Auch Teufen hatte einst sein Kinderfest

20.06.2018 | TPoscht online
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Kinderfes 1907
Kinderfestumzug, 1907.

Thomas Fuchs
Von 1839 bis 1913 fanden auch in Teufen Kinderfeste statt. Eine Tradition wie in Herisau oder St.Gallen vermochten sie jedoch nicht zu werden. Sie standen in Konkurrenz zu den sogenannten Schulausflügen, den Vorläufern der Schulreisen.
Das erste Jugendfest im modernen Sinne im Appenzellerland fand am 25. April 1837 in Herisau statt. Im Jahr darauf folgten die Gemeinden Rehetobel, Trogen, Wald und Speicher.

Premiere an Auffahrt 1839

Teufen erlebte seine Premiere «am Himmelfahrtstage» (Auffahrt) 1839. Die neuen Feste wollten ein pädagogisch wertvollerer Ersatz für das herkömmliche Brauchtum rund um die sogenannten Osterschriften am Ostermontag sein. Dem ersten Teufner Fest fehlten allerdings «die eingeübten Spiele, weil die Zeit vom Entschlusse bis zur Ausführung zu kurz gedauert hatte». Trotzdem hinterliess es bei Alt und Jung einen günstigen Eindruck. Die Kinder erhielten, untermalt von den Klängen einer Musikgesellschaft, ein kleines Essen («Wurst, Brot & etwas Wein») im Wert von 12 Kreuzern. Im Unterschied zu den anderen Orten sprach man in Teufen vom Kinder- und nicht vom Jugendfest.

1840 verlegte man den Anlass, um Kosten zu sparen, auf den alten Musterplatz auf der Egg. Auf eine Musik wurde verzichtet. Es wurden jedoch «frohe Jugendspiele» abgehalten. 1841 kehrte man zurück auf die Lindenwiese, auch eine Musikgesellschaft wurde wieder engagiert, die kindergerechten Spiele blieben.

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Reigen auf dem Zeughausplatz, 1894 oder 1907.

Teufner Tradition bis 1871
Kinderfeste fanden danach in Teufen bis 1871 ziemlich regelmässig statt. Eine starke Tradition wie in Herisau oder St.Gallen wollte sich aber nicht etablieren. Festtag war zunächst der Auffahrtsnachmittag, oder bei schlechter Witterung der erste schöne Sonntagnachmittag nach Pfingsten, ab 1851 dann ein Werktag. 1844 ersetzte die Schulkommission das Kinderfest durch «Spaziergänge» mit den Schulkindern, eine Art Schulreise. In den drei Folgejahren kehrte sie zum Kinderfest zurück. Von 1847 bis 1850 gab es gar keinen besonderen Event. 1854 und 1855 wurde wieder den Ausflügen der Vorrang gegeben.

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Spitze des Kinderfestumzuges, 1913.

1856 fand man dann eine Mischform, die sich bis 1869 hielt. Für die jüngeren Kinder fand ein halbtägiges Kinderfest statt, die älteren (ab 10 ½ Jahren) unternahmen einen Ausflug. 1856 und 1857 war dies eine Fahrt mit der neu eröffneten Eisenbahn von St.Gallen nach Flawil – praktisches Erlernen des Umganges mit neuer Technik sozusagen. 1871 führte man wieder einmal ein grosses Kinderfest für alle durch. Es war das letzte für längere Zeit. An seine Stelle traten danach definitiv die Ausflüge.

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Mädchengruppe, 1913.

Kinderfestplan von 1871
Um sechs Uhr früh gaben die grosse Kirchenglocke und Böllerschüsse das Zeichen zur Abhaltung des Kinderfestes. Geschossen wurde auf der Gählern, auf der Egg und auf Kollers Büchel am Bach. Um 9.30 Uhr versammelten sich alle Schulklassen an der Neugasse, von wo aus sie mit Musik an der Spitze zur Kirche zogen. Dort gab es Gesangsaufführungen und Reden. Anschliessend wurden die Plätze für die Mittagsquartiere in rund 220 Privathaushalten im weiteren Dorfbezirk zugeteilt.

