So rasch aufeinander folgen die Info-Veranstaltungen im Lindensaal selten: Nächsten Donnerstag findet bereits die nächste statt – zum gleichen Thema. Nämlich zu den vom Regierungsrat im neuen Richtplan vorgeschlagenen Windkraft-Standorten. Grundlage dafür bildet eine extensive Eignungsstudie. Diese Studie erläuterte Kantonsplaner Markus Fäh an der ersten Info der Vereinigung Appenzeller Energie. Und er verrät, warum die Waldegg einen Sonderstatus geniesst.
Die Grundlage
Dem Kanton Ausserrhoden wurde gleich zweimal ein Auftrag vom Volk erteilt: 2017 und 2022. Ersteres war die Abstimmung über das neue nationale Energiegesetz (EnG). «Das macht ziemlich klare Vorgaben», so Kantonsplaner Markus Fäh (Amt für Raum und Wald). Das Gesetz sagt einerseits, dass jeder Kanton bei der Energiewende mithelfen muss und gibt auch Energiemengen für die einzelnen Quellen an. Im Fall der Windenergie in Ausserrhoden wären das 40 bis 180 GWh/a. Dazu kommt die Annahme des neuen AR-Energiegesetz am 25. September 2022. Darin steht auch: Bis 2035 müssen mindestens 40 Prozent des hier verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen. «Das hat den Regierungsrat dazu bewogen, die Windkraft-Frage neu zu beurteilen bzw. die Eignungsstudie in Auftrag zu geben.»
Tabula rasa
Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Kanton über Windräder Gedanken macht. Schon im gültigen Richtplan sind entsprechende Gebiete ausgewiesen: Hochalp, Hochhamm und Surugge. «Dabei handelt es sich aber bloss um ‘potenzielle Gebiete’. Das reicht heute nicht mehr. Der Bund verlangt konkrete Vorschläge mit Potenzial-Ausweisen und späteren Projekten», erklärt Markus Fäh. Deshalb hat sich Ausserrhoden – wie St. Gallen und Graubünden – für eine Neubeurteilung der Situation via Eignungsstudie entschieden. Dafür haben die drei Kantone die gleichen Planer engagiert und sich derselben Methodik bedient. «So werden die Ergebnisse vergleichbar.» Aber was ist mit der Analyse von 2011? «Inzwischen haben sich die Windverhältnisse geändert und die Technologie hat grosse Fortschritte gemacht. Da lohnt sich eine Neubeurteilung.»
In drei Stufen
Die Eignungsstudie beschäftigt sich mit einer Hauptfrage: Wo – falls überhaupt – macht der Bau von Windkraft-Anlagen Sinn? Beantwortet wurde sie in drei Stufen. Erstens: Schutz- und Nutzungsinteressen abwägen. «Da geht es um den alten Konflikt zwischen dem Erhalt der Landschaft und dem Potenzial des Bau- bzw. Windkraft-Projekts.» Auf der zweiten Stufe wurde die sogenannte Nutzwertanalyse gemacht. «Der Fokus lag hier auf der Nachhaltigkeits-Frage: Wie gut ist das Gebiet erschlossen? Was müsste alles gebaut werden? Wie viele Anwohnende gibt es? Was für Interessen spielen hier?» Schritte drei war dann die Ermittlung der Eignungsgebiete.
Grosses Potenzial
Markus Fäh machte daraus kein Geheimnis: «Nein, Windmessungen wurden bisher keine vorgenommen.» Das mag erstaunen, ist bei solchen Studien heute aber Usus. Das Windpotenzial wird hauptsächlich mit komplexen Computer-Simulationen ermittelt. Das Resultat: Rund 7,5 Prozent der Kantonsfläche würden sich für die Gewinnung von Windenergie eignen. In Watt wäre das ein Gesamtpotenzial von 360 GWh/a. «Aber natürlich wollen wir nicht alles mit Windrädern zupflastern. Nach der Anwendung verschiedener K.o.-Kriterien wie sehr schützenswerten Arealen etc. blieben noch elf mögliche Gebiete übrig», sagt Markus Fäh. Beim anschliessenden Quervergleich wurde die Liste erneut um fünf Namen kürzer. Hirschberg und Gäbris machen aus fachlicher Sicht keinen Sinn; bei Bühler war die Landschaftsverträglichkeit nicht gegeben und bei Reute ist das Energiepotenzial zu klein. «Als Grundlage gilt, ein Gebiet soll mindestens 10 GWh/a liefern.»
