Bildbericht: Erich Gmünder
Am ersten Fastensonntag weilte der Projektleiter der Barzani Charity Foundation (BCF) in Teufen, wo er sich für die Hilfe aus dem Rotbachtal bedankte und mit eindringlichen Bildern und Zahlen über die Situation in den Flüchtlingslagern in Nordirak berichtete. „Thank you and God bless you“, sagte Eskandar Salih in der katholischen Kirche.
Eskandar Salih, von seinen Schweizer Freunden Alexander genannt, hat auch die Verteilung der Hilfsgüter aus dem Rotbachtal koordiniert. Er kennt die Not der Flüchtlinge wie kein Zweiter, ist seine Organisation doch für die Betreuung der insgesamt 50 Flüchtlingslager zuständig. 2,5 Millionen Menschen sind vor den Greueln der Terrormiliz IS aus Syrien und anderen Regionen des Irak in die Autonome Region Kurdistan geflohen, wo sie in Sicherheit leben können, beschützt von der kurdischen Armee, der Peschmerga. Unter Aufsicht des Roten Kreuzes und der UNO sorgt das kleine Land, das selber nur rund 5 Millionen Einwohner zählt, für ihren Lebensunterhalt.
Die Barzani-Stiftung wurde 2005 von Staatspräsident Barzani gegründet. Ihr Hauptziel ist, das Leben von Flüchtlingen in menschlicher Würde zu schützen. Haupttätigkeiten sind die Verteilung von Lebensmitteln, die Beschulung der Kinder, die Ausbildung in handwerklichen Fähigkeiten sowie die Unterstützung von Waisen und Betagten, dies unabhängig von Herkunft und Religion. „Wir machen, im Unterschied zu vielen anderen Organisationen, keinen Unterschied zwischen Christen, Jesiden oder Muslimen.“
Die aktuelle Flüchtlingssituation
Emotionslos präsentierte Eskandar Salih Bilder und Zahlen zur aktuellen Situation der Flüchtlinge. Rund 7,6 Millionen sogenannte Binnenflüchtlinge aus Syrien und 3,4 Millionen aus dem Irak leben zurzeit in der Region, davon 2,5 Millionen allein in der autonomen Region Kurdistan. Der Befreiungskampf um die Stadt Mossul führt täglich zu neuen Flüchtlingsströmen.
„Allein seit Samstag, als ich in der Schweiz angekommen bin, sind wieder 800 Familien oder insgesamt 3500 Menschen aus dem Grossraum Mossul nach Kurdistan geflohen.“ In grossen Bussen werden sie von der Kriegsfront, wo die Peschmerga in Stellung ist, in die Lager gefahren. Tag und Nacht, 24 Stunden stehen die Mitarbeiter der Barzani-Stiftung bereit, um die Flüchtlinge aufzunehmen und sie zweimal täglich mit einer warmen Mahlzeit zu versorgen. Die Lebensmittelversorgung wird auch vom Welternährungsprogramm unterstützt, bei einem Budget von unter 10 Dollar pro Monat und Person. So verteilte alleine die Stiftung im vergangenen Jahr 10 Millionen Mahlzeiten.
Die Greuel des IS
Die Barzani-Stiftung ist die einzige Organisation, die sich für die speziell verfolgte Minderheit der Jesiden einsetzt. Von den rund 5 Millionen in Mitteleuropa lebt eine halbe Million in Irak. 200’000 sind von der Gewalt besonders betroffen, 6000 wurden getötet, rund 2000 sind verhungert. Gegen 3500 Jesiden wurden gekidnappt und versklavt. Die IS hat ganze Dörfer ausgelöscht. In einem Fall wurde in einem Dorf mit 1200 Einwohnern an einem Tag die ganze Bevölkerung ermordet, Häuser, Kirchen, Einrichtungen wurden systematisch zerstört, junge Frauen und Kinder nach Mossul verschleppt, wo sie als Sklaven gehalten oder verkauft wurden. Nur 20 Bewohner überlebten.
Systematisch verfolgt werden aber auch die Christen. Lebten 2003 noch eine Million Christen in Irak, sind es zurzeit noch 350’000. 90 Prozent von ihnen leben nun in Kurdistan. 125’000 von ihnen erlebten die IS-Gewalt hautnah, 200o wurden getötet, rund 125 Kirchen wurden zerstört. Wer vor dem Gewaltregime nicht fliehen kann, wird gezwungen, zum Islam überzutreten. Ziel der Barzani-Stiftung ist, dass die Jesiden und Christen im Land verbleiben, damit die kulturelle und religiöse Vielfalt der Bevölkerung nach der Befreiung vom IS-Gewaltregime erhalten bleibt.
Für den Wiederaufbau bereit
Etwas vom Wichtigsten ist die Beschäftigung, sagte Salih. So werden für Frauen Kurse für Nähen oder die Säuglingspflege angeboten und die Kinder beschult. Ganz besonders am Herzen liegt der Stiftung das Schicksal der insgesamt 18’000 Waisen. Sie erhalten ein Taschengeld, Schulmaterial und werden begleitet, bis sie eine Ausbildung in Angriff nehmen können. Alles mit dem Ziel, nach der Rückkehr in ihrer Heimat am Wiederaufbau des Landes mitarbeiten zu können.
Die Hilfe aus dem Rotbachtal
Eskandar Salih legte auch Rechenschaft darüber ab, wie die Hilfe aus dem Rotbachteil an die Bedürftigsten unter den Flüchtlingen gelangte. Rund 1200 Schachteln mit Kleidung wurden an die Familien verteilt, 400 Familien konnten mit den Lebensmitteln für 3 Monate versorgt werden. 3000 Säuglinge erhielten Pulvermilch und Windeln. „Ich bin in der Zwischenzeit der Fachmann für Windeln“, flocht der Flüchtlingshelfer Ueli Schleuniger, der als Projektleiter bereits dreimal in Nordirak weilte und das Referat von Salih simultan übersetzte, schmunzelnd ein.
Dank Spenden aus dem Rotbachtal sowie einem namhaften Beitrag des Bistums St. Gallen konnte für die 17’000 Jesiden, die in einem separaten Flüchtlingscamp auf 1400 m über Meer in den Sindschar-Mountains leben, ein Schulbus sowie ein Traktor mit Anhänger für die Kehrichtentsorgung angeschafft werden. Die Jesiden erhielten rund 400 Säcke mit Hygieneartikeln.
Keine einmalige Aktion
„Wenn alles stirbt, auch die Würde des Lebens, braucht es Leute wie Eskandar Salih, die hinschauen und hingehen“, sagte Diakon Stefan Staub, welcher die Hilfe aus dem Rotbachtal initiiert hatte. Er machte deutlich, dass es sich nicht um eine einmalige Aktion gehandelt hat. So werden bereits Spenden für einen weiteren Schulbus gesammelt, und Ende Jahr ist ein weiterer Hilfskonvoi angedacht. Die Freiwilligen aus dem Rotbachtal hätten sich an ihrer letzten Zusammenkunft mehrheitlich bereit erklärt, weiterzumachen.