Mirjam Bächtold
Wäre die Reformation ein Musikstück gewesen, so hätte Zwingli die schrägen Töne gespielt und die Harmonie gestört. So stellt es sich Töbi Tobler vor. Seine Komposition für 18 Hackbretter plus Bläser wurde am 14. März im Grossmünster Zürich uraufgeführt. Die zweite Aufführung findet am 25. März in der Grubenmannkirche in Teufen statt.
Manchmal kann Töbi Tobler auf seine Veranda am Waldrand stehen und die Musik kommt einfach. «Ich höre in mich hinein und die Melodien sind da», sagt der Hackbrettspieler und Träger des Schweizer Musikpreises. Und manchmal setzt er sich an sein Instrument und improvisiert, um neue Melodien zu kreieren.
Das Komponieren ist ihm nie schwergefallen. Als er angefragt wurde, für das Reformationsjubiläum eine Hackbrettkomposition zu schreiben, sagte er deshalb sofort zu. Unter dem Titel «Zwingli im Alpstein – Töbi Toblers Hackbrettuniversum» wird das Konzert im Grossmünster Zürich und in der evangelischen Kirche in Teufen uraufgeführt. «Der Titel passt. Für mich fühlt sich die Arbeit an dem neuen Projekt so unendlich an wie das Universum», sagt Tobler. Ein einstündiges Werk zu komponieren und zu Papier zu bringen, war Neuland für ihn, der sonst häufig auf der Bühne improvisiert. «Das Komponieren fiel mir leicht, die grosse Arbeit war, die sechsstimmige Partitur zu Papier zu bringen.» Wie das Hackbrettspiel hat er sich auch die Handhabung des Notenprogramms autodidaktisch beigebracht.
Musik in Zwinglis Kirche holen
Angefragt wurde Töbi Tobler von Johannes Rühl, Leiter des Festivals Alpentöne in Altdorf und Experte für Schweizer Volksmusik. Obwohl Zwingli die Musik aus den Kirchen verbannt hat, sei er ein versierter Musiker gewesen, der selbst viele Instrumente der damaligen Zeit spielte, sagt Rühl. «Wir wissen aber praktisch nichts über die Volksmusik jener Zeit, da sie nur mündlich weitergegeben wurde. Es existieren keine Noten.»
Das ermöglicht dem Komponisten Tobler grosse Freiheiten. «Er ist genau der Richtige für diese Aufgabe. Seine sprühende Kreativität kann er mit diesem Werk voll ausleben.» Mit dem Projekt kommt die Musik aus Zwinglis Heimat in Zwinglis Kirche, das Grossmünster in Zürich, wo er die Reformation in der Schweiz gestartet hat.
Töbi Tobler hat sich über die Anfrage gefreut. «Es ist wieder eine andere Art aufzutreten. Ich kann etwas machen, was ich nie zuvor gemacht habe. Das hält jung», sagt der 64-Jährige.
Jazz gegen Kitsch
Beim Komponieren hat Töbi Tobler nicht an Zwingli gedacht, sondern sich einfach von seiner Intuition leiten lassen. Erst später, als er die Stücke niederschrieb und nochmals hörte, stellte er Zusammenhänge zum Reformator her.
Da ist das harmonische Präludium als zweites Stück der Komposition. «Die Solotrompete symbolisiert mit der schönen Melodie den Klimbim der katholischen Kirche», sagt Töbi Tobler während er das Stück am PC laufen lässt. «Das ist zu viel Kitsch, da brauchen wir eine Basstuba die stört.» Mit jazzigen, teils auch schrägen Tönen mischt die Basstuba mit, das Stück geht über in Rockmusik. «Das Alte ist weg, etwas Neues entsteht», sagt Töbi Tobler.
Die traditionelle Polka und ein Schottisch stehen für Zwinglis Heimat in der Ostschweiz. Und ein Stück in der Komposition soll das Leiden der Menschen im Reformationskrieg zum Ausdruck bringen. Darin verwenden die Hackbrettspieler eine Technik, die Töbi Tobler in Indonesien bei einem Gamelanorchester beobachtet hat. Dabei wird beim Xylophonspiel das Anschlagen und Stoppen der Klangstäbe im richtigen Moment als Stilmittel verwendet. «Hackbrettspieler machen das eher selten. Aber mit dem Stoppen der Saiten kann man den Effekt erzielen, dass der Ton zwischen den Spielern hin und her hüpft», erklärt Töbi Tobler.
Hackbrettschüler aus der Region
Die Hackbrettspieler sind keine Profis, sondern Musikschüler von verschiedenen Lehrern. Sie sind zwischen zehn und 67 Jahren alt und haben unterschiedliche Musikerfahrung. Ein Mädchen spielt erst seit zwei Jahren, einige schon seit 30. «Die Gruppendynamik gefällt mir, die Musik erhält viel Power, wenn so viele Hackbretter zusammen erklingen», sagt Tobler.
Das Wichtigste sei, dass alle im selben Rhythmus spielen. «Ich muss ihnen vielleicht sagen, sie sollen headbangen, damit sie den Groove fühlen.» Nach den Sommerferien haben die Schüler die Noten erhalten. Seither haben sie sieben Mal gemeinsam geprobt. Nervös? «Ein bisschen. Mein Lampenfieber ist nicht mehr so schlimm wie früher. Man muss einfach hinstehen und spielen.»
- Mittwoch 14. März, 20 Uhr, Grossmünster Zürich;
- Sonntag, 25. März, 16 Uhr, Evangelische Kirche, Teufen
Das Programm, die Namen der Mitwirkenden und weitere Infos im Flyer