Über Krieg und Frieden und die Flüchtlingsströme haben am Sonntag Diakon Stefan Staub und Divisionär Hans-Peter Kellerhals, Kommandant der Territorialregion 4 – und oberster Militär zwischen Bodensee und Zürich – an der Kanzel der katholischen Kirche Teufen diskutiert. „Mir tun die Bilder aus Syrien weh.“ Und: „Das Boot ist noch nicht abgesoffen“, sagte Kellerhals zum Flüchtlingsdrama.
Margrith Widmer
Sonnenblumen und Maiskolben, Kürbisse und Gräser schmückten die katholische Kirche Teufen-Bühler-Stein am eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag. Dazu zwei Strohballen als Sitze: mit Tarnstoff für den Divisionär, mit Sackleinen für den Diakon.
Respekt und Toleranz
Der Bettag sei ein staatlicher Feiertag, so Stefan Staub: Nach dem Sonderbundskrieg und der Gründung des Bundesstaats sollte der Tag Respekt vor Andersdenkenden fördern: „Er hat an Aktualität nicht eingebüsst, in einer Zeit, in der Krieg und Vertreibung herrschen und Menschenmassen unvorstellbares Leid erleben – als hätte es den Humanismus nie gegeben“, so Staub.
Er zeigte Bilder der Flucht aus Syrien: Trümmer, Trümmer, Trümmer, zerstörte Häuser, weinende Kinder, lange Menschenzüge, Flüchtlingstrecks, Stacheldrahtrollen, überfüllte Boote, ein rotes Transparent: „Refugees welcome“.
Im alttestamentlichen Buch Kohelet (Prediger) heisst es, es gebe eine Zeit für Liebe und eine Zeit für Hass, eine Zeit für Krieg und eine Zeit für Frieden: „Ist Frieden eine Utopie und Krieg eine Tatsache?“ fragte Staub.
Zur Sicherheit Sorge tragen
1639 – mitten im 30-jährigen Krieg (1618 bis 1648) – wurde in St. Gallen nach mehreren Seuchenepidemien erstmals ein Buss- und Bettag durchgeführt, wie Divisionär Hans-Peter Kellerhals erklärte. Seit 1848 sind Menschenrechte und Freiheiten festgeschrieben: Das Land gehört den Bürgern. Frieden und Sicherheit seien hohe Güter, so Kellerhals. Frieden als Abwesenheit von Krieg zu definieren, sei zu wenig.
Auch in Friedenszeiten gebe es – ohne Kämpfe zwischen Staaten – Armut, subtile Gewalt, Mangel an Respekt. Kellerhals appellierte an Toleranz und Offenheit. Wenn Flüchtlinge in Auffanglagern nicht mehr ernährt werden könnten, sei es nachvollziehbar, dass sie Wege suchten, um an Orte zu gelangen, wo sie ihre Familie ernähren könnten. Positiver Frieden umfasse soziale Gerechtigkeit, Toleranz und Respekt. Zur Sicherheit müsse Sorge getragen werden – alles habe seine Zeit – es gelte, aufzupassen, den richtigen Zeitpunkt nicht zu verpassen.
An 1956 erinnern
Die Schweiz sollte bereit sein, Schutzsuchenden zu helfen – angesichts der grössten Flüchtlingswelle seit dem Zweiten Weltkrieg. „Wir haben schon grössere Flüchtlingswellen erlebt; wir könnten mehr leisten,“ so Kellerhals.
Was er dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban sagen würde, wollte Stefan Staub wissen: „Ich würde ihn daran erinnern, wie viele Ungarn 1956 in anderen Ländern Schutz gesucht haben“, sagte der Divisionär. Und: „Es ist stossend, dass die EU während der griechischen Krise nahezu jeden Tag Sitzungen abhalten konnte – aber jetzt, angesichts von Stacheldraht an den Grenzen – nicht.
Integrieren
Es heisse schon wieder, „das Boot ist voll“, stellte Staub fest. Kellerhals ist überzeugt: „Es lassen sich viele integrieren.“ Im Militär sehe er Namensschilder, oft mit Namen, die man kaum aussprechen könne – aber die Menschen seien integriert: „Das Boot ist noch nicht abgesoffen.“
Linke wie Rechte nutzten die Flüchtlingsdramen für Wahlpropaganda, sagte Staub. Er sehe keine Bedrohung, die die Schweiz nicht meistern könnte, stellte Kellerhals fest: Wahlkampf sollte weniger mit dem Bauch und mehr mit dem Kopf gemacht werden, riet er.
Kein „gerechter“ Krieg
Von einem „gerechten Krieg“ könne man nicht sprechen: Mitbürger müssten geschützt werden aber: „Krieg kann nicht wirklich gerecht sein,“ so Kellerhals, der Carl von Clausewitz zitierte: „Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.“
„Wie stoppt man den IS?“ wollte Stefan Staub wissen. Kellerhals räumte ein, diese Frage sei schwierig zu beantworten; „Ich weiss es nicht. In diesen Ländern besteht keine starke Basis der Gerechtigkeit – auch schon bevor die USA Unruhe in den Irak rein brachten. Wenn eine gute Basis vorhanden ist, entsteht so etwas nicht.“ Den Vertriebenen müsse möglichst vor Ort geholfen werden.
Stefan Staubs Fazit: „Gewalt ist oft das schlechteste Mittel.“ Er erinnerte an das Projekt der Pfarrei Teufen-Bühler-Stein einer Kleidersammlung für Kurdistan. Geplant ist ein Konvoi nach Erbil, der Hauptstadt Kurdistans.
Das Manuskript der Predigt von Divisionär Hans-Peter Kellerhals PDF
Es folgen Fotos vom anschliessenden Apéro: