Hinweis: Mehr über die beiden Vorlagen finden Sie hier (Bericht von letzter Woche) und hier (Erklärungsvideo des Kantons).
Podiums-Leiter und FDP-Teufen-Präsident Marco Sütterle spicht die Doppelrolle schon bei der Begrüssung an: «Reto ist nicht nur Präsident von Teufen, sondern auch von der Gemeindepräsidienkonferenz. Heute redet er aber als Gemeindepräsident.» Und in dieser Funktion behandelte er die Frage, die gleichzeitig Titel der heutigen Veranstaltung ist: «Fusionen: Eine Chance für Teufen?». Für deren Beantwortung gab Reto Altherr seine Einschätzung zu sechs Grundpfeilern einer Gemeinde ab: Interkommunale Zusammenarbeit, Vertretung im Kantonsrat, Infrastruktur, Dorfgemeinschaft, Vereinsleben und Finanzen. Hinter jedem von ihnen prangert auf der entsprechenden PowerPoint-Folie ein grüner Haken. Dementsprechend auch Altherrs Fazit: «Stand heute kann Teufen alle Verwaltungsaufgaben kompetent und zeitnah erledigen, alle Stellen und Ämter besetzen, bietet eine gute Infrastruktur, hat ein lebendiges Vereins- und Dorfleben. Und es geht uns finanziell sehr gut. So gut, dass wir jährlich über 4,5 Mio. Franken in den Finanzausgleich einzahlen.»
Anders gesagt: Die Gemeinde «braucht» keine Fusion. Aber: «Chancen gibt es grundsätzlich trotzdem. Einerseits sind wir natürlich daran interessiert, dass es unseren Nachbarn auch gut geht. Und andererseits könnten sich raumplanerische Vorteile ergeben.» Deshalb, und weil er von Gemeinden weiss, die an einer Fusion interessiert sind, macht er sich für den Eventualvorschlag stark. Weniger sympathisch ist ihm der Gegenvorschlag: «Eine Fusion von oben herab als Zwang empfinde ich als nicht sinnvoll. Es sollen die Gemeinde zusammenkommen, die das auch wollen – und mit einer entsprechenden Abstimmung bekräftigen.»
Fazit: Reto Altherr und der Gemeinderat sprechen sich für einen Strukturwandel und die Ermöglichung von Gemeindefusionen aus. Sie sollen aber nicht im Zwang erfolgen.
Als Regierungsrat vertritt Hansueli Reutegger die Abstimmungsempfehlung seine Kollegiums: «Ja» zum Gegenvorschlag. Das würde bedeuten: Ausserrhoden besteht in Zukunft aus 3 bis 5 Gemeinden. Damit will der Regierungsrat die Strukturen des Kantons zukunftsfähig machen. «Schon heute ist die Erfüllung sämtlicher Aufgaben für einige Gemeinden eine Herausforderung. Wir sind überzeugt, dass das in 10 Jahren noch viel schwieriger sein wird. Denken Sie nur an die technologische Entwicklung der vergangenen Jahre. Sie wird weiter an Fahrt aufnehmen – das gleiche gilt für neue Gesetzgebungen und damit verbundenen Mehraufwand.» Grössere Gemeinden hätten es deutlich einfacher, Verwaltungsstellen mit entsprechenden Fachpersonen zu besetzen. «Der Generalist, der von AHV-Zweigstelle bis Grundbuch alles abdeckt, gibt es heute kaum noch. Solche Leute braucht man aber für die Mikro-Pensen in kleinen Gemeinden.»
Ausserdem müssten fusionierte Gemeinden weniger Rats- und Kommissions-Mitglieder suchen und es ergäben sich diverse Synergien. «Auch ganz wichtig ist mir die Erweiterung der Planungsräume. Das kommt der Raumplanung zugute – oder diversen Verbindungsprojekten.» Dorfgemeinschaften und Vereine sollen indes nicht von einer Fusion betroffen sein. «Sie wird es weiterhin geben. Das gleiche gilt für die Identität. Ich bin Schwellbrunner und bleibe Schwellbrunner. Mit den Verwaltungsstrukturen hat das nichts zu tun.»
Fazit: Hansueli Reutegger empfiehlt – wie der ganze Regierungsrat – die Annahme des Gegenvorschlags. Damit würde das Stimmvolk «Ja» zu einem Ausserrhoden mit 3 bis 5 Gemeinden sagen.
