Wie wollen wir sterben?

03.11.2024 | Esther Schäpper

Diese Frage war das Thema des Herbst-Anlasses, den das Forum Palliative Care Rotbachtal am 2. November im katholischen Pfarreizentrum durchführte. Die eingeladenen Fachleute informierten über das Thema Sterbebegleitung und beleuchteten die damit verbundenen ethischen, medizinischen und rechtlichen Aspekte.

Die Plätze an den liebevoll dekorierten Tischen füllten sich rasch. Rebecca Menzi und Karin Züger vom Verein Forum Palliative Care Rotbachtal konnten rund 60 Personen begrüssen, die der Einladung gefolgt waren. Sie betonten, dass bei diesem sehr individuellen Thema alle die Freiheit haben sollen, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Raphael Labhart, SRF1-Moderator und Gymnasiallehrer, führte durch die Veranstaltung und gleich bei der Begrüssung stellte er das Buch «Wie wollen wir leben?» von Peter Bieri vor. Im ersten Moment klang das wie ein Gegensatz zum Thema «Wie wollen wir sterben?». Aber ein selbstbestimmtes Leben habe wohl doch auch viel mit selbstbestimmtem Sterben zu tun. Damit übergab er das Wort an den ersten Referenten:

Alois Carnier, Regionalleiter Freitodbegleitung Ostschweiz bei EXIT Deutsche Schweiz, gab einen Überblick über den gesellschaftlichen, rechtlichen und politischen Rahmen der Suizidhilfe in der Schweiz. Er informierte über die Voraussetzungen und den Ablauf einer möglichen Freitodbegleitung.  Im Vordergrund steht dabei die Beratung, welche einen klar suizidpräventiven Aspekt hat. Dabei werden auf Augenhöhe mögliche Wege besprochen und auch die behandelnden Fachpersonen und die Angehörigen miteinbezogen. Im Kanton Appenzell Ausserrhoden kam es in den letzten Jahren durchschnittlich zu ungefähr einer Freitodbegleitung pro Monat.

Der nächste Referent war Dr. Maximilian Mölleney, Oberarzt Palliative Care im Spital Altstätten. Er erläuterte, dass bei Palliative Care die Lebensqualität und Menschlichkeit im Vordergrund stehen. Palliative Care beabsichtige weder die Beschleunigung noch Verzögerung des Todes. Das Ziel von Palliative Care sei es, das Leiden unheilbar kranker Menschen zu lindern und ihnen so eine bestmögliche Lebensqualität bis zum Tode zu ermöglichen. Dabei werden die physischen, psychischen, sozialen und spirituellen Aspekte miteinbezogen und den Angehörigen wird Unterstützung angeboten.

Vor der Pause gab es von Raphael Labhart eine Filmempfehlung: Der Film «Atmen» von Karl Markovics handelt von einem jungen Menschen, der sich durch seine Tätigkeit als Bestatter mit dem Tod und dessen verschiedenen Facetten auseinandersetzt, die auch in seinem Leben bereits eine grosse Rolle gespielt haben.

Nach der Pause, in der die Organisatorinnen feine Sandwich-Brote offeriert hatten, kam Ivo Dürr vom Palliativen Brückendienst (PBD) St. Gallen zu Wort. Der PBD ist ein spezialisierter Palliative-Care-Dienst, der rund um die Uhr erreichbar ist und eine beratende sowie unterstützende Funktion hat. Er begleitet die Betroffenen und deren Angehörige, gibt Sicherheit zu Hause, vermittelt Angebote und hilft bei der vorausschauenden Planung, bei der – ganz wichtig – auch ein «Plan B» angesprochen wird für den Fall, dass eine Therapie nicht den gewünschten Erfolg bringt. Zum Schluss seines Referats stellte Ivo Dürr die Frage, ob wir neben Angeboten für den assistierten Suizid auch genügend Angebote für einsame Menschen haben. Oft würde in der Langzeitpflege «mehr Zeit haben» mehr bewirken als Medikamente.

Ute Latuski-Ramm, Leiterin der ökumenischen Fachstelle Begleitung in der letzten Lebensphase (BILL), teilte theologische und philosophische Gedanken sowie ihre Erfahrungen im seelsorgerischen Bereich mit. Sie erzählte, was in der Bibel zum Thema sterben zu finden ist. Und sie sprach über die vielfältigen Bedürfnisse von schwerkranken und sterbenden Menschen sowie über die Grundbedürfnisse im Allgemeinen. Sie ging auf die Begriffe Ethik und Würde ein und wie die Würde von Sterbenden gewahrt werden kann.

Anschliessend trafen sich die vier Fachleute zur Podiumsdiskussion auf der Bühne, moderiert durch Raphael Labhart. Gleich zu Beginn wurde über die Sterbekapsel Sarco gesprochen, die kürzlich erstmals im Einsatz war und seither die Medien und die Justiz beschäftigt. Es ging im Podiumsgespräch aber auch um Fragen und Inputs aus dem Publikum. Und immer wieder kam die Einsamkeit und soziale Isolation zur Sprache. Wir alle sollen uns überlegen, was wir dagegen tun können, in der Nachbarschaft und in unserem Umfeld. Es sei wichtig, dass der Mensch und nicht die Krankheit betreut werde. Zurückkommend auf den Titel der Veranstaltung stellen sich folgende Fragen: was kann ich beitragen, um ab einer Diagnose ein gutes Leben zu haben und was können andere dazu beitragen? Was ist für mich ein würdiges Leben und ein würdiges Sterben? Abschliessend beantworteten die vier Fachleute die Frage des Moderators, wie sie dereinst sterben möchten: in Liebe, versöhnt, in Gelassenheit und Neugierde auf das Nachher, ruhig und unauffällig in den Armen der Liebsten.

Mit einem herzlichen Dankeschön an alle Beteiligten auf und neben der Bühne und einem grossen Applaus endete der Anlass. Beim anschliessenden Apéro blieb Zeit für gemeinsame Gespräche.

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