Vreni Giger vor ihrem Zuhause. Foto: Alexandra Grüter-Axthammer
Alexandra Grüter-Axthammer
Idyllisch liegt das Bauernhaus im Schlatterlehn. In der Stube steht ein brauner Kachelofen. Vom Stubenbuffet schaut eine Reihe kleiner Holzkühe auf den Esstisch. An den Holzwänden hängen Bilder von der Familie, den erwachsenen Kindern und den Enkeln, alle in traditioneller Tracht. Vreni Giger lebt seit 1996 in diesem Haus, ihrem Elternhaus.
Seit ihr Mann vor sieben Jahren gestorben ist, lebt sie allein. Familie bedeutet ihr viel, wie auch Bräuche und Traditionen. «Vechschau und s’Silversterchlausen, waren bei uns mindestens so wichtig wie Weihnachten», sagt die 77-Jährige. Ihre Eltern stammen ursprünglich aus Urnäsch, zuerst zogen sie nach St.Georgen in St.Gallen und später nach Teufen und führten einen Bauernbetrieb. 1962 zog Vreni Giger gemeinsam mit ihrem Ehemann Emil, den sie in der Trachtengruppe kennen gelernt hatte, in den Unterbach, oberhalb der alten Speicherstrasse. Hier führten die beiden zuerst einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb und gründeten eine Familie. Der Betrieb vergrösserte sich laufend und im Jahre 1996 konnten Vreni und Emil Giger ihrem Sohn Walter einen landwirtschaftlichen Grossbetrieb übergeben. Vreni Giger ist Bäuerin und Mutter mit Leib und Seele. Etwas anderes habe sie nie gemacht und wollte sie auch nicht. «Ich habe immer gerne mit den Händen gearbeitet und es macht mich glücklich, wenn es Tiere ums Haus hat – auch heute noch.» Vieles habe sie im Landfrauenverein gelernt. Sie besuchte Kurse für Fleischverarbeitung, Kochen, Nähen und Vorträge zu verschiedenen Themen. Dreizehn Jahre lang stand sie dann selber als Präsidentin an der Spitze des Landfrauenvereins.
Selbstgemacht
Aus einem alten Mantel schneiderte sie Hosen für die Buben. Am liebsten jedoch nähte sie für die Kinder und Enkel Edelweisshemden. Sie pflegte den Garten und verarbeitete Obst und Gemüse, um es haltbar zu machen. «Wenn man so zurückdenkt, so hatte man ‹allewil› heimische Produkte zum Essen. Das Gemüse aus dem eigenen Garten. Im Herbst gingen wir ins Rheintal und kauften Rüebli, Randen und Räben. Diese steckten wir in den Sand, damit sie den Winter über hielten.» Auch Fleisch wurde haltbar gemacht. «Wenn eine Sau oder ein Chälbli gmetzget wurde, dann wurde das ganze Tier verwertet. Voressen wurde sterilisiert und es gab grünen Speck, der wurde gesalzen und eingemacht. » Vieles habe sie von ihrer Mutter gelernt und auch ihre eigenen Kinder lernten von ihr die Verarbeitung der eigenen Produkte. Ihr jüngstes Kind, die Tochter mit dem gleichen Namen wie die Mutter, buk und kochte bereits als Kind gerne. Mittlerweile ist ihre Tochter, Vreni Giger, eine der renommiertesten Köchinnen der Schweiz und bekannt fürs Kochen mit regionalen und biologischen Zutaten.
Verwurzelt und neugierig
Vreni Giger erzählt aus einer Zeit, in der das Leben noch «einfach » war ohne viel Technik und Luxus. Anfangs habe es noch kein Wasser in ihrem Haus im Unterbach gegeben. «Wir hatten einen Brunnen vor dem Haus mit wunderbarem Quellwasser. Wir mussten es nur ins Haus tragen.» Während der Seegfrörni sei das Wasser in den Eimern in der Küche eingefroren, daran kann sie sich gut erinnern – aber sie könne sich nicht erinnern, dass sie gefroren hätten in diesen Jahren. Überhaupt habe sie nichts vermisst. Trotzdem freute sie sich jeweils, wenn moderne Geräte ihnen die arbeitsreichen Tage erleichterten. Wie etwa, als eine gebrauchte Waschmaschine auf den Hof im Unterbach Einzug hielt und sie die Stoffwindeln der Kinder nicht mehr von Hand waschen musste. Auch das Einfrieren des eigenen Gemüses bot neue Möglichkeiten. Beim alten Bahnhof, dort wo heute die Bäckerei Koller ist, gab es Anfang der sechziger Jahre öffentliche Gefrierfächer. «Das nutzten wir und lagerten dort unsere Produkte, aber es war zu weit weg von unserem Hof und bald kauften wir einen eigenen Tiefkühler.» Die Autoprüfung machte Vreni Giger selbständiger, diese legte sie erst mit zweiundvierzig Jahren ab. Man spürt bei Vreni Giger die Bodenständigkeit, aber auch die Offenheit für technische Geräte und die Freude an den Möglichkeiten der digitalen Welt. «Früher las ich oft halbe Nächte im Bett Bücher, heute habe ich einen Tolino und lese digital, das finde ich sehr praktisch.» Ausserdem steht auf dem Stubentisch ein Tablet. Darauf liest die vierfache Mutter, Grossmutter und Urgrossmutter nicht nur die Tüüfner Poscht, sondern fiebert auch mit ihren Enkeln mit, wenn diese im Sägemehlring stehen und schwingen. Besonders aufregend war für sie dieses Jahr das Eidgenössische Schwingfest in Zug. Da stieg ihr Enkel, Samuel Giger, als einer der Favoriten in den Sägemehlring. Es freue sie sehr, dass auch die Kinder und Enkelkinder so verwurzelt seien und der Zusammenhalt in der Familie so eng sei.