Eigene Baukultur entdecken

26.10.2025 | Sepp Zurmühle
dorfrundgang_2025 (18)

Historiker Thomas Fuchs ist in der Geschäftsführung (kleiner Vorstand) des kantonalen Heimatschutzvereins. Auf dem kühl-feuchten Dorfrundgang am Samstagvormittag erläutert er geschichtliche und bauliche Zusammenhänge einer Auswahl an älteren, aber auch jüngeren Gebäuden im Dorfkern.

Am Samstag 25. Oktober 2025 zeigt sich der Himmel über Teufen trüb. Irene Hochreutener, Kunsthistorikerin und Obfrau des Vereins Heimatschutz AR begrüsst ca. 25 Personen auf dem Dorfplatz vor dem «alten Bahnhof», dort wo die Bibliothek ihr Zuhause hat. Seit 1910 setzt sich der Heimatschutz Appenzell Ausserrhoden für den Erhalt der Eigenart und der Schönheit der Dörfer im Kanton ein. Seit diesem Sommer laden digitale baukulturelle Rundgänge in ausgesuchten Appenzeller Dörfern zu Entdeckungsreisen ein. Dies trifft bisher für Heiden, Rehetobel und Teufen zu, siehe hier.

Heute führt Thomas Fuchs, Historiker und Kurator im Museum Herisau, zu einigen der insgesamt 28 aufgeführten Gebäuden in Teufen und gibt Erklärungen dazu. Weitere Ausführungen finden Sie auf der Webseite des Heimatschutzes unter «Baukultur entdecken».

Schulhaus Dorf, Dorf 8

Das Schulhaus Dorf diente zwischen 1840 und bis vor den Sommerferien 2025 als Schulhaus. Zwischen 1837 und 1839 ist es, zusammen mit dem benachbarten Gemeindehaus, von Architekt Felix Wilhelm Kubly erbaut worden, nachdem er bereits zuvor im Bühler ein repräsentatives Schulhaus bauen durfte. Die spannende Geschichte rund um den Bau des Schulhauses Dorf kann in der Printausgabe der Tüüfner Poscht (Mai 2025/Seiten 26 bis 27) nachgelesen werden. Beispielsweise bezog Lehrer Gmünder mit 80 Schulkindern den ersten und Lehrer Tobler mit 127 Kindern den zweiten Stock; damals alles noch unbeheizt.

Postgebäude, Dorf 17

Das dreigieblige Gebäude im «Appenzeller Stil» des späteren 20. Jahrhunderts ersetzt die spätklassizistische «Villa Roth» von 1869. Der Neubau sollte sich harmonischer einfügen als die stilfremde, abgebrochene Villa. Erstmals wurde versucht, die klassische Gestaltung der Appenzellerhäuser zeitgemäss zu interpretieren.

Bahnhofgebäude, Ebni 1

Gleich gegenüber befindet sich das Bahnhofgebäude; erbaut 1907 bis 1909. Das repräsentative, damalige Bahnhof- und Postgebäude ist dem Heimatstil zuzuordnen. Der regionaltypische Schweifgiebel in spätbarocken Formen stellt den Bezug zum Standort her. Besonderen Wert wurde auf die Gestaltung der Fassaden gelegt. Dazu gehören die im Sandstein eingehauenen Jugendstilornamente um die Hauptportale an der Strassenseite und die Bemalungen unter dem Vordach, an den Dacherkern und den Fensterläden. Thomas Fuchs zeigt ein Foto von damals, vorauf gewisse Bemalungen noch zu erkennen sind.

Kaufmannspalast, Gremmstrasse 11

Der wohlproportionierte, herrschaftliche Textilkaufmannspalast wurde gemäss einer Inschrift im Schlussstein eines abgebrochenen Portals 1769 für den Textilkaufmann CW (für Conrad Walser) erbaut. Das einstige barocke Mansardwalmdach wurde zwischen 1822 und 1825 zum heutigen klassizistischen Walmdach umgestaltet. Vermutlich 1931/32 ersetzte man die beiden Portale durch das heutige. Bis 1931 diente das Haus als Geschäftssitz mehrerer bedeutender Weisswarenfabrikations- und Exportfirmen: Auf einer Etikette der Firma J. Bischoff & Cie (1849 bis 1863), im Format von wenigen Zentimetern, ist die damalige Situation wunderschön abgebildet, inkl. eines Webers (links) und einer Stickerin (rechts).

