Erich Gmünder
Vor 35 Jahren hat Käthi Zellweger die Ostschweiz Richtung Asien verlassen, seit 2008 hat sie in Niederteufen wieder eine Wohnung und geniesst hier ihre Heimaturlaube. Doch lange hält sie es jeweils nicht aus – die gefragte Spezialistin für Nordkorea jettet zwischen Hongkong, Nord- und Südkorea, Kalifornien und halb Europa hin und her.
Weihnachten und Neujahr verbrachte Käthi wieder ein paar Tage in Teufen, wo sie jeweils ihre Familie trifft und die Kontakte mit Freunden aus ihrer Schulzeit pflegt. Obwohl sie die Eigentumswohnung mit vielen Möbeln und Bildern aus Asien und die Aussicht schätzt – «ohne Blick auf den Säntis hätte ich diese Wohnung nicht gekauft» – hält sie es nie lange hier aus. Bereits Mitte Januar flog sie wieder zurück nach Stanford, Kalifornien, wo sie Vorlesungen über Nordkorea hält.
Dieses Land kennt sie wie kaum jemand anders aus dem Westen und ist darum eine gefragte Interviewpartnerin in internationalen Medien. Insgesamt hat sie zwischen 1995 und 2006 das Land über 50 Mal besucht und lebte während fünf Jahren, von 2006 bis 2011, in Pjöngjang, als Leiterin der DEZA, der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit des Bundes. Als Direktorin für Internationale Zusammenarbeit der Caritas in Hong Kong erhielt sie – als Protestantin (!) – die höchste Auszeichnung, die der Vatikan an Laien vergibt: Sie wurde 2007 für ihre langjährige Tätigkeit zugunsten der Bevölkerung von Nordkorea zur «Dame des heiligen Gregory des Grossen» ernannt.
Nordkorea als eine der letzten kommunistischen Diktaturen machte zuletzt Schlagzeilen wegen des nuklearen Pokers und der öffentlichen Hinrichtung  eines Onkels des neuen Staatsführers Kim Jong Un. Und immer wieder wegen gravierender Menschenrechtsverletzungen mit einer Vielzahl von politischen Gefangenen.
Die politische Situation hat auch dazu geführt, dass die Schweiz vor zwei Jahren ihre Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit abbrach und sich seither auf rein humanitäre Hilfe beschränkt. Käthi Zellweger, welche in den vergangenen Jahren immer wieder auch Parlamentarier aus der Schweiz empfing, bedauert den Entscheid, der es nun verunmöglicht, neben der breit gefächerten Unterstützung für die arme Bevölkerung auch den Aufbau einer Mittelklasse fortzusetzen.
„Ich verteidige nicht das System, ich verteidige die Menschen“
Die Menschenrechtssituation in Nordkorea will sie nicht schönreden, auch wenn sie als Insiderin manche Darstellungen in den Medien als «abstrus» bezeichnet. «Ich verteidige nicht dieses System, ich verteidige die Menschen, die hier leben», versucht sie das Dilemma zu erklären. «Das sind 24 Mio. Menschen wie du und ich, die sich täglich bemühen, mit ihren Familien über die Runden zu kommen, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen und ihre Träume und Hoffnungen zu erfüllen.»
Immerhin habe sich die Situation seit 1995, als sie erstmals nach Pjöngjang kam, in vielen Bereichen enorm geändert. Die Hungersnot sei überwunden, auch wenn die Unter- und Mangelernährung noch nicht ausgerottet seien, und alle Schichten hätten Zugang zur Bildung. Auch der Tourismus sei vom Regime als ein Wachstumsfaktor erkannt worden. Ausländer würden heute freundlich aufgenommen, selbst Fotografieren sei ausser im Tabubereich Armee kein Problem mehr.
Für die weitere Öffnung setzt sie auf die sich zaghaft bildende Mittelklasse. Über eine private Stiftung in Hong Kong unterstützt sie ein Hilfsprogramm für behinderte Menschen in Nordkorea, als Expertin organisiert und begleitet sie für Backgroundtours Studienreisen ins Land, in Stanford arbeitet sie neben ihrer Lehrtätigkeit an der Forschung mit, und im Hinterkopf trägt sie sich mit dem Gedanken an ein Buch.
Sicher werden darin auch Glanzlichter nicht fehlen wie der vom ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter geleitete Besuch einer Gruppe von früheren Staats- und Regierungschefs im Jahr 2011 oder von Alt Bundesrat Christoph Blocher 2009. In ihrem Gästebuch haben sie sich alle verewigt.
www.background.ch/expertenbegleitung/zellweger
Katharina Zellweger
Geboren: 24. Juni 1952 in Teufen
Heimatort: Gais AR
In Teufen: aufgewachsen, Auslandschweizerin seit 1978 und seit ein paar Jahren mit einer Wohnung im ehemaligen Gasthaus «Sternen»
Familie: Eltern verstorben, 4 Geschwister: Frieda Zemp, Gret Zellweger, Häsi Zellweger, Heidi Lenz
Erlernter Beruf: Master of international Administration (intercultural management and development administration)
Heute tätig als: Freischaffend und als «visiting fellow» an der Stanford universität, Kalifornien
Hobbys: Lesen, Reisen und gemütliches Zusammensein mit Freunden aus aller Welt
Lebensmotto: Das Glas ist immer halbvoll (und nicht halbleer) und ans Gute glauben!