An der Lütisweesstrasse in der Lustmühle steht ein LKW mit italienischem Kennzeichen. Es ist Montagnachmittag, 13:30 Uhr. Der Chauffeur ist heute vermutlich früh aufgestanden. Denn seine Ladung stammt aus Rimini in Norditalien. Es ist eine CNC-Maschine. Diese Abkürzung steht für «Computerized Numerical Control». Auf Deutsch: computergestützte numerische Steuerung. Diese Maschinen können Holzstücke nach digitalen Vorgaben extrem präzise bearbeiten. Das bedeutet: Fräsen, Bohren, Zuschneiden, Fasen. Ziel der Lieferung ist die Schreinerei Rothmund AG. Geschäftsführer Kevin Rothmund und sein achtköpfiges Team warten schon sehnsüchtig auf das neue «Herzstück» ihrer Werkstatt. «Bestellt haben wir vor etwas mehr als einem halben Jahr. Aber mit dem Gedanken dieser Neuanschaffung spiele ich schon fast zwei Jahre.» Die Entscheidung hat Zeit gebraucht. Denn es ist eine Grossinvestition. So etwas muss sich lohnen. «Den Ausschlag gaben zwei Grossaufträge, die fast zeitgleich reinkamen. Da dachte ich: Das ist genau der richtige Zeitpunkt.» Denn: Die neue «CNC» ist der alten weit überlegen. Sie verfügt über eine 5-Achsen-Frässpindel und kann beispielsweise Türrohlinge in einem Durchlauf «fixfertig» bearbeiten. «Damit sparen wir sehr viel Zeit und können Top-Qualität liefern.» Dafür muss die fast 5.5 Tonnen schwere Maschine aber erst an ihren zukünftigen Standort im ersten Stock der Werkstatt manövriert werden. Und das ist gar nicht so einfach.
Millimeterarbeit am Kran
«Das Loch? Nein, das gab es vorher noch nicht.» Kevin Rothmund spricht von der 2.5 Meter auf 2.5 Meter grossen Öffnung in der Hauswand. Sein Team hat diese extra für die Anlieferung aufgebrochen. Und auch im Innern der Werkstatt musste Platz geschaffen werden. Unter einer Werkbank liegt ein abgeschraubtes Pissoir. «Ja, die Toilette ist etwas schmaler geworden. Sonst hätte es nicht gepasst. In den nächsten Tagen kommt der Sanitär.» Das ist nicht der einzige externe Handwerker, der hier bald gebraucht wird. Die neue CNC benötigt nämlich auch einen neuen Strom- und Pressluft-Anschluss sowie eine andere Rohrführung des Absaugschlauchs zur Ableitung der Späne. Erst muss sie aber am richtigen Ort stehen. Dafür ist Stephan Auf der Maur zuständig (Foto).
Das tonnenschwere Gerät hängt gerade an seinem LKW-Kran – unterstützt von einem ambitionierten Gabelstapler. Zur Hälfte ist die 7 Meter lange Maschine schon im Gebäude. Jetzt geht es um die genaue Ausrichtung. «Hier müssen wir die Rollen etwas drehen. Sonst bewegt sie sich in die falsche Richtung», sagt der Kranpilot. Er hat während dieser heiklen Phase das Kommando. Und kaum Raum für Fehler. Links und rechts trennen die Maschine nur ein zwei Zentimeter Luft vom Mauerwerk.
Einer der Anwesenden bleibt aber erstaunlich gelassen: Kevin Erdmann. Er arbeitet als Servicetechniker für die Arthur Bründler AG in Ebikon und ist hier für die Inbetriebnahme der CNC-Maschine der «SCM Group» aus Rimini. «Wir arbeiten immer mit Stephan zusammen. Einen Besseren findest du nicht. Der kriegt es immer irgendwie hin.» Er wird recht behalten: Rund eineinhalb Stunden später steht die Maschine genau dort, wo sie hin sollte. Am Schluss wird sogar noch auf den Millimeter ausgerichtet. «Für uns zählt jedes bisschen. Platz haben wir sowieso immer zu wenig», sagt Kevin Rothmund. Ausserdem sollen die Stahlfüsse genau mittig auf den vorbereiteten Betonfundamenten stehen. Alles andere würde das geübte Schreiner-Auge zu fest plagen.
Genug Arbeit, wenig Leute
An diesem speziellen Tag sind drei «Rothmunds» vor Ort. Zwei in Arbeitskleider: Geschäftsführer Kevin und Schreiner Thomas – beides Mitinhaber. Dazu kommt Bruder und Vater Markus. Er ist zwar bereits pensioniert, lässt sich das Spektakel aber nicht entgehen. «Was für eine Maschine. So eine Investition tätigt man nicht alle Tage.»
Er übergab die Geschäftsführung der Rothmund AG im Jahr 2018. Davor hatte er das Unternehmen mit seinen Brüdern Thomas und Peter seit 1985 geleitet. Die Geschichte der Rothmund AG reicht aber noch eine Generation weiter zurück: Im Jahr 1959 übernahm Vinzenz Rothmund die damalige Schreinerei Emil Preisig in Teufen – 1968 zog die Werkstatt aus Platzgründen in die Lustmühle.
Kevin Rothmund leitet das Familienunternehmen nun also in dritter Generation. Wie läuft das Geschäft? «Sehr gut, wir können nicht klagen. Natürlich gibt es immer Potential für mehr. Allerdings ist es schwierig, qualifizierte Mitarbeiter zu finden.» Er ist überzeugt, dass es Schreinereien in dieser Grösse auch in zwanzig Jahren noch brauchen wird. «Was uns auszeichnet, ist die Flexibilität. Wir machen im Bezug auf Schreinerarbeiten alles: Ob Grossprojekte, oder Einzelanfertigungen.» Besonders bei der ersten Kategorie soll die neue CNC-Maschine nun einiges an zusätzlicher Effizienz bringen. Bevor sie aber das erste Werkstück «ausspuckt», muss Techniker Kevin Erdmann noch einige Stunden investieren. «Wann sie läuft? Ende Woche. Dann geht es ans Einarbeiten.»