Der kommende Abstimmungssonntag am 25. September hat es in sich. Die Teufnerinnen und Teufner müssen über vier nationale (Massentierhaltung, 2 x AHV21, Verrechnungssteuer) eine kantonale (Energiegesetz) und zwei kommunale Vorlagen entscheiden. Am Mittwochabend informierte der Gemeinderat über die lokalen Themen: die neue Gemeindeordnung und den Projektierungskredit für die Planung eines Bahntunnels.
Hinweis: Alle wichtigen Fragen und Antworten zur anstehenden Abstimmung finden Sie in unserer Print-Ausgabe (oder hier im PDF) auf den Seiten 10 und 11.
Dieser Info-Abend war in mehrfacher Hinsicht anders als frühere, bei denen die Ortdurchfahrt (ODT) traktandiert war. Erstens: Er fand ausnahmsweise im Zeughaus statt. Bei der Reservation des Lindensaals war die Appenzeller Kantonalbank der Gemeinde zuvorgekommen. Zweitens: Sehr viele Stühle blieben leer. Gemeindepräsident Reto Altherr sprach in seiner Begrüssung von einem Anlass «en famille». Drittens, der vielleicht wichtigste Unterschied: Es gab kaum Wortmeldungen über die ODT-Vorlage. Die Vermutung liegt nahe, dass die Diskussionen bereits im Vorfeld der Initiativen-Abstimmung im Mai geführt wurden – die Meinungen sind gemacht. Zuerst ging es aber um das zweite Traktandum:
Die neue Gemeindeordnung.
«Nach 20 Jahren braucht es eine grundlegende Überarbeitung», sagt Reto Altherr. Die heute gültige Gemeindeordnung («Verfassung») stammt aus dem Jahr 2002. Zwar gab es in den Jahren 2013, 2016 und 2018 Anpassungen – jetzt soll aber die Totalrevision folgen. Bei einer Annahme würde die neue Gemeindeordnung auf die nächste Legislaturperiode bzw. den 1. Juni 2023 in Kraft treten. Immer vorausgesetzt, sie wird vom Regierungsrat genehmigt. Der Gemeindepräsident gab anfangs einen Überblick über die Erarbeitung der neuen Gemeindeordnung und strich dann einige der wichtigsten Anpassungen hervor. Ein kurzer Überblick:
Der Gemeinderat besteht neu aus 7 Mitgliedern – inkl. Präsident. «Wir haben über 5, 7 oder 9 diskutiert. Jede Variante hat ihre Vorteile. Die mittlere hat aber schliesslich überzeugt. Die wichtigsten Argumente sind Gemeindegrösse und eine angemessene Vertretung der Stimmberechtigten.» Ausserdem: Das Präsidium wird neu als Vollamt aufgeführt. «Ich lebe das bereits. So wird es offiziell.»
Im Art. 3 wird explizit der Umweltschutz erwähnt. Teufen setzt sich demnach für den Schutz der Umwelt und die Energieeffizienz ein. «Dem Gemeinderat war das ein wichtiges Anliegen.»
Neu würden auch Ausländer auf Gesuch das Stimmrecht erhalten. Voraussetzung dafür ist ein «Ja» der Stimmbevölkerung zur zweiten Abstimmungsfrage (auf dem gleichen Stimmzettel aufgeführt). «Die Bestimmungen orientieren sich am kantonalen Recht; ein Ausländer muss mindestens 10 Jahre im Land und 5 Jahre im Kanton gelebt haben.»
Das Stimmrechtsalter bleibt bei 18 Jahren und wird an das kantonale Recht gekoppelt. Gibt es dort eine Anpassung bzw. «Verjüngung», würde das übernommen.
Bei der Teilrevision im Jahr 2018 waren die Finanzkompetenzen des Gemeinderates für einmalige Ausgaben bereits angepasst bzw. erhöht worden. Nun folgen diejenigen für wiederkehrende Ausgaben. Sie liegen neu bei 100’000 Franken (bisher 50’000) bzw. bei 200’000 Franken (bisher 150’000) unter Vorbehalt des fakultativen Referendums.
Die für Referenden (100 Unterschriften / 30 Tage) und Initiativen (150) nötige Unterschriftenanzahl bleibt gleich. «Das sind kleine Mengen. Aber uns ist es wichtig, das Mitspracherecht der Bevölkerung hochzuhalten.»
Reglementänderungen unterstehen in Zukunft nicht mehr dem obligatorischen, sondern dem fakultativen Referendum. «Das hat rein praktische Gründe: Bisher müssen wir jede noch so kleine Anpassung zur Abstimmung vorlegen. Das macht keinen Sinn.»
Es wird eine Ombudsstelle geschaffen. Sie soll in einem Streitfall als Vermittler zwischen Bevölkerung und Behörde fungieren. «Tatsache ist, dass es immer mehr Rechtsverfahren gibt. Wir hoffen, bei Differenzen mit dieser Stelle niederschwellig Lösungen finden zu können.»
