«Weltbewegendes tat sich nicht in unserm Bezirk. Ich finde es jedoch erfreulich, dass immer wieder von privater Seite Verschiedenes unternommen wird: Musikabende im Singsaal des Schulhauses Niederteufen, Lustmühle- Skirennen mit Gratis-Zvieri für die 5. und 6. Klässler, Funkensonntags-Soirée im Gopf mit Bögg auf dem Scheiterhaufen, Feuerwerk, Gratistee und Verpflegungsmöglichkeit.»
Thomas Fuchs
Soweit ein paar seltene Einblicke ins Quartierleben früherer Zeiten, entnommen dem präsidialen Jahresbericht des Einwohnervereins Niederteufen-Lustmühle für das Jahr 1975. An der Hauptversammlung nahmen 30 der insgesamt 174 Vereinsmitglieder teil.
Vereinsgründung
Der Einwohnerverein Niederteufen-Lustmühle ist der Nachfolger der «Löschgesellschaft in Niederteufen». Diese beschloss am 15. März 1914 «in Berücksichtigung des heutigen verbesserten Feuerlöschwesens» ihre Auflösung. Durch den Ausbau des Hydrantennetzes waren nun auch die Aussenbezirke der Gemeinde für Brandfälle ausgerüstet. Die Gesellschaft hatte deshalb schon 1913 ihre Löschgerätschaften «zu ansehenbarem Preise » der Gemeinde verkauft.
Auf Anregung des Vorstandes sollte eine Nachfolgeorganisation «ähnlich anderen vielerorts bestehenden Ortsvereinen» gegründet werden. An diese sollte, sofern ihr mindestens 60 Liegenschaftsbesitzer beitreten, auch das Vermögen im Betrag von 4595 Franken übergehen. Verwendet werden durfte es «nur für zweckdienliche, den allgemeinen Interessen dienende Institutionen des Bezirks und zur event. Unterstützung von Bezirkseinwohnnern, welche durch Brandunglück in Not geraten sind».
Ein siebenköpfiges Komitee unter Schwanenwirt Konrad Widmer nahm sich der Erarbeitung entsprechender Statuten an. Die Gründungsversammlung des neuen «Bezirkseinwohnerverein Niederteufen» erfolgte am Sonntag, 28. Februar 1915, ab 13.30 Uhr im Schwanen. 43 der Anwesenden wurden Mitglieder, der Jahresbeitrag betrug einen Franken.
Beitreten konnte «jeder Liegenschaftsbesitzer und stimmfähige Bürger» des vormaligen Löschbezirks. Bezweckt wurde, die öffentlichen Interessen des Bezirkes und der Gemeinde fördernd zu wahren, über allgemeine Fragen der Gemeinde, des Kantons und der Eidgenossenschaft aufklärend zu wirken und Stellung zu nehmen sowie die kameradschaftliche Unterhaltung zu fördern.
Die Punkte zwei und drei sowie teilweise auch eins umschrieben die klassischen Zielsetzungen einer Lesegesellschaft, von denen es in Teufen seit längerem drei gab – die Lesegesellschaften Hecht, Tobel sowie Egg und Umgebung –, und man bekannte sich wie diese zu einer strikten politischen und konfessionellen Neutralität. Im Bezirk Niederteufen fehlte ein solches Diskussionsgefäss, es bestanden neben der Löschgesellschaft nur der Männerchor Liederkranz Niederteufen und der Töchterchor Blatten.
Beim Vereinsnamen dagegen entschied man sich für den zeitgemässeren, modernen Begriff Einwohnerverein. Bis Ende 1915 stieg die Mitgliederzahl der neuen Vereinigung auf 69 Liegenschaftsbesitzer und 14 Nicht-Liegenschaftsbesitzer an.
Vereinstätigkeit
Noch an der Gründungsversammlung wurde beschlossen, eine Petition zur Abschaffung der Urnenabstimmungen und zur Rückkehr zu Gemeindeversammlungen mit offenem Handmehr einzureichen. Begründet wurde dies mit «krassen Zeitungspolemiken» in den letzten Jahren. Die Stimmbürger lehnten das Anliegen jedoch deutlich ab.
Im Februar 1916 organisierte man zum ersten Mal eine Orientierungsversammlung zu einer Abstimmungsvorlage (neues Gemeindereglement). An der nächsten Versammlung Ende April kamen die Gemeindeund Landsgemeinde-Vorlagen zur Sprache. Für die Wahlen schlug man ein Vereinsmitglied für die kommunale Rechnungsprüfungskommission vor. Im Anschluss an die Vereins-Hauptversammlung vom 7. Mai referierte der St.Galler Kantonsrat August Schirmer über «Die heutige Mittelstandsfrage und der Handwerkerstand».
Vorträge wurden danach lange Zeit keine mehr organisiert. Man begnügte sich bis 1926 mit jährlich zwei, danach bis in die 1960er Jahre mit einer Orientierungsversammlung zur Besprechung von Abstimmungsvorlagen. Später wurden es wieder mehr. Ausführliche Berichte mit den Empfehlungen des Vereins erschienen jeweils in der örtlichen Zeitung «Säntis».
Bei den Wahlen wachte man darüber, dass eine minimale Vertretung des Bezirks in den Behörden gewährleistet war – im Gemeinderat mit wenigstens zwei, in Gemeindegericht, Bezirksgericht und Kantonsrat mit einem Vereinsmitglied.
