Natalie Fuchs
Während der Amtszeit von Alt-Bundesart Adolf Ogi gab es viele prägende Momente: Er war der erste Schweizer Sportminister, politischer Motor der NEAT und schuf mit dem Gruss «Freude herrscht» an Claude Nicollier ins Weltall ein neues Schlagwort. Am Muttertag stellte er sich in einem eindrücklichen «Gespräch an der Kanzel» in Teufen den Fragen von Diakon Stefan Staub über mütterliche Liebe, den Zusammenhang zwischen Sport und Frieden, seiner Kindheit in Kandersteg und seiner Liebe für die Berge.
Die Nachricht von Ogis Besuch an der Kirchenkanzel hatte sich in der Region herumgesprochen und die Kirchenbänke waren bis auf den letzten Platz gefüllt. «Selten wie ein Appenzeller Alpenbitter in Saudi-Arabien» sei die Freizeit des Alt-Bundesrates. Umso herzlicher bedankte sich Staub bei Dölf Ogi, dass dieser den weiten Weg aus seiner Heimat in Bern ins Appenzellerland auf sich genommen hat – und dies am Muttertag. «Es ist nichts alltägliches, am Sonntagmorgen einen ehemaligen Bundesrat begrüssen zu dürfen», so Stefan Staub.
«Ich habe vor jeder Rede gebetet»
2333 Reden habe Ogi während seiner politischen Karriere gehalten, und vor jeder einzelnen hatte er Angst und betete. Der Ursprung seines starken Glaubens liegt in der besonderen Beziehung zu seinem Vater, einem Bergführer, Förster und Gemeindepräsident, der immer positiv durchs Leben ging. Ogi hatte stets Angst um seinen Vater, wenn dieser in die Berge ging und verabschiedete sich jeweils mit einem «Bhüet di Gott». Diese Erlebnisse schenkten ihm seinen Glauben, der ihn später auch bei politischen Entscheidungen und seinem Engagement für die Gesellschaft leitete.
Auch die Berge spielen eine wichtige Rolle in Ogis Leben: Sie geben ihm Kraft und lehrten ihn Respekt. Und wie ihm schon sein Vater beibrachte: «In den Bergen ist man dem Herrgott ein Stück näher». Im 40-minütigen Gespräch wurde klar, dass die mütterliche und väterliche Liebe, die Ogi von seinen Eltern erfuhr, prägend für sein ganzes Leben waren und ihn eine christliche, ethische Wertehaltung lehrten.
«Man muss die Menschen mögen»
«Wir müssen aufpassen, was wir mit dem Menschsein machen», meint Ogi auf die Frage nach veränderten Rollenbildern. «Da bin ich konservativ.» Man müsse sich jeden Tag überlegen, ob wir in unserer Gesellschaft auf dem richtigen Weg sind und dürfe dabei die christlichen Werte nicht vergessen. Eine wesentliche Erkenntnis in der Spannbreite seines Lebens war für Ogi, dass man den Menschen mögen muss – über die Parteigrenze hinaus. «Der Mensch steht im Mittelpunkt.»
«Das Schwerste für alle Eltern»
Im Jahr 2009 mussten Ogi und seine Familie nach einer Krebserkrankung Abschied nehmen von Sohn Mathias. Nach diesem Verlust fing Ogi an zu zweifeln, war fragend und suchend, erhielt aber keine Antworten. Hoffnung auf ein Wiedersehen mit seinem Sohn gab ihm damals Skirennfahrer Pirmin Zurbriggen, der ihm sagte, Mathias gehe es nun besser.
Im Andenken an Mathias gründeten Ogi und seine Familie die Stiftung «Freude herrscht», die das Ziel verfolgt, Tugenden wie Lebensfreude, Leistungsfähigkeit, Durchhaltewille, Hilfsbereitschaft und Kameradschaft an kommende Generationen weiter zu vermitteln. Die Stiftung unterstützt Projekte, die Kinder zum Sport motivieren, Erlebnisse in der Natur ermöglichen sowie Selbstbewusstsein und Sozialkompetenz fördern. Die Kollekte des Gottesdienstes fliesst vollumfänglich in die Stiftung «Freude herrscht».
Mit stimmungsvollen «Zäuerli» und Gesängen sorgte der Jodlerclub Teufen im speziellen Gottesdienst für Gänsehaut. Beim anschliessenden Apéro bestand die Möglichkeit, sich mit Adolf Ogi persönlich auszutauschen.
Hinweis: Das Gespräch an der Kanzel vom 14. Mai 2023 mit Alt-Bundesrat Adolf Ogi kann in voller Länge geschaut werden.