Die Priorisierung
Nun folgt der letzte Schritt: aus 6 mach 3. «Ziel war es, drei Gebiete klar zu priorisieren. Das ist erfolgsversprechender als viele Parallel-Projekte.» Die wichtigsten Kriterien für diese letzte Selektion waren «Konzentration» und «Ausbauziele». Ersteres meint: «Wir wollen die Windräder möglichst gruppiert bzw. konzentriert platzieren. Die priorisierten Areale müssen dafür also genug Potenzial bieten.» Bei den Ausbauzielen geht es um den Strom. Rund 30 bis 40 GWh/a müssen in Ausserrhoden laut Berechnungen des Kantons mithilfe des Windes produziert werden, um die geforderten 40 Prozent des neuen Energiegesetzes zu erreichen. «Dabei geht es natürlich in erster Linie um den Winter. Dann brauchen wir den Wind», so Fäh. Die Analyse ergab folgende Einteilung. Priorität 2: Schönau, Surugge und Sonder (Potenzial gesamt: 115 GWh/a). Priorität 1: Honegg, Gstalden und Waldegg (Potenzial; 85 GWh/a). «Zur Waldegg muss ich noch sagen: Hier macht ein Ausbau natürlich nur im Zusammenhang mit der Realisierung des ‘Gebiets 37’ Sinn.» Dabei handelt es sich um ein vom Kanton St. Gallen ausgewiesenes Windkraft-Gebiet. Ob es in dessen Richtplan landet bzw. ob dafür später ein konkretes Projekt ausgearbeitet wird, ist noch unklar. Derzeit läuft das Mitwirkungsverfahren. «Kommt es nicht, ist die Waldegg kein Thema.»
Der Ablauf
Schon jetzt ist klar: Es wird knapp. 2035 ist schon bald. Das bestätigt der Kantonsplaner bei der anschliessenden Fragerunde: «Der Zeitplan ist ambitioniert. Aber wir hoffen, ihn einhalten zu können. Bei den späteren Verfahren gibt es aber natürlich viele Ungewissheiten.» Dieser Plan sieht wie folgt aus: Derzeit befindet sich der neue Richtplan bei der Vorprüfung durch den Bund. Anschliessend folgen Vernehmlassung bzw. Mitwirkung, Verabschiedung durch den Regierungsrat, Erlass durch den Kantonsrat und Genehmigung durch den Bund. In Kraft ist er frühestens Ende 2024. Erst dann könnten konkrete Projekte ausgearbeitet werden. Dafür braucht es entsprechende Nutzungspläne (Kantonale Energiezone) und Baubewilligungsverfahren. «Derzeit wird in Bern ein Gesetz ausgearbeitet, das die Baubewilligung für Wind-Projekte mit einer Leistung ab 20 GWh/a auf kantonale statt Gemeindeebene anheben will. Bis das schweizweite Ziel einer Terrawattstunde erreicht ist.» Das würde die Sache zwar beschleunigen, trotzdem stehen der Bürgerschaft weiterhin Rechtsmittel zur Verfügung. Anders gesagt: «Schon eines der drei Gebiete bis 2035 in Betrieb zu haben, wäre sehr gut.»
Hinweis: Weitere Informationen inkl. Studie finden Sie hier auf der Webseite des Kantons.
Ein Überzeugungstäter
Ein «regelrechter Ruck» sei durch ihn gegangen, als er diese Animation gesehen habe. Im Anschluss an Kantonsplaner Markus Fäh betrat Josias F. Gasser die Bühne. Zu Beginn zeigte er eine Grafik der Raumfahrtbehörde NASA. Sie macht sichtbar, wo sich die Erde in den vergangenen zwei Jahrhunderten erwärmt hat – und wie stark. «Sie sehen, es wird immer extremer. Vor allem in der Nähe zur Gegenwart.» Das habe ihn zum Handeln motiviert. Dieses «Handeln» in die Realisierung der Windanlage «CalandaWind AG» in Chur-Haldenstein (sichtbar von der Autobahn A13). Dank der optimalen Lage und einer «offenen und guten Kommunikation» konnte sie in nur sechs Jahren realisiert werden. Heute liefert das Windrad im Schnitt 4,5 GWh/a. Damit können rund 1300 Haushalte versorgt werden. Auf der Gesamtinvestition von 6,9 Mio. Franken (Betriebskosten pro Jahr rund 350’000 Franken) verzeichnet das Unternehmen eine Bruttorendite von 3 bis 8 Prozent. «Entscheidend ist natürlich, was man mit dem Geld macht. Wir wollen es wieder in Windkraft investieren.» Ihr Ziel ist ein zweites, grösseres und leistungsfähigeres Windrad. Damit könnten sie in Zukunft bis zu 3400 Haushalte mit Strom versorgen. «Meine Botschaft an Sie: Bleiben Sie dran, bauen Sie Windräder. Wer will, schafft das auch.»