


Jedes Jahr treffen sich die Mittelländer Imker zur Honig-Präsentation. Dabei werden die neuen Honige probiert und Erfahrungen ausgetauscht. Heuer blicken sie auf einen guten Sommer zurück – den Bienenvölkern geht es gut. Eine Garantie für viel Honig ist das aber nicht.
«Du hast dreimal geschleudert? Bei uns war Anfang Juni schon Schluss.» Auf dem Tisch im Lehr- bzw. Gemeinschafts-Bienenstand Gmünden (siehe Kasten) steht eine Sammlung Honig-Gläser. Trotz unterschiedlicher Grösse und Etiketten, eines haben sie gemeinsam: Auf allen findet sich das Wort «Appenzeller». Heute Abend treffen sich hier sechs Imkerinnen und Imker zur traditionellen Honig-Degustation. Aber nicht alle haben mehr als ein Glas dabei. Bei Elisabeth und Franz Rössler aus Trogen war der Honig-Ertrag diesen Sommer eher bescheiden. «Einen so guten Frühling hatten wir seit Jahren nicht mehr. Aber ab Juni haben die Bienen nichts mehr eingetragen.» Ganz anders bei Miriam Rutz und Martina Manser aus Teufen. Sie beide haben heuer überdurchschnittlich viel Honig geerntet. Aber auch der Standort Teufen war in diesem Sommer keine Garantie für Erfolg. Die Völker des Gemeinschafts-Bienenstands produzierten ab Juni kaum mehr Honig. Woran liegt das?
Grüstet für den Winter
Walter Tanner aus Waldstatt weiss, wie es den Bienen im Appenzellerland geht. Er ist als Bieneninspektor immer wieder bei den Imkern auf Besuch. «Diese Kontrollen sind Standard. Es geht darum, die Vitalität der Bienenvölker zu überprüfen und allfällige Bienenkrankheiten frühzeitig zu erkennen und bei Bedarf mit Arzneimitteln zu behandeln. Aber auch um die allgemeine Handhabung der Bienen.» Sein Fazit für den Sommer 2020: Den meisten Bienenvölkern geht es gut. Sie hatten während der Frühlings- und Sommermonate genug zu essen und gehen deshalb gestärkt in den Herbst und Winter. «Man sagt, in Jahren, in denen Waldhonig geerntet werden kann, hat man im Winter weniger Verlust.» Mit Verlust meint er das Sterben von Völkern in der kalten Jahreszeit. Zwar setzten die Imker alles daran, ihre Bienen gesund durch den Winter zu bringen. Dazu gehört die Bekämpfung der gefährlichen Varroamilbe mit Ameisensäure und das regelmässige Zufüttern. Aber ganz ohne «Verlust» geht kein Winter vorbei: «Normal sind 10 bis 15 Prozent. Das galt auch für den letzten Winter. Nun hoffen wir, dass es heuer ähnlich wird.» Trotz des guten Sommers gibt es dafür aber keine Garantie – denn entscheidend ist die Sorgfalt der Imker. Was sie kaum beeinflussen können, ist der Honig-Ertrag. Und dieser kann je nach Standort des Volks stark variieren. Wenige Kilometer können den Unterschied zwischen einem sehr guten und einem mageren Honig-Jahr ausmachen. «Die Bienen brauchen im Sommer beispielsweise nur einen Baum, der gut mit Waldläusen bestückt ist. Das reicht schon für eine Waldhonig-Ernte», erklärt Walter Tanner. Dass nicht viel Honig geerntet werden kann, bedeutet aber nicht per se, dass es den Bienen an etwas mangelt. «Sie können fit und munter sein, wenn sie Futter-Reserven haben.»
Honig-Sommeliers
Erst werden die Hände desinfiziert. Dann folgt der Griff zu den Einweg-Löffeln. Auch bei der Degustation ist Corona präsent. Aber die Honige schmecken auch vom Plastik-Löffel vorzüglich. Hier, unter Fachleuten, ist ein Honig aber nicht bloss «fein»: «Schmecke ich da etwas Bärlauch heraus?»; «Das ist ganz eindeutig eine Mischung aus Wald- und Sommerhonig.»; «Du hast den im Juni geschleudert und er ist noch immer so flüssig? Erstaunlich.»; «Der ist jetzt aber anders als dein letzter Sommer-Honig. Worauf sind sie geflogen?» Aber auch ein Honig-Anfänger schmeckt und sieht die Unterschiede. Während die Frühlings- bzw. Blütenhonige bereits kristallisiert und hellgelb sind, heben sich die Sommer- bzw. Waldhonige durch ihre deutlich dunklere Farbe ab. Auch sie werden mit der Zeit etwas kristallisieren – allerdings nicht annährend so stark wie der Frühlingshonig. Und ihren einzigartigen Geschmack werden sie behalten. «Es ist einfach faszinierend zu erleben, wie ein Honig, der nur wenige Kilometer entfernt gesammelt wurde, so anders schmecken kann. Ein kleines Wunder», sagt Miriam Rutz aus Teufen.