Um 14 Uhr ging es im Umzug vom Kirch- zum Festplatz. Dorf führte jede Klasse vier Spiele à 20 Minuten durch. Für die älteren Knaben fanden zudem ein Schiess- und ein Steinstoss-Wettbewerb statt. Von 16.30 bis 20 Uhr traf man sich in der Festhütte zu dem von Gesangseinlagen der Schulklassen begleiteten Essen. Nach dem gemeinsamen Rückmarsch zum Kirchplatz verkündeten Böllerschüsse das Festende.

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Sennengruppe, 1907.

Vier Ausnahmefeste
Nach 1871 bildeten Kinderfeste Ausnahmeereignisse. Drei fanden bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges statt, eines später. Ausgangspunkte bildeten jeweils andere Grossanlässe: 1894 das kantonale Sängerfest, 1907 die Einweihung des neuen Schulhauses Hörli, 1913 das 400-jährige Jubiläum zum Beitritt des Landes Appenzell zur Eidgenossenschaft, 1979 die Festivitäten «500 Jahre Teufen».

Der Anlass vom 29. August 1979 war ein Kinderfest der modernen Art. Mini-Jahrmarkt, Kinder-Olympiade, Wald-ond-Weese-Spass, Plausch-Stafette sowie ein Fussballspiel einer Schüler- gegen eine Lehrerauswahl (Resultat 5:0) bildeten je nach Altersgruppe das Vormittagsprogramm. Nach dem gemeinsamen Mittagessen lockte ein spezieller Jahrmarkt auf Hechtstrasse und Dorfplatz: Dreiradveloparcours, Streichelzoo, Popcorn- und Kuchenstände, Rodeoreiten, Tellapfelschiessen und eine Luftseilbahn gehörten zu den Attraktionen. Als Zahlungsmittel dienten «Chips» einer besonderen Festwährung. Um 17 Uhr liessen die Kinder gleichzeitig rund 600 orange Luftballons zum Himmel steigen. Nach dem gemeinsamen Nachtessen folgte der Kinderball im Festzelt.

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Kinderfestumzug, 1913

St.Gallen statt Teufen 1947
Im April 1947 reichte der Einwohnerverein Niederteufen den Vorstoss ein, wieder einmal ein Teufner Kinderfest abzuhalten. Beantragt wurde zudem, den Tag des St.Galler Festes für die Teufner Klassen für schulfrei zu erklären. Ihre Ablehnung gegen ein Jugendfest begründete die Schulkommission wie folgt: In Teufen fehle, im Unterschied zu Herisau, eine solche Tradition. In der Stadt St.Gallen wiederum «dürfte zur Hauptsache die Geschäftsreklame der Grund zur Durchführung des Jugendfestes sein.» Zudem sei die finanzielle Belastung für Teufen zu gross. Und die Kinder würden einen Schulausflug einem Jugendfest vorziehen.

Gutgeheissen wurde dagegen der zweite Antrag, da «schon jetzt zahlreiche Anfragen von Eltern vorlägen, ob der Tag des St.Galler Jugendfestes schulfrei sei, oder ob eine wegen Besuch des Festes verursachte Absenz entschuldigt werde. Speziell für Niederteufen sei zu sagen, dass viele Beziehungen zur Stadt bestünden.» Ob später der St.Galler Festtag auch in Teufen unterrichtsfrei war, ist nicht bekannt.

Abbildungsnachweis:
Sammlung Werner Holderegger, Teufen

Quellen:
Appenzellisches Monatsblatt 1837–1839; Protokolle Schulkommission Teufen 1839–1980; Jahresrechnungen Gemeinde Teufen 1839–1915; Protokoll Einwohnerverein Niederteufen 1947; Appenzeller Zeitung 1979.

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