Das Büro des 56-jährigen Teufners Frank Eichelkraut befindet sich am Roten Platz in St.Gallen. Foto: Timo Züst
Timo Züst
Was tun, wenn einem mit dem Tod eines geliebten Menschen der Boden unter den Füssen weggezogen wird? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Teufner Verlustberater Frank Eichelkraut. Im Interview verrät er, wie aus einem Verlust sogar ein Gewinn werden kann.
Sie beraten Menschen, die unter einem grossen Verlust leiden. Das muss doch traurig machen.
Von aussen mag das so wirken. Mein fachlicher Hintergrund hilft mir aber, das Gehörte von meiner Gefühlswelt professionell abzugrenzen. Sonst könnte ich das nicht machen. Gleichzeitig helfen mir meine Erfahrungen mit Verlusten – ob eine Trennung oder der Tod eines geliebten Menschen – bei der Beratung authentisch zu sein.
Beim Besuch Ihrer Website bin ich auf einen spannenden Begriff gestossen: Prävention. Wie bereite ich mich auf einen Verlust vor?
Es hilft, sich mit der Möglichkeit eines Verlustes zu befassen. Das beginnt schon bei sich selbst, indem man über die eigene Endlichkeit nachdenkt. Junge Menschen tun das eher weniger, ältere hingegen schon. Aber man sollte sich auch der Endlichkeit anderer geliebter Menschen, beispielsweise der Eltern, bewusst sein. Der Tod wird in unserer Gesellschaft nach wie vor totgeschwiegen.
Es kann also helfen, darüber nachzudenken. Inwiefern?
Das beginnt bei ganz pragmatischen Dingen. Fragen wie: Wie lange hält mein Vermögen, wenn ich ins Pflegeheim muss? Wie wollen meine Eltern begraben werden? Im kleinen Kreis? Welche Musik soll spielen? Sind solche Details schon geklärt, fällt beim Eintreten des Ernstfalls eine Belastung weg. Ausserdem kann das auch etwas Schönes sein, über den Tod zu reden.
Beim Thema Sterben sind Sterbehilfeorganisationen wie «Exit» nicht weit. Was denken Sie darüber?
Glücklicherweise war ich noch nie in der Situation, dass ich ernsthaft darüber nachdenken musste. Aber ich kann nachvollziehen, dass es Leute gibt, die achtbare Gründe für so einen Entscheid haben.
Gibt es einen Verlust, der als der «schlimmste» bezeichnet werden kann?
Ein Verlust ist etwas sehr, sehr Individuelles. Ich würde mir nie anmassen, da eine Klassifizierung vorzunehmen. Bei einem Treffen im Rahmen des «Trauercafés » (siehe Kasten) erwähnte ich kürzlich, dass auch der Verlust eines Haustiers schwer zu bewältigen sein kann. Und prompt meldeten sich zwei Teilnehmende, die derzeit gerade um ihre Hunde trauern.
Und nun zur Kernfrage: Wie helfen Sie Menschen, so einen Verlust zu bewältigen?
Im Grundsatz orientiere ich mich am Trauerprozess von Verena Kast. Sie beschreibt, wie ein solcher Prozess in seinen Grundzügen ablaufen kann. Ich versuche dann, die Menschen dort abzuholen, wo sie gerade stehen. Denn jeder reagiert anders auf einen Verlust: Die einen erstarren, die anderen zerfliessen. Dann gilt es herauszufinden, welche Elemente unterstützend wirken. Das kann beispielsweise die Familie, ein Hobby oder Bewegung in der Natur sein. Manchmal wird dabei aus einem Verlust sogar eine Art Gewinn.
Wie meinen Sie das?
Ich habe immer wieder erlebt, dass Trauernde in einer solchen Phase eine riesige persönliche Entwicklung durchlaufen. Sie gehen dann gestärkt aus dieser Erfahrung hervor. Und das ist das Schöne an dieser Tätigkeit: Auch in etwas so Schrecklichem wie einem Verlust steckt so viel Leben.
Themenabend des Vereins Forum Palliative Care am Donnerstag, 8. November, ab 19.30 Uhr im kath. Pfarreizentrum