Kurz vor Beginn der Vernissage kehrten einige Besucherinnen und Besucher bereits wieder um, weil es ihnen zu eng war oder weil sie keinen Parkplatz mehr fanden, so gross war der Andrang an der Eröffnung der Retrospektive „Holz, Blech, Farbe“ zum 70. Geburtstag von Gret Zellweger im Appenzeller Volkskunde-Museum Stein.
Neben Familie und Freunden waren auch viele Vertreter aus der kantonalen Politik gekommen, um der Künstlerin und langjährigen Kantonsratskollegin ihre Reverenz zu erweisen, darunter Ständerat Hans Altherr, der stillstehende Innerrhoder Landammann Roland Inauen sowie die Regierungsräte Köbi Brunnschweiler, Rolf Degen und Jürg Wernli.
Dutzende von ganz unterschiedlichen Objekten hat das Museumsteam auf den drei Stockwerken inszeniert und je nach Thema, Schaffensperiode, Stil oder Materialwahl gruppiert.
Dazwischen standen die Besucherinnen und Besucher dicht an dicht, so dass es kaum möglich war, sich mit den einzelnen Werken intensiver auseinanderzusetzen – zu diesem Zweck gebe es dann im Laufe des Jahres verschiedene Führungen, kündigte die vom Publikumsaufmarsch überwältigte Gret Zellweger in ihren Dankesworten an.
„Hemmungslosigkeit“
Laudator Ludwig Hasler sagte in seiner launigen Rede, normalerweise sei ein Museum ja dazu da, Kunst zu beherbergen, die man im alltäglichen Leben nicht brauchen könne. Das sei bei Gret Zellweger sicher nicht der Fall, spielte er auf die Gebrauchskunst an, die zu ihrem Schaffen gehört, wie zum Beispiel die Tischsets, welche die „Hofmalerin der Appenzeller Bergwirte“ geschaffen hat.
Was ihm bei Gret Zellweger immer imponiert habe, sei die „Hemmungslosigkeit, mit der sie sich ins Leben einmischt“, sozusagen flächendeckend, sagte der Philosoph Hasler, und zählte auf, was in ihrem Labor, ihrer „Kunstwerkstatt“ schon alles entstanden ist: Möbelmalerei, Holzschnitte, Aktstudien, Panoramamalerei, Stammbäume, Kalligraphie, Sinnsprüche etc. Dazu beschriftete sie über Jahrzehnte die Grabkreuze von Teufen und gestaltet Plakate und eben die Tischsets.
Gegenentwurf zur etablierten Kunst
Gret Zellweger sei der Gegenentwurf zur etablierten Kunst. Wir neigten dazu, unseren Alltag zu bagatellisieren. Gret Zellweger hole die alltäglichen Dinge aus dem Alltag heraus, wirke gegen die Banalisierung des Alltäglichen, hauche ihnen Seele ein, zeige sozusagen die Welt hinter der Zweckhaftigkeit. Sie betreibe die „Poetisierung des Alltags“.
Ihr Lieblingsmotiv, die Kuh, mache uns aufmerksam auf unsere eigene Kreatürlichkeit. „Kunst holt uns aus der ‚Vernageltheit‘ unserer eigenen Vorstellungen heraus, und das ist nicht Zweck, sondern sozusagen Lebensmittel“, sagte Hasler. „Für diese ästhetische Bildung und die zunehmende ästhetische Vergnügtheit im Appenzellerland“ habe Gret Zellweger unendlich viel gemacht, schloss der Redner unter Applaus des Publikums.
Gret Zellweger und Die Poetisierung des Alltags Redemanuskript von Ludwig Hasler (PDF)
Simone Tischhauser, die Präsidentin der Genossenschaft, freute sich in ihrer Begrüssung für die Künstlerin über den grossen Publikumsaufmarsch. Gret Zellweger liebe das Appenzellerland und seine Traditionen wie kaum jemand anderer, sagte Museumsleiterin Sandra Nater, und zitierte Gret Zellweger, die einmal gesagt habe, sie liebe Traditionen so sehr, dass sie neue schaffen möchte. Ihre Kreativität lasse keine Grenzen zu.
Musikalisch umrahmt wurde der Anlass von Trompeter Adrian Eugster, Oberegg, mit einem virtuos vorgetragenen Mix aus Volksmusik bis Jazz sowie einem Alphorngruss.
Zum Apéro wurde neben Appenzeller Käse und Wein auch das „Alpstein Bock“ gereicht, ein Produkt der Brauerei Locher, dessen Etikette ebenfalls unverkennbar aus der Kunstwerkstatt von Gret Zellweger stammt.
Erich Gmünder
Link zur Ausstellung im Volkskundemuseum Stein
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