
Erich Gmünder
Zum zweiten Mal führte das Forum Palliative Care Teufen einen Gemeindetag durch, um die Bevölkerung für das gerne verdrängte Thema zu sensibilisieren. Rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer lauschten im Zeughaus der Podiumsdiskussion zum Thema „Vom guten Leben – vom Guten leben“ und beteiligten sich an vier Workshops.
Der „grosse Prozess“ des Sterbens werde von Angehörigen und der sterbenden Person oft sehr unterschiedlich wahrgenommen, weshalb professionelle Betreuung wichtig sei, sagte Gesundheitsdirektor Matthias Weishaupt in der Eröffnung.

Er erzählte von seinen persönlichen Erfahrungen mit dem Abschiednehmen von einem geliebten Menschen. Wichtig sei, dass Palliative Care nun zuoberst auf der politischen Traktandenliste stehe. Bundesrat Alain Berset habe unlängst entsprechende Entscheide getroffen, und auch auf kantonaler Ebene seien Schritte am Laufen. Mittelfristig sollte der ganze Kanton über ein gutes Angebot verfügen. Dafür brauche es die Politik, am allerwichtigsten seien aber solche private Initiativen wie hier in Teufen.
Angehörige im Fokus
Eines der grössten Probleme ist, dass die Palliative Care von den Angehörigen oft zu spät in Anspruch genommen wird. Als einer der Hauptgründe wurde in der von Hanspeter Spörri moderierten Diskussion die Verdrängung ausgemacht. Mit ihrem Anspruch, alles selber zu machen, sei die Gefahr gross, dass sich Angehörige isolierten oder einen Burn-out erlitten. „Es braucht oft einen enormen Leidensdruck, bis sich jemand Hilfe holt“, sagte Elisabeth Brassel, die zusammen mit Kolleginnen vor Jahren den Hospizdienst St. Gallen gegründet hat.
Thomas Lüchinger, der zurzeit einen aufwendigen Film zum Thema plant, fällt als erklärter „Nichtfachmann“ auf, dass dieser Dienst zu 95 Prozent von Frauen geleistet werde, was gesellschaftspolitisch bedenklich sei. Ein weiterer Grund der Zurückhaltung sei aber auch, dass Angehörige oft Hemmungen hätten, plötzlich so viele fremde Menschen in ihre Privaträume zu lassen, sagte der ehemalige Hausarzt Peter Winzeler.
Elisabeth Brassel, die Präsidentin des Hospizdienstes St. Gallen, leitete zusammen mit Roman John, Leiter der Spitex Teufen einen der Workshops. Neben der Angst vor der Auseinandersetzung mit dem Tod sei auch die Scham, es nicht alleine zu schaffen, ein häufiger Grund, weshalb fremde Hilfe nicht oder zu spät in Anspruch genommen werde. Wenn sie dann den Schritt wagten, hätten die Angehörigen oft ein positives „Aha-Erlebnis“, erzählte Roman John.
Die Quellen der Widerstandskraft
Wo holen sich Betreuende die Kraft für ihre schwierige Aufgabe? Vor einigen Jahren wurde der Begriff der „Resilienz“ entdeckt. Gemeint ist die noch wenig untersuchte Widerstandfähigkeit, über die alle Menschen von Natur aus in unterschiedlichem Mass verfügen. Laut der Trauerbegleiterin Cornelia Broger haben sehr oft sozial denkende Menschen eine höhere Resilienz.
Die Quellen der Widerstandskraft findet der Filmemacher Thomas Lüchinger in der Beziehung und in der Natur. Für Pfarrerin und Mitinitiantin Marilene Hess ist es vor allem die Sinnhaftigkeit, woraus viele Menschen ihre Kraft beziehen.
Viele Sterbebegleiter verbinde eine gemeinsame Überzeugung, nämlich, dass Sterben und Tod gar nicht so schlimm seien, sagte die abtretende Stellenleiterin des Hospizdienstes St. Gallen, Claudia Reichlin. Sie ist überzeugt: „Den Zugang zum Sterbenden findet man nur, wenn man weiss, dass es nachher weitergeht.“
„Sterbebegleitung ist ein Beruf und kein Job“
Peter Winzeler, der erste Präsident des neu gegründeten Vereins Forum Palliative Care Teufen, stellte klar, dass das Forum nicht direkt am Krankenbett tätig ist. Seine wichtigen Aufgaben sind die Vernetzung mit allen Akteuren, die Diskussion, die Sensibilisierung und die Finanzierung. Teufen verfügt auch nicht über einen eigenen Hospizdienst, sondern hat einen Vertrag mit St. Gallen abgeschlossen. Bereits sind dort vier Personen aus Teufen im Einsatz. Weitere werden dringend gesucht.
Peter Winzeler dankte der Gemeinde für die finanzielle Unterstützung, die vor allem für die Organisation und Ausbildung der Begleiterinnen nötig ist.
„Sterbebegleitung ist eine Berufung und kein Job“, fasste Gemeindepräsident Walter Grob seine Erkenntnisse als Teilnehmer eines Workshops zusammen. 80 Prozent der Bevölkerung wünschten sich Palliative Care, ob zu Hause oder einem Pflegeheim. Er würdigte die Teufner Initiative und wünschte sich, dass weitere Interessenten der Berufung folgen oder dem Verein beitreten.

Der Anlass wurde von Ulla Wyser moderiert und von Rolf Krieger mit seiner Syntharp musikalisch umrahmt. Dabei kombinierte das Teufner Multitalent seine Erfindung mit Trommel, Saxophon und Stimme und entwickelte so einen stimmigen Klangteppich.
Der Verein Forum Palliative Teufen ist seit heute auch im Netz:
http://forum-palliative-care-teufen.ch/
Verein Forum Palliative Care Teufen (PDF mit Powerpointpräsentation)
Galerie mit weiteren Bildern:

2. Gemeindetag Palliative Care
Im Fokus der Diskussion standen Begleitende und Angehörige.
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Tüüfner Chopf
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Erich Gmünder | 20. 04. 2013 | Institutionen, News, Tüüfner Chopf | Keine Kommentare |