Eine erneuerbare Diskussion

15.02.2024 | Timo Züst
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Gut gefüllter Lindensaal: Interessierte aus dem ganzen Kanton sind der Einladung des Kantons gefolgt. Es geht um die Festlegung von Windenergie-Gebieten im Richtplan. Fotos: Nerina Keller

Der Kanton macht ernst. Seit dem 5. Februar läuft die Vernehmlassung für die Anpassung des Richtplans. Noch bis zum 26. April kann sich die Bevölkerung zu den Windenergie-Plänen äussern – hier finden Sie das Online-Formular. Konkret geht es um die Festlegung von sechs Eignungsgebieten für Windenergie. Dort könnten irgendwann Windräder gebaut werden. Am Mittwoch lancierte der Kanton die Diskussion mit einem Infoabend im Lindensaal.

Wie gross das kontroverse Potenzial ist, wird beim Betreten des Saals deutlich. Auf den zwei Stehtischen vor der Getränkeausgabe ist eine Auswahl an Broschüren drapiert. Da liegen neben der offiziellen Info-Mappe des Kantons («Windenergie für Appenzell Ausserrhoden») und einem Flyer vom Verein Pro Wind St.Gallen-Appenzell («5 gute Gründe für Windenergie») vor allem Publikationen der Gegnerschaft. Sie reichen von einem Aufruf zur Mitwirkungsbeteiligung des Vereins Pro Landschaft AR/AI («Wussten Sie, dass die Kantone AR und SG das Naherholungsgebiet Waldegg/Höhenweg zur ‘Industriezone’ umbauen wollen?») über eine kritische Zusammenstellung der Finanzierung («Windräder werden von Subventionen angetrieben, nicht von Wind!») bis hin zu einem Handzettel der «Deutschen Konservativen» mit dem Untertitel: «Windenergie: Eine Geschichte von Bestechung und Subventionierung?». Regierungsrat Dölf Biasotto ist sich dieser Meinungsvielfalt bewusst. Entsprechend diplomatisch formuliert er seine Begrüssung zum Infoabend im Lindensaal: «Wie man zum Thema Windenergie steht, ist auch eine Frage der persönlichen Einstellung. Das gilt es zu respektieren.» Er macht aber auch deutlich, dass es aus Sicht des Kantons nicht mehr um die Frage geht, ob es in Ausserrhoden dereinst Windräder gibt. «Das ist bereits klar. Wir müssen nur noch entscheiden, wo diese gebaut werden und wie sehr die Windenergie priorisiert wird.» Die politische Grundlage für diese Prämisse liefern dem Regierungsrat die zwei deutlichen «Volks-Ja» zum nationalen (2016) und kantonalen Energiegesetz (2022). Beide enthalten konkrete Aufträge. Ersteres verlangt einen Anteil Windenergie bis 2050. Das kantonale legt sogar fest, dass in Ausserrhoden bis 2035 mindestens 40 Prozent des Stromverbrauchs durch erneuerbare Energien aus dem Kanton (hier produziert) gedeckt werden müssen. «Trotz des grossen Photovoltaik-Potenzials ist das ohne Windkraft nicht möglich. Anders sind die Lücken in der Winter-Versorgung nicht zu füllen.»

