Das mit der Beratung im Coiffure ist so eine Sache. «Es gibt eine grosse Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der Coiffure und der Kundschaft», sagt Tamara Koller. Sie und Fabienne Preisig führen «Coiffure Tonio» seit Anfang 2023. Und sie wissen: Wenn Friseurinnen und Friseure bei Umfragen angeben, die Kundschaft durchgehend gut beraten zu haben, bestätigen das nur 3 von 10 Kundinnen. «Es ist wie bei allen Formen der Kommunikation: Man muss sich Zeit nehmen, wirklich zuhören und sein Gegenüber respektieren», sagt Fabienne Preisig.
Darum geht es auch bei den «Beauty-Events». Pro Jahr finden rund acht davon im Coiffure-Salon im «Hecht» statt – mehr wären aber möglich. «Wir wollen das Angebot noch weiter ausbauen.» An diesem Dienstagabend kommt das Team der Schule Steinegg vorbei. Eine der Lehrerinnen hatte den Event bei einem Gewinnspiel im Coiffure-Salon gewonnen. Sie können den Service deshalb heute gratis geniessen. Normalerweise kostet das Ganze, je nach Variante, 60 oder 70 Franken pro Person. Und: Auch ein Mann ist dabei. «Das ist inzwischen eigentlich keine Seltenheit mehr», sagt Fabienne Preisig schmunzelnd. «Klar, die Mehrheit sind immer noch Frauen. Aber wir spüren da auf jeden Fall eine Entwicklung: Männer sind mehr und mehr auch daran interessiert, ihr Äusseres etwas zu optimieren.» Das gilt sowohl für den Tagesbetrieb als auch die Events. Eine der drei Stationen der Beauty-Events fällt bei den Männern allerdings weg: das Make-Up. «Als Alternative bieten wir ihnen eine Haar-Aufnahme mit unserer Spezialkamera.» Diese hat Vergrösserungsleistung von 600 Prozent. «So können wir die Gesundheit der Kopfhaut und Haare deutlich besser einschätzen», sagt Tamara Koller.
Der Kern des Anlasses – nebst Apéro und Kennenlernen – ist die Stil-Beratung. Wobei: Eigentlich sei das ja gar keine Stil-Beratung. «Es geht eher darum, die Person, den Charakter zu erfassen.» Dafür blättern die Gäste in diversen Magazinen – Mode, Architektur, Popkultur – und markieren Seiten, die sie besonders ansprechen. «Diese Auswahl ist ein super Indikator dafür, was ihnen gefällt. Auch dafür, was ihnen an sich selber gefallen würde.» Dabei geht es um die Ermittlung der «Farb-Persönlichkeit» – rot steht für eine dominante Persönlichkeit, blau für wissensbegierig, grün für harmoniebedürftig, gelb für lebensfreudig und quirlig –, aber auch um die optische Auswahl der Kundschaft. Wer ein modernes Beton-Haus mit klaren Linien auswählt, bevorzugt vermutlich einen «cleanen Look». «Aber das ist keine exakte Wissenschaft. Man muss einfach herausspüren und im Gespräch ermitteln, was der jeweiligen Person gefällt.»
Beim Make-Up und beim Frisieren geht es dann ebenfalls um Beratung und ein kurzes «Auffrischen». Für einen kompletten Schnitt oder eine vollständiges Make-Up reicht die Zeit beim rund zweistündigen «Beauty-Event» nicht. «Wir geben Inputs, zeigen, was möglich wäre und hoffen natürlich, das eine oder andere Gesicht bald wiederzusehen.» Die Geschäftsführerinnen wissen: Solche Anlässe sind eine der effektivsten Formen der Kunden-Akquise. Und sie wissen auch: «Man muss etwas machen, wenn man wahrgenommen werden will. Gute Arbeit allein reicht einfach nicht.» Ihre Strategie – inkl. stetiger Social-Media-Präsenz – scheint sich auf jeden Fall auszuzahlen. «Das Geschäft läuft gut. Wir können uns nicht beklagen.» Das gilt auch für das Personal: Von den 12 Angestellten absolvieren drei die Lehre als Coiffure. Im Sommer kommt noch eine vierte Lehrtochter dazu. «Auch in unserem Sektor gibt es einen Fachkräftemangel. Wir sind froh, dass wir da etwas dagegenhalten können.»