Danach wurde das Gebäude zum Wohnheim für Schülerinnen von Prof. Busers Voralpinem Töchterinstitut umgebaut. Von 1975 bis 2006 beherbergte es das Wohnheim Eben Ezer der Stiftung Waldheim. 2009 erfolgte der Umbau zu Eigentumswohnungen.

Methodistenkapelle, Hörliweg 282

Ein solch schmucker und sorgfältig gestalteter Heimatstilbau ist bei vielen evangelisch-methodistischen Kirchen in der Schweiz anzutreffen. Den Vertrag über den Landerwerb für die neue Kapelle unterzeichnete als Vertreter der Methodisten Andreas Ruppaner (1849 bis 1918), der 1888/89 das Bad Sonder erweitert und zum Kurhaus mit christlicher Hausordnung umgewandelt hatte. Er war bis 1906 auch als Prediger tätig. Die Einweihung der Kapelle erfolgte am 3. April 1910. Heute dienst das Gebäude als Wohnhaus.

Fabrikantenhäuser am Unterrain 2 und 4

Hierbei handelt es sich wohl um zwei der schönsten Fabrikantenhäuser aus der Zeit um 1800. Sie markieren den historischen Westeingang des Dorfes und zusammen mit den Häusern Hauptstrasse 3 und 5 sowie Dorf 6 den Verlauf der alten Landstrasse von St. Gallen her. Über massiven Sockeln aus Sandstein liegen zwei Wohngeschosse in Strickbauweise und darüber, erstaunlicherweise in Riegelbauweise, die Festsäle mit Stuckdecken. Das Walmdachhaus Nr. 4 mit spitzwinkligem Mittelgiebel ist fast baugleich mit dem 1796 erstellten Haus Dorf 6. Die Hauptfassade ist reich «befenstert» und von toskanischen Pilastern flankiert. Im Schlussstein des Portals sind die Initialen des Bauherrn JWB (für Leinwandfabrikant Johann Conrad Waldburger-Würzer (1791 bis 1836) und die Jahreszahl 1811 angebracht. Haus Nr. 2 unterscheidet sich durch die Einzelfenster und den spätbarock-geschwungenen Quergiebel über der Hauptfassade. Es wurde etwas früher für den Mousseline-Fabrikanten Jakob Roth-Locher (1766 bis 1849) erstellt. 1865 erhielt es östlich einen Anbau für eine Garnsiederei. Die Fassadentäfer waren 1903 noch unbemalt.

Fabrikantenvilla, Engelgasse 216

Auf dem schmalen Weg geht es hinunter zum Bächli. Von dort zeigt Thomas Fuchs hinauf Richtung Dorf auf das weisse Haus mit grauem Sockel (ca. in der Mitte der Häuserreihe) mit dem halboffenen roten Rollladen unten links. Der Heimatstilbau nimmt die Volumetrie des typischen Appenzellerhauses auf. An Stelle des gestemmten Täfers tritt jedoch das Schindelkleid. Die Zeitschrift «Heimatschutz» würdigte das Gebäude bereits 1912 als «entzückendes Beispiel» für ein modernes Appenzellerhaus: «Bei allem Komfort im Innern in seiner äusseren, der Tradition angepassten Form, schlicht und freundlich wirkend und sich harmonisch in den Rahmen des Dorfbildes einfügend. Wir empfinden herzliche Freude über jedes neue Bauwerk, sofern sich in ihm Geschmack und Formensinn bekunden.»

