Pizza zu Pfingsten

22.05.2021 | Timo Züst
Wurzelchraf
Farina Pfeiff und Adam Pohlodek mit Hündin Sina vor dem Take-Away-Stand auf ihrem Parkplatz. Foto: tiz
Farina Pfeiff und Adam Pohlodek mit Hündin Sina vor dem Take-Away-Stand auf ihrem Parkplatz. Foto: tiz Morgen Sonntag beginnt der Frühling an der Alten Speicherstrasse: An Pfingsten verkaufen Adam Pohlodek und Farina Pfeiff zum ersten Mal wieder Take-Away-Pizza. Von 11 bis 8 Uhr abends. Hier lesen sie mehr über die zwei (Artikel vom Vorjahr): «Jede Krise ist auch eine Chance.» Adam Pohlodek klingt in Anbetracht der aktuellen Lage erstaunlich positiv. Wie sehr die Massnahmen zur Verlangsamung des Coronavirus sein Unternehmen «Wurzelchraft Catering» getroffen hat, wird bei einem Besuch der Homepage sichtbar. In einer Tabelle sind jene Events aufgeführt, die Adam Pohlodek und Farina Pfeiff heuer auf dem Plan haben. Darüber der Vermerk: Die roten Anlässe sind aufgrund der aktuellen Lage abgesagt oder verschoben. Und das sind einige: Mittelalterflohmarkt Rheinfelden, Street Food Festival Wattwil, Urban Bike Festival Zürich und, und, und. «Ja, unsere Saison wäre in der zweiten März-Hälfte losgegangen. Von da an ist fast jedes Wochenende verplant», so Pohlodek. Der 31-Jährige lebt mit seiner Frau Farina Pfeiff (27) und dem fünfjährigen Baldur seit zweieinhalb Jahren in der Goldiweid. «Wurzelchraft» existiert aber schon etwas länger. «Ich habe mich 2016 selbstständig gemacht. Anfangs war es eine Mischung aus Catering und Naturpädagogik. Nach und nach hat sich aber das Catering durchgesetzt.» Zwar arbeitet Adam Pohlodek (dipl. Soziokultureller Animator FH) auch noch in einem Kleinst-Pensum an der Naturschule Woniya in Masein GB, trotzdem sind die Wurzelchraft-Aufträge das finanzielle Rückgrat der Familie. Nach der Bekanntgabe des Bundesrates am 16. März war deshalb klar: Es muss eine Lösung her. Rasch gehandelt Alles sprach für ein erfolgreiches Jahr. In den ersten Jahren sammelten Adam Pohlodek und Farina Pfeiff viel Erfahrung. Mittlerweile haben die beiden mehrere fixe Termine im Jahreskalender und genügend Aufträge. «Ich habe im Winter deshalb einen zweiten Wagen gebaut und den gesamten, administrativen Bereich auf Vordermann gebracht. Ich war wirklich ready, um in das Jahr zu starten.» Doch dann kam Corona. Schon Wochen bevor der Lockdown Realität wurde, verfolgte Adam Pohlodek die Nachrichten rund um das Virus sehr aufmerksam. «Ich habe früh gemerkt, dass da einiges auf uns zukommt. Die Überraschung hielt sich deshalb etwas in Grenzen.» Statt nach dem 16. März in eine Schockstarre zu verfallen, wurden die beiden sofort aktiv. Und wo lässt sich schneller etwas aufbauen als im eigenen Garten? «Uns viel bereits nach Beschluss der ersten Massnahmen auf, dass auf der Alten Speicherstrasse plötzlich viel mehr Fussgänger unterwegs sind. Das wollte wir ausnützen.» Also klemmte er sich am 18. März hinter das Telefon, sprach mit Kanton, Gemeinde und dem Amt für Lebensmittelkontrolle. Nachdem er von allen Seiten das Okay hatte, baute er seinen Stand am 19. März zum ersten Mal überhaupt auf seinem Parkplatz auf. Ein Schild auf die