Vreni Wild hat Erfahrungen mit Gemeindefusionen – sie hat schon zwei miterlebt und mitgestaltet. Die erste war im Jahr 2009. Damals schlossen sich Brunnadern, Mogelsberg und St. Peterzell zusammen. Per 1. Januar 2023 kamen auch noch Oberhelfenschwil und Hemberg dazu. Heute ist die neue Gemeinde Neckertal rund 80 Quadratkilometer gross und hat etwas mehr als 6300 Einwohnende. Diese Fusionen wurden auf Grundlage des St. Galler Gemeindevereinigungs-Gesetzes und nach entsprechenden Abstimmungen in den jeweiligen Gemeinden durchgeführt. Heute sagt die Alt-Gemeindepräsidentin: «Diese Fusionen waren definitiv die richtige Entscheidung. Wir konnten damit durchs Band Verbesserungen erzielen. Das gilt nicht nur für die Finanzen bzw. die tieferen Steuerfüsse, die Gebietsbereinigungen und die erleichterte Suche nach Personal und Behördenmitgliedern. Auch das Dorfleben hat profitiert. Dort haben sich Foren und Interessensgemeinschaften gebildet, wo ein reger Austausch stattfindet. Die Fusion hat die Gemeinschaft nicht etwas geschwächt, sondern gestärkt.»
Für sie war der Zusammenschluss am Necker eine organische Entwicklung: Die Gemeinden waren schon davor in vielen Bereichen eng verknüpft. Entsprechend hoch waren die Ja-Prozentzahlen in den jeweiligen Abstimmungen. «Auch die Angst des Identitätsverlusts kann ich nicht bestätigen. Vereine und Ortsbezug sind auf jeden Fall geblieben. Und das neue Wappen führt zu keinerlei Diskussionen mehr.»
Fazit: Die Gemeindefusionen im Neckertal haben zu diversen Verbesserungen geführt. Das gilt nicht nur für die Personalsituation, die Behördenmitglieder und die finanzielle Situation, sondern auch für die Dorfgemeinschaft.
Schon vor einer Woche stand Alt-FDP-Kantonsrat Patrick Kessler auf der Bühne im Lindensaal. Während des Podiumsgesprächs setzte er sich für die Eventualvorlage ein, die er einst als Antrag im Kantonsrat eingereicht hatte. Heute erfüllt er eine andere Aufgabe. Er ordnet die anstehende Abstimmung historisch und politisch ein. «Alle Einzelheiten kann ich nicht erzählen. Meine Aufgabe ist, die Diskussion von 8 Jahren in 12 Minuten zusammenzufassen.» Trotzdem beginnt er ganz vorne: bei der Entstehung der heutigen Gemeindestrukturen. Die gibt es seit 1749 – damals trennten sich Hundwil und Stein. Seither besteht Ausserrhoden aus 20 Gemeinden. Diese sind namentlich im Art. 2 der Kantonsverfassung erwähnt. «Das bedeutet auch: Heute wäre eine Fusion ohne Verfassungsänderung nicht möglich. Die Frage ‘Ist die Verfassung geeignet, Zusammenschlüsse zu ermöglichen’, muss also mit ‘Nein’ beantwortet werden.»
Wie dieses Problem gelöst werden soll, darüber wird im Kantonsrat seit Jahren debattiert. Richtig konkret wurde es aber mit der Einreichung der Volksinitiative «Starke Ausserrhoder Gemeinden». Sie hatte ein ähnliches Ziel wie die Eventualvorlage. Die Gemeindenamen aus der Verfassung streichen und Fusionen ermöglichen. Wegen juristischer Schwachstellen wurde sie aber nicht 1:1 zur Abstimmung gebracht. Stattdessen behandelte der Kantonsrat das Thema in drei Lesungen und forderte unter anderem einen Gegenvorschlag vom Regierungsrat. Die Konklusion dieser Sitzungen: Am 26. November stimmt Ausserhoden über die Eventualvorlage (Fusionen möglich / kein Zwang) und den Gegenvorschlag (3 bis 5 Gemeinden) ab.
Fazit: «Nach vielen Jahren und intensiven Diskussionen im Parlament haben wir nun die Möglichkeit, über zwei konkrete und richtungsweisende Vorlagen abzustimmen. Das ist ein grosser Erfolg. Und, da sind sich alle einig: Mit einem doppelten ‘Nein’ wäre niemandem gedient.» tiz