Haus Bächli, Friedhofstrasse 196

Das bei der Eröffnung 1826 als Waisenhaus bezeichnete Gebäude wurde nach der Ausquartierung der Waisenkinder, in ein eigenes Haus am Schönenbüel, zum Armenhaus. Nach einem Brand wurde es 1864 mit leicht modifiziertem Dach wiederaufgebaut. Mit sporadischen Erneuerungen diente es bis in die 1970er-Jahre für 50 bis 60 Personen als Unterkunft. Im 20. Jahrhundert erfolgte die Umbenennung in Bürgerheim. Die Leitung oblag den Armeneltern. 1972 wurde der Zustand des Heims als schockierend empfunden und ein Ersatzbau gefordert. Die Gemeinde beantragte die Ausserschutzstellung des Hauses. Das Neubauprojekt scheiterte jedoch an der Urne. Stattdessen erfolgte ein Umbau zum Altersheim für rund 24 Personen (eröffnet 1979). Den Landwirtschaftsbetrieb abgekoppelt (1988), wurde das Altersheim 2017 aufgehoben. 2025 erfolgte die Neueröffnung als «Gesundheitshaus» mit Arzt- und Therapiepraxen sowie Büros (Pro Juventute, Pro Senectute und auch die «Tüüfner Poscht» wird Ende November dort einziehen).

Friedhofsgebäude, Friedhofstrasse 580

Der ruhig und elegant gestaltete Abdankungsraum entstand 1964 unter der Verantwortung Heinrich Danzeisens, trägt aber die Handschrift des talentierten Mitarbeiters Henry Wagner. Unter einem grossen Schrägdach sind auf zwei Niveaus wenige Räume untergebracht: Oben Kammern für die aufgebahrten Toten, den Pfarrer und die Angehörigen, unten eine grosszügige Halle, die sich zu den Gräbern einige Treppenstufen weiter unten öffnet. Die Besucher betreten das Gebäude in einer geschickten Dramaturgie: Sie treten in die dunkleren, tiefen Räume ein und werden dann nach vorne, zum Licht hingezogen. Das Gebäude steht am Eingang des Friedhofs und bildet gleichzeitig den Ankerpunkt innerhalb des leicht abfallenden Geländes. Der Friedhof war 1877 hierher verlegt worden. Von 1955 bis 1960 erhielt er nach Plänen von Gartenarchitekt Fred Klauser eine etappenweise Neugestaltung.

Fabrikantenhaus, Hechtstrasse 8

Jetzt beginnt es zu regnen. Auf dem Weg zum Zeughaus gibt Thomas Fuchs ein paar Erläuterungen zum weissen, etwas einfacheren Fabrikantenhaus an der Hechtstrasse 8. Und ein paar Meter weiter auf der anderen Seite steht ein artverwandtes Haus. Mehr Informationen finden Sie auf der Webseite des Heimatschutzvereins. Bezüglich Fabrikantenvilla Grünau an der Hechtstrasse 15 gibt eine Tafel vor Ort Auskunft.

Mehrfamilienhaus Lindengarten

Das Haus an der Zeughausstrasse 1b (2004/05) ist eine moderne Interpretation eines Appenzellerhauses an der Nahtstelle zwischen Wohn- und Gewerbezone. Das an der Stelle eines Werkhofs errichtete Gebäude mit einem Büroraum und sechs Eigentumswohnungen zeichnet sich durch eine Architektur aus, die sich mit ortstypischen Merkmalen auseinandersetzt (Architekt: Covas Hunkeler Wyss, Zürich).

Weiter geht der Rundgang zum Zeughaus (1853-1855), umgebaut zum Kulturhaus 2010 bis 2012. Vom Vorplatz Süd aus blicken die Teilnehmenden hinunter zu einer noch jüngeren Interpretation der Appenzeller Bauweise, die noch keine Aufnahme beim Heimatschutz gefunden hat, aber wer weiss?

Beim anschliessenden Apéro im obersten Stock des Zeughauses wird noch rege diskutiert, auch übers Bauen und was sich so alles verändert hat seit der ersten schriftlichen Erwähnung des Ortsnames «Tiuffen» in einer Urkunde des Klosters St. Gallen von 1272. Und was sich wohl noch alles verändern wird in Zukunft. Zu hoffen ist, dass nebst Funktionalität und Rendite, auch nachhaltige (Bau)Qualität, Ästhetik und Authentizität ihre Räume im Wertempfinden der Menschen einnehmen.

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