Strasse gestellt, einen gut sichtbaren Hinweis zu den Corona-Schutzmassnahmen angebracht, auf Social Media informiert und voilà: «Wurzelchraft» war wieder im Geschäft. Ein Erfolg Immer ist der Take-Away-Stand nicht geöffnet. Die Betreiber orientieren sich hauptsächlich am Wetter – schliesslich ist man auf Laufkundschaft angewiesen. Wann geöffnet ist, steht jeweils auf der Homepage und Social Media. Bisher waren es im Schnitt aber rund drei Tage pro Woche. «Und ich bin noch immer überrascht, wie gut es läuft», so Adam Pohlodek. Klar: Die Zahlen lassen sich nicht mit dem Umsatz eines Events vergleichen, bei dem die Kunden während Stunden Schlange stehen. Aber: «Natürlich ist das rein spekulativ. Aber wenn es so weitergeht, sollten wir bis zum Ende der Krise über die Runden kommen.» Die guten Wetteraussichten für die kommenden Ostertage spielen den beiden dabei in die Karten. Denn sie haben sich entschlossen, den Stand von Karfreitag bis Ostermontag zu betreiben. Geöffnet ist jeweils von 11 bis 14 und von 16 bis 20 Uhr. «Uns ist bewusst, dass in dieser Zeit evt. etwas mehr Kundschaft hier sein wird. Deshalb achten wir auch speziell auf die Einhaltung der Hygienemassnahmen. Und bitten unsere Gäste, dasselbe zu tun.» Immerhin: Rund um den Stand befindet sich eine offene Wiesenfläche. Genug Platz also, um sich mit seiner Pizza oder dem Flammkuchen etwas zurückzuziehen. Qualität vor Quantität Herzstück des Wurzelchraft-Cartering-Wagens ist ein Lehmofen. Darin entstehen die begehrten Pizzen und Flammkuchen. Gebaut hat ihn Adam Pohlodek. «Meine ersten Erfahrungen mit einem Lehmofen machte ich im Studium. Meine Gruppe Jugendlicher wollte als Praxisprojekt einen Pizzaofen bauen. Ich willigte ein. Aber nur unter der Bedingung, dass wir nachhaltige, regionale Materialien verwenden.» Das Projekt wurde zu einem Erfolg. Der Ofen steht heute noch. Mittlerweile hat Adam Pohlodek dutzende Lehmöfen gebaut. Und dabei viel gelernt. Er ist überzeugt: Mit der richtigen Pflege sind fest installierte Modelle auch nach 30 Jahren Betrieb noch intakt. Etwas anspruchsvoller ist der Bau eines passenden Ofens für den Catering-Wagen. «Während des Transports ist die Konstruktion natürlich grossen Belastungen ausgesetzt. Aber bisher hat alles gehalten.» Genau wie bei der Infrastruktur legen er und Farina Pfeiff auch bei ihren Pizzen und Flammkuchen viel Wert auf Nachhaltigkeit. «Unser Motto ist Qualität vor Quantität.» Das bedeutet: Alles ist Bio. Und die Basis für den Teig bildet stets hochwertiges UrDinkel-Mehl. «Natürlich sind unsere Produkte etwas teurer als die von vergleichbaren Marktständen. Aber der Erfolg gibt uns recht. Die Menschen legen wert auf Ökologie, Qualität und Nachhaltigkeit.» Bisher hat die Corona-Krise dieses Konzept nicht in Gefahr gebracht. Der Nachschub an Bio-Gemüse und Urdinkel-Mehl ist zurzeit sichergestellt. «Aber natürlich wissen wir nicht, wie es weitergeht. Wir bleiben deshalb weiterhin flexibel und gehen eine Woche nach der anderen an. Aber bereits jetzt danken wir allen, die uns in dieser speziellen Zeit unterstützen.» tiz

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