Ausgangslange und Vorgehen

Es ist nicht das erste Mal, dass im Lindensaal über Windräder diskutiert wird. Im Juni 2023 hatten sowohl Kanton (als auch Gegner) bereits einmal eingeladen. Damals erklärte Kantonsplaner Markus Fäh die Ermittlung der sechs Eignungsgebiete im Detail – hier lesen Sie mehr dazu. Grob gesagt, wurden sie auf Basis des Windatlas Schweiz und detaillierten Ostschweizer Wind-Daten ermittelt. «Ein Ausschlusskriterium war Wind unter 4,5 Meter pro Sekunde im Schnitt. Ein zweites die geltenden Schutzinteressen. Ein Gebiet wie der Säntis, das Teil des ‘Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler’ (BLN) ist, kommt nicht in Frage», sagt Dölf Biasotto. Stattdessen kommen nun sechs Eignungsgebiete in Frage: Hochhamm (Urnäsch; Energiepotenzial 19 GWh), Gstalden (Heiden/Wald; 36 GWh), Waldegg (Speicher/Teufen; 22 GWh), Honegg (Trogen/Wald; 29 GWh), Sonder (Walzenhausen/Wolfhalden; 27 GWh) und Suruggen(Gais/Trogen; 70 GWh). Diese will der Regierungsrat im Richtplan «festlegen». Das bedeutet: Sie wären fix als Windenergie-Gebiete definiert. Als nächster Schritt müssten sie in die Kantonale Nutzungsplanung aufgenommen werden – dann könnten konkrete Projekte folgen. Aber nicht alle sechs Gebiete geniessen die gleiche Priorität. Auf Platz eins der Wunschliste steht das Gebiet Suruggen. Hier stuft der Kanton die Schutzkriterien zwar als gross ein – bei allen anderen bewegen sie sich zwischen «wenig» und «mittel bis gross» – aber das Energiepotenzial ist mit Abstand am grössten. Dölf Biasotto betont auch nochmal: «Das Gebiet Waldegg macht nur unter Berücksichtigung der St. Galler Seite Sinn. Werden dort keine Windräder gebaut, gilt das auch für Ausserrhoden.»

Was sagt der Gemeinderat?

Der Teufner Gemeinderat wird sich an der Vernehmlassung zum Thema Windenergie-Eignungsgebiete beteiligen. Der am Info-Abend anwesende Gemeindepräsident Reto Altherr sagt: «Das Thema ist für die Sitzung vom 5. März traktandiert. Die Stellungnahme wird anschliessend öffentlich gemacht.»

Wie weiter?

Aus politsicher Sicht ist der Verfahrensverlauf klar. Erst wird das Mitwirkungsverfahren abgeschlossen und ausgewertet. Dann folgt der Entscheid des Regierungsrates. Er beschliesst zuhanden des Kantonsrates, welche Gebiete im Richtplan festgelegt werden sollen. Im Idealfall passiert das noch im Herbst 2024. Nächster Programmpunkt ist die Beratung im Kantonsrat. Dabei handelt es sich in erster Linie um eine «Formsache» – der Rat verabschiedet den Richtplan zuhanden des Bundes. Dieser prüft und genehmigt ihn. Das Inkrafttreten ist dann wieder Sache des Regierungsrates. Läuft alles rund, könnte er das im Herbst 2025 beschliessen. Damit sind aber noch längst keine Windräder gebaut. Dafür braucht es erst eine rechtsgültige Kantonale Nutzungsplanung und später konkrete Projekte. Und wie immer sind die Rechtsmittelverfahren abzuwarten bzw. durchzuführen. Regierungsrat Dölf Biasotto gibt auch zu bedenken: «Der Kanton hat nach wie vor keinen Auftrag zur Erstellung von Windenergie-Anlagen. Die Ausarbeitung und Umsetzung von Projekten ist Sache von privaten Investoren. Im Idealfall mit regionaler Beteiligung. Wir schaffen lediglich die nötigen Rahmenbedingungen.»

Sachliche Diskussionsrunde

Teil des Abends ist auch eine Podiumsdiskussion mit einer kurzen Publikums-Fragegrunde. Moderiert von Kommunikationsspezialist Andreas Notter unterhielten sich Werner Geiger (Appenzell Wind AG), Dino Duelli (Pro Landschaft AR/AI), Bruno Dürr (Pro Wind St.Gallen-Appenzell) und Karlheinz Diethelm (Leiter Amt für Umwelt AR). Sie sprachen über Umwelt- und Landschaftsschutz, Subventionierungen bzw. die Kosten von Windenergie, Lärm- und andere Emissionen von Windrädern sowie die Eignung der sechs vorgeschlagenen Gebiete. Die Diskussion ist sachlich und geordnet. Aber rasch ist auch klar: Einig wird man sich in keinem der (kontroversen) Punkte. Mit Ausnahme des «Suruggen». Alle Beteiligten – auch Dino Duelli, der sich generell gegen Windenergie in Ausserrhoden ausspricht – sind der Meinung: Hier wären Windräder grundsätzlich am sinnvollsten bzw. effizientesten.  tiz

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