Auch 2022 war wieder ein intensives Jahr für die Spitex Rotbachtal: mehr Kunden, mehr Pflegestunden, mehr ausgelieferte Mahlzeiten. Das dafür nötige Personal zu finden, ist eine Herausforderung. An der Mitgliederversammlung vom 1. April geht es aber nicht nur um das Jahresfazit, sondern auch um personelle Wechsel: Präsident Andy Winkler gibt sein Amt nach vier Jahren ab.
Versammlung in der «Krone»
Herr Winkler, Sie waren sechs Jahre im Vorstand der Spitex, vier davon als Präsident. Geht es der Spitex heute besser oder schlechter?
Ihr ging es damals schon gut. Mein Vorgänger Gerhard Frey und Geschäftsführer Roman John hatten hervorragende Arbeit geleistet. Bis heute funktioniert die Organisation einwandfrei – wir sind ja sogar ISO-zertifiziert. Auch die Mitarbeitenden sind topmotiviert. Das ist im aktuellen Umfeld nicht selbstverständlich.
Wie hat sich die generelle Situation verändert?
Die Lage ist schwieriger geworden. Die Bewältigung des sogenannten «Pflegenotstands» ist eine grosse Herausforderung. Aber mich stört vor allem der «Negativ-Brand», der dem Pflegesektor von Medien und Politik aufgedrückt wird. Natürlich muss sich einiges verändern. Aber der Beruf hat auch sehr viele gute Seiten: Er ist sehr spannend und abwechslungsreich, es ist eine bereichernde und wertvolle Tätigkeit und die Mitarbeitenden – das gilt insbesondere für die Spitex Rotbachtal – haben viel Selbstverantwortung.
Was muss sich denn ändern? Mehr Lohn?
Der Lohn ist im Pflegebereich sehr unterschiedlich. Teilweise ist er zu tief, oft stimmt er aber auch. Was sich sicher verbessern muss, ist die Organisation der einzelnen Betriebe. Und der Kosten- bzw. Leistungsdruck muss verringert werden. Natürlich bringt dieser Beruf eine Grundbelastung mit sich. Aber es kann nicht sein, dass die Mitarbeitenden wegen zu engem Finanz-Fokus unter Dauerbelastung stehen. Ausserdem braucht es eine Anpassung der Ausbildung: Der Einstieg muss erleichtert, die Ausbildung beschleunigt und der Quereinstieg ermöglicht werden.
Der Kostendruck ist bei der Spitex beim «Minütelen» spürbar. Ist das System zukunftsfähig?
Nein, das muss dringend umgekrempelt werden. Es kann nicht sein, dass die Mitarbeitenden während der Kundenbetreuung ständig auf die Uhr schielen müssen. Das ist eine unnötige und unfaire Belastung.
Was schlagen Sie vor?
Den professionellen Organisationen und den Geschäftsführungen sollte mehr Vertrauen entgegengebracht werden. Das Controlling seitens der Gemeinden mit einer Leistungsvereinbarung sowie seitens des Kantons mit den Basisrichtlinien Qualität – in Verbindung mit der sowieso minutiösen Protokollierung – reicht völlig aus. Gehen wir Mal vom «schlimmsten» Fall aus: Eine Pflegerin schaut mit der Kundin nach dem Verbandwechsel noch drei Stunden lang TV und verrechnet das. Das würde den Vorgesetzten sofort auffallen.
Das würde etwas mehr Raum für den sozialen Aspekt der Arbeit schaffen.
Genau! Und darum geht es doch. Ein reiches Land wie die Schweiz, das ständig mit seiner super Gesundheitsversorgung weibelt, sollte bereit sein, diese Kosten zu tragen. Ich glaube auch, dass eine menschlichere Betreuung massgeblich zum Wohlbefinden der Kundschaft beiträgt.
Auch die Vergütungen gemäss Krankenversicherungsgesetz (KGV) sind ein Thema. Sie reichen nicht für die Deckung der Vollkosten.
Stimmt. Diese Beiträge müssten definitiv erhöht werden. Ganz generell vermisse ich eine ehrliche Betrachtung der Finanzströme bei der ganzen Gesundheits-Diskussion. Versicherungen und Pharmakonzerne sind gleichzeitig die grössten Kostentreiber und Profiteure – das kann nicht das Ziel sein. Und was die Spitex betrifft: Ich bin der Meinung, auch der Kanton sollte einen Beitrag leisten. Bisher machen das nur die Gemeinden.
Ihre Nachfolge ist mit der jetzigen Vizepräsidentin Jeanine Walser gesichert. Sie wird am 1. April gewählt. Eine ihrer Aufgaben wird die Nachfolge-Suche für Geschäftsführer Roman John. Er lässt sich im Frühjahr 2024 pensionieren. Wie schwierig wird das?
Bei der Suche nach einer neuen Geschäftsführung werden die gleichen Argumente «ziehen», wie bei den Pflegenden: Wir sind ein gut organisiertes Unternehmen mit einem motivierten Team. Ausserdem sind wir früh dran – das funktioniert bestimmt. tiz
Versammlung in der «Krone»