete, Bachläufe, Moore, Wandergebiete und Aussichtspunkte. Auch in Niederteufen hat die Stiftung ein Grundstück geschenkt bekommen – oberhalb der Zug-Haltestelle. «Hier mussten wir eine Lösung für die Hecken finden. Der Landwirt musste sie stutzen, um gerade mähen zu können. Als Kompromiss haben wir nun grosszügigen Hecken-Quadrate gepflanzt. Sie stören den Landwirt weniger und bilden einen hervorragenden Rückzugsort für Tiere und Pflanzen.»