Weiteres in aller Kürze: Auf ein Gemeindeparlament wird mit Hinweis auf die Gemeindegrösse verzichtet. Der Gemeinderat kann in Zukunft auch via Telefon, Videokonferenz oder schriftlich entscheiden (Corona-Pandemie lässt grüssen). Der Gemeinderat konstituiert sich neu selbst und erhält den nötigen Handlungsspielraum bei Bildung und Steuerung von Kommissionen und Arbeitsgruppen.
Zweites Thema: Tunnel-Projektierungskredit
Den Grundstein für diese Abstimmungsfrage legte die Teufner Stimmbevölkerung am 15. Mai 2022 in die Urne: 70 Prozent sagten «Ja» zur Volksinitiative für einen Bahntunnel zwischen Bahnhof und Stofel. «Damit hat sich der Auftrag des Gemeinderats stark geändert. Nun ist es unsere Aufgabe, ein entsprechendes Tunnel-Projekt auszuarbeiten», sagt Gemeindepräsident Reto Altherr. Der erste Schritt in diese Richtung ist die Abstimmung über den «Projektierungskredit über 4,45 Mio. Franken für die Planung eines Bahntunnels zwischen Bahnhof und Stofel, eine Kreuzungsstelle zwischen Stofel und Sternen sowie eine entsprechende Strassensanierung».
Altherr begründet gleich anfangs die lange Abstimmungsfrage: «Diese Punkte müssen alle mitprojektiert werden, da sie durch ein Tunnel-Projekt tangiert würden. Nur so können wir dann das Doppelspur- und Tunnel-Projekt wirklich vergleichen.» Den hohen Betrag relativiert er einerseits mit den um ein Vielfach grösseren Baukosten eines Tunnelprojekts, mit der Komplexität der Materie, den sehr weitreichenden Vorgaben des Bundesamtes für Verkehr (BAV) und den vielen unverzichtbaren Experten: «Wir brauchen über 20 Spezialisten – beispielsweise Geologen – um die nötigen Unterlagen bereitzustellen.» Einige wird aber nicht nur die Abstimmungssumme, sondern auch der Zeitpunkt des Urnengangs erstaunen. Im Frühjahr war nämlich noch die Rede von einer Vorbereitungszeit von bis zu einem Jahr. Dazu Reto Altherr: «Unser Vorteil waren die Abklärungen, die wir bereits für die abgesagte Abstimmung im September 2020 getroffen hatten. Sonst wäre das nie so schnell gegangen.»
Weniger erfreulich als die kurze Vorbereitungszeit war hingegen ein Brief, den der Gemeinderat am 27. Juni 2022 erhielt. Gezeichnet von Vertretern der drei Leistungsbesteller-Kantone der AB: AR-Regierungsrat Dölf Biasotto, AI-Landammann Roland Dähler und SG-Regierungsrat Beat Tinner. Sein Inhalt: Warnung und Drohung. Darin schildern die Verfasser detailliert, was für Mehrkosten im Fall eines Tunnel-Projekts auf Teufen zukommen würden. Ausserdem wird die vom BAV in Auftrag gegebene Korridorstudie erneut vorgebracht – mit dem Vermerk, dass nur die dort als genügend beurteilten Varianten von den Appenzeller Bahnen (AB) eingereicht würden. Das betrifft insbesondere die Kreuzungsstelle im Stofel. Die Gemeinde lässt auch eine Variante mit einer Kreuzungsstelle neben der Strasse projektieren, die Korridorstudie sieht das allerdings nicht vor. «Ich habe mich diesbezüglich mit BAV-Vizepräsidentin Anna Barbara Remund in Verbindung gesetzt. Ihre Antwort war deutlich: Was praktikabel ist, wird umgesetzt. Ansonsten enthält der Brief wenig Neues und Vieles, über das noch eingehend verhandelt werden muss», so Reto Altherr. Der Gemeinderat hat als Reaktion ebenfalls einen Brief aufgesetzt und sich darin ähnlich bestimmt ausgedrückt: «Wir haben deutlich gemacht, dass wir über Projektierungskredit und Tunnel-Projekt abstimmen lassen werden. Dies entspricht unserem ureigenen Demokratie-Verständnis.»
Wie geht es nach dem 25. September weiter? Bei einem «Ja» wird in den nächsten 3 bis 4 Jahren ein auflagereifes Tunnel-Projekt ausgearbeitet. Anschliessend wird es dem bestehenden Doppelspur-Projekt in einer weiteren Abstimmung gegenübergestellt. Stimmt die Bevölkerung dann dem nötigen Objektkredit für den Tunnel zu, wird dieses Projekt weiterverfolgt. Bei einem «Nein» wird das Doppelspur-Projekt «aus der Schublade geholt» und eingereicht.
Was sind die Abstimmungs-Empfehlungen?
Der Gemeinderat empfiehlt, bei allen drei Fragen – Neue Gemeindeordnung, Ausländerstimmrecht, Projektierungskredit – ein «Ja» in die Urne zu legen. tiz