Eigentlich wollte er nur ein paar Fakten sammeln, um aus Anlass des 125 Jahr- Jubiläums der SGA eine Ausstellung zu gestalten. Nun ist eine veritable Geschichte der Anfänge der Appenzellerbahnen daraus entstanden, und die habe viel mit Teufen zu tun, erzählt Willi Müller.
Der langjährige Direktionssekretär des Ausserrhoder Finanzdepartementes hatte nach der Pensionierung eine neue Herausforderung gesucht. Als er von den historischen Vereinen rund um die Appenzeller Bahnen angefragt wurde, fackelte er nicht lange.
Nun hilft er, alte Bahnwagen zu restaurieren, oder entrümpelt verstaubte Estriche auf der Suche nach alten Dokumenten oder Gegenständen aus den Ursprüngen der Bahngeschichte. Dabei bezeichnet er sich selber nicht als Eisenbahnfanatiker oder gar -nostalgiker, sondern, selber neben den Gleisen der SGA aufgewachsen, erinnert er an seine Eltern, die schon vor Mitte des letzten Jahrhunderts überzeugt waren, die Bahn müsse von der Strasse weg, es gebe zu viele Unfälle …
Vom Virus gepackt
Willi Müller merkte plötzlich, dass es ihm den Ärmel reinzog, dass er mehr wollte, als die vorhandenen Geschichten nachzuerzählen. Er wollte zu den Originalen vorstossen, zu den alten Protokollen, Korrespondenzen und Dokumenten aus der Gründungszeit. So nahm er Kontakt auf mit den einschlägigen Archiven in Herisau und St.Gallen und fand reichhaltiges Material, das in dieser Form noch nie veröffentlicht worden ist.
Am Anfang seiner Aufarbeitung standen ihm zwei vergilbte Bücher zur Verfügung: die offizielle Broschüre zum 100-Jahr-Jubiläum der Gaiserbahn vom damaligen Direktor Josef Hardegger, und ein kleineres aus dem Jahre 1956, vom Teufner Arthur Gächter, der letztes Jahr seinen 100. Geburtstag feiern durfte (Tüüfner Chopf 7/2013) und seit einem Unfall in einer Institution in Bühler lebt. «Arthur Gächter war überrascht, als ich ihn kürzlich besuchte. Dass sein Büchlein heute noch gelesen wird, hat den 101-Jährigen sehr gerührt.» Das Interesse war geweckt.
Ursprung in Teufen
Und er stellte fasziniert fest, dass die Ursprünge der Bahn eigentlich in Teufen liegen. Eine führende Rolle spielte die Familie Roth. Der wohl berühmteste unter ihnen, Minister Arnold Roth, liess sich das Engagement etwas kosten. So finanzierte er eine Studie, welche verschiedene Varianten der Bahnerschliessung zwischen St.Gallen und Teufen aufzeigte, und später, als die Bahn erfolgreich auch Güter transportierte, schenkte er einen «Spickel» Boden für den Güterumschlag, just dort, wo heute der neue Bahnhof steht, und die Raiffeisenbank anstelle des früheren Güterschuppens.
Verkannte Familie Roth
Überhaupt, die Roths: Für Willi Müller lässt sich ihre Leistung in der Gemeinde Teufen mit jener der Grubenmanns vergleichen, oder mit jener der Zellweger in Trogen. Auch die Roths erstellten schöne Patrizierhäuser und förderten das wirtschaftliche und kulturelle Leben im Dorf. Nur erinnert heute wenig mehr an sie: Der etwas heruntergekommene Rothenstall vis-a-vis der Migros, der vor kurzem gerodete Roth- oder Thürer- Park hinter der Post, die beide zur Villa Roth gehörten, welche vor Jahrzehnten der Postüberbauung weichen musste.
Ein Wirtschaftsprojekt
Klar wurde Willi Müller im Laufe seiner Recherchen aber auch, dass das Projekt einer Bahnverbindung zutiefst ein wirtschaftliches war. Neben den Roths waren deshalb die führenden Geschäftsleute des Appenzellerlandes im Verwaltungsrat vertreten, die Textilfabrikanten Tobler aus Teufen oder die Familien Eisenhut und Hofstetter aus Gais.
Verständlich: Für den Export ihrer Stoffe und Ideen waren sie auf schnelle Verbindungen angewiesen. Brauchte eine Stofflieferung im Postkutschenzeitalter nach Paris mehrere Wochen, waren es nun mit der Bahnverbindung nur noch wenige Tage.
Willi Müller zeigt einen Fahrplan der Postkutschenverbindung: Appenzell ab 9.45 Uhr – St.Gallen an 12.25 Uhr, Reisezeit: fast 2 3/4 Stunden. Die Bahn schaffte diese Strecke im Dampfzeitalter in der halben Zeit, bis nach der Elektrifizierung 1932 weitere Fortschritte möglich wurden.
Das Resultat seiner historischen Recherchen nennt Willi Müller bescheiden ein «Abfallmaterial» der Ausstellung. Ein besonderes Anliegen war ihm, nicht harte Fakten aufzulisten, sondern diese in die geschichtlichen Hintergründe einzubetten, süffige Anekdoten festzuhalten, oder ganz einfach: «Gschichtli verzelle».
Die reich bebilderte Broschüre liest sich denn auch spannender als manche historische Abhandlung.
125 Jahre Bahnlinie St.Gallen-Gais
Die Ausstellung in der Raiffeisenbank Teufen wird am 4. September um 17 Uhr eröffnet, mit Einführung durch den Autor Willi Müller. Die Broschüre des Museumsvereins Appenzeller Bahnen liegt zum Verkauf auf.
In Teufen mussten damals das Hotel zum Schwarzen Bären sowie das alte Pfarrhaus dem Strassenbau geopfert werden. Bis dahin war der geschlossene Kirchplatz nur durch ein kleines Strässchen erschlossen.