Thomas Fuchs
In zehn Zelthallen präsentierten rund 280 Aussteller aus den beiden Appenzeller Kantonen ihre Erzeugnisse «werktätigen Fleisses und hochentwickelten handwerklichen Könnens.» Die Ausstellungsfläche betrug annähernd 11’000 m2.
Hoffnung in Krisenzeit
In der schwierigen Zeit der Wirtschaftskrise, von der das Appenzellerland besonders stark betroffen war, erforderte die Organisation des Grossanlasses besonderen Mut. Angesichts der starken Abwanderung – in Ausserrhoden hatte sich die Einwohnerzahl von 1920 bis 1930 von 55’354 auf 48’977 Personen verringert und sank danach weiter – vermittelte sie auch einen wichtigen Schimmer Hoffnung und Mut.
Zentrales Leitmotto der Ausstellung war der Appell zur Errichtung neuer Brücken: Brücken für eine Öffnung des eng begrenzten Appenzellerlandes gegenüber den Nachbarkantonen und zur Stärkung des nationalen Gemeinschaftsgefühls, Brücken zu einem für die Einführung neuer, innovativer Branchen notwendigen Ideenaustausch, Brücken der Solidarität zu den von der Krise besonders stark gebeutelten Webern, Heimarbeiterinnen und Fabrikarbeitern.
Damit war der Teufner Anlass auch eine Manifestation gegen die passive, investitions- und innovationsfeindliche Wirtschaftspolitik der kantonalen Behörden.
Als speziell innovative Betriebe stechen im Ausstellungskatalog unter anderem ins Auge: die «Maschinenfabrik Jakob Bänziger Söhne & Cie.» in Heiden mit ihren Bäckerei- und Konditoreimaschinen, die «Rheintalische Musikinstrumenten-Fabrik Emil Egli» in Lutzenberg mit ihren Blechblasinstrumenten, die «J. Koster Motormäherfab- Thomasrik» in Schönengrund mit ihren «idealsten» Kleintraktoren und Mähern, die «Paul Klee Holzleuchterfabrik» in Reute mit ihren Lampen in individuellen Formen, «Sportartikel-Lutz» in Teufen mit seiner «Skischule Schwägalp-Rietbad», die «Handelsgärtnerei E. Schumacher» in Teufen mit ihrer Champignonzüchterei und ihrem Küchenkräuter- und Alpenpflanzenanbau, «Kürschner Max Rösler» in Teufen mit seinen lebenden Waschbären und die «Appenzellische Frauenzentrale » mit ihren Buben- und Skihosen.
Höhepunkte 1937
Höhepunkte der kantonalen Ausstellung in Teufen vom Herbst 1937 waren der «offizielle Tag» mit den Reden von Bundesrat Johannes Baumann (1874 –1953) und den Landammännern der beiden Appenzeller Kantone, der Haupttag am 26. September mit dem grossen Festumzug, sowie das eigens für den Anlass verfasste, gemäss einer Zürcher Zeitung «äusserst originelle» Schauspiel «‘s Appezellerland».
Das aus heutiger Sicht gar pathetisch daher kommende Festspiel führte das Leitmotiv der Ausstellung, das Brückenbauen, exemplarisch vor. Eckpunkte waren der Teufner Brückenbaumeister Hans Ulrich Grubenmann aus dem 18. Jahrhundert sowie die Ganggelibrugg, die im Herbst 1937 unmittelbar vor der Fertigstellung stand.
Zum feierlichen Abschluss sangen Darbietende und Publikum gemeinsam das Landsgemeindelied. Das Festspiel war ein Grosserfolg. Statt der geplanten sechs mussten die rund 330 Mitwirkenden, mehrheitlich einheimische Laien, zwölf Aufführungen zum Besten geben, und das 1000 Personen fassende Festzelt war jedes Mal ausverkauft.
Der grosse Umzug am 26. September stand unter dem Wahlspruch «Aus dem Volk – für das Volk». Die Spitze bildeten vier Teufner Dragoner auf ihren Kavalleriepferden. Dahinter folgten die thematisch geschmückten Pferdegespanne und Motorlastwagen der einzelnen Industrien und Gewerbe, aufgelockert durch Musikgesellschaften.
Tradition der Gewerbeschauen
Gewerbeschauen bilden bis heute wichtige Fenster für die Präsentation der Leistungskraft des heimischen Schaffens. Die erste «Appenzellische Gewerbe-Ausstellung» hatte vom 14. Mai bis 25. Juni 1871 in Herisau stattgefunden und «weit über 1000 Gegenstände aus den mannigfaltigen Zweigen des Handwerks und der Industrie» gezeigt. Die folgenden Kantonalausstellungen von 1880 (in Heiden), 1891 (Teufen), 1911 (Herisau) und 1937 (Teufen) bildeten Besuchermagnete erster Güte.
Immer wieder fanden auch Gewerbeschauen in einzelnen Gemeinden statt, wie etwa in Teufen 1929 mit einer Gewerbe- und Landwirtschaftsprodukte-Schau, 1941 mit einer Weihnachtsausstellung, 1954 und 1989 mit den Ausstellungen «Teufen schaffendes Dorf» und «Lebe ond schaffe z‘Tüüfe» sowie 1998 und 2009 mit weiteren Leistungsschauen.
2. Bild des Festspiels «’s Appezellerland»
Die Heimarbeiterin: De Webschtuehl schtohd ond ’s Schiffli ischt läär, / de Zeddel isch schwarz ond ’s Lebe-n-ischt schwär, / verlorne Muet ond e Tschüppeli Chend / ischt alls, wa’ mer hend, ischt alls, wa‘ mer hend!
Das umstehende Volk als Chor mit Lied an die Arbeit: Mer wönd eu helfe, mer schtöhnd för eu ii, / ’s dar ken im Ländli im Elend see! /Glücklich das Land, dess’ Volk in friedlicher Arbeit aufgehen darf! / … / Lasst uns erneuern dies Recht! Und jedem sei es gewährt! Grubenmann: Landslüüt! Was ehr jetz bschlosse hend, / glicht anere Brogg vo Schtand zo Schtand /ond d’Chend, die zägid ’s eu im Spiil. Die Kinder treten zum ‹Brücken›-Reigen an: Lasst uns eine Brücke bauen.
TÜÜFNER POSCHT 8/2012