Manchmal einigte man sich mit anderen politischen Kräften, wie im April 1918 mit der Freisinnigdemokratischen Partei, dem Verband der Festbesoldeten und dem Arbeiterverein, auf gemeinsame Wahllisten. Sonst portierte man Kandidaten auch im Alleingang.
Der Vereinsname wurde 1932 in Einwohnerverein Niederteufen, 1973 in Einwohnerverein Niederteufen-Lustmühle geändert.
Eine schriftliche Umfrage bezüglich Vereinsauflösung ergab 1992 kein eindeutiges Resultat. Initiative Kräfte entschlossen sich zum Weitermachen und zu einem stärkeren Engagement für gesellschaftliche und kulturelle Anlässe. Letzteres wurde 2000 dann der Lesegesellschaft Teufen überlassen, «allerdings mit dem Anliegen, dass mindestens ein Anlass pro Jahr im Singsaal des roten Schulhauses stattfindet».
Regelmässig setzte man sich im Sinne der Statuten natürlich für Bezirksanliegen ein, notfalls mit Geldbeiträgen
Auf wenige Tätigkeiten sei etwas näher eingegangen. Leider sind die Vereinsprotokolle nicht vollständig erhalten.
Kindergarten und Zentralschulhaus
1928 fand ein Vorstoss für eine Kleinkinderschule im Bezirk noch keine Mehrheit unter den Mitgliedern des Einwohnervereins. 1939 wurde das Thema wieder aufgegriffen und fünf Jahre später ein Gesuch beim Gemeinderat eingereicht. Der Verein war bereit, einen Beitrag von 1500 Franken zu leisten.
Das Vorhaben scheiterte trotzdem an den Kosten. 1953/54 wurde der Kindergarten dann als erste Etappe einer neuen Zentralschulanlage Niederteufen erstellt. Der Einwohnerverein leistete einen finanziellen Beitrag.
Vier Jahre später folgte der lang ersehnte Bau von Blauem Schulhaus und Turnhalle, 1972 bis 1974 des Roten Schulhauses. Die alten Schulhäuser Rüti und Blatten waren damit überflüssig.
Für den neuen Schulhausplatz stiftete der Einwohnerverein 1958 eine vom St.Galler Bildhauer Max Oertle geschaffene Plastik.
Strassenbeleuchtung im Watt
Man kann sich heute kaum mehr vorstellen, wie beschwerlich es ist, auf unbeleuchteten Strassen zu Fuss unterwegs zu sein – und das war bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts der weitaus grösste Teil der Leute. Eine Strassenbeleuchtung für das Dorfzentrum war eine Selbstverständlichkeit, Aussenquartiere mussten aber meist vehement dafür kämpfen.
Grossen Durchhaltewillen brauchte der Einwohnerverein Niederteufen, bis eine Beleuchtung der Hauptstrasse vom Watt bis zur Lustmühle erstellt werden konnte. 1930 erfolgte der erste ergebnislose Antrag an den Gemeinderat, 1936 schliesslich die Realisierung. Die Hälfte der Baukosten übernahm der Einwohnerverein.
Schülerserenaden und Konzerte
Vor den Sommerferien 1964 fand auf dem Platz des Blauen Schulhauses Niederteufen die erste Serenade mit kurzweiligen musikalischen Aufführungen der verschiedenen Schulklassen statt. Initiantin war die Kindergärtnerin Anna Eugster.
1976 betrieb der Einwohnerverein im Anschluss an das Abendständchen erstmals eine Festwirtschaft, verbunden mit einem Quartierfest. Alternierend mit dem Männerturnverein Niederteufen nahm er diese Aufgabe danach jedes zweite Jahr wahr. Seit 2010 findet die Serenade nicht mehr jährlich statt.
1992 übernahm der Einwohnerverein auch das Patronat über die ebenfalls von Anna Eugster ins Leben gerufenen «Konzerte Niederteufen». 2000 ging deren Organisation an die Lesegesellschaft Teufen über.
Natureisbahn
Was 1990 mit der Initiative des Schulhausabwarts begann, stellte der Einwohnerverein im Herbst 1996 auf eine solidere Basis. Er übernahm den Betrieb der Natureisbahn beim Blauen Schulhaus. Für die Finanzierung von Banden fand er über 130 Gönner und Gönnerinnen. Sie konnten ein Stück der 27 x 15 Meter messenden Eisfläche zum Preis von 20 Franken je Quadratmeter erwerben.
Dies und Das
1931 erfolgte ein Vorstoss für täglich zweimalige Postzustellung im Bezirk.
Im April 1939 beklagte man sich über zu wenige militärische Einquartierungen im Bezirk. 1940 gab es aus Anlass des 25-jährigen Jubiläums nach der Hauptversammlung Niederteufener- Schüblig und Kartoffelsalat.
1943 forderte man eine öffentliche Telefonkabine für das Lustmühlequartier und unterstützte die Regierungsratswahl-Propaganda von Ex-Vereinspräsident Jakob Bruderer mit 165 Franken.
1951 konnte durch hartnäckiges Insistieren erreicht werden, dass die SGA im Wartehäuschen Lustmühle ein Licht installierte und auch die entsprechenden Stromkosten übernahm.
1983 gab «die Einordnung der Lustmühlener ins Dorfleben» einiges zu reden; es sei schwierig, seien «doch viele nach St.Gallen orientiert und haben nur ihr Bett in Teufen aufgestellt».