«starker Kaffee» im Zeughaus

18.11.2023 | Sepp Zurmühle
cafe_fuerte (24)

Sepp Zurmühle

Das junge Theater «Café Fuerte» versetzt das Publikum vom ersten gesungenen Ton an und mit den gelungenen Kostümen direkt 120 Jahre zurück ins damalige Russland. Ohne erhöhte Bühne, direkt vor dem Publikum, hautnah, packend und zugleich erschütternd. Zuweilen totenstill ist die Stimmung im Zeughaus. «Grosses Drama mit saftiger Komödie und einem rein gesungenen Soundtrack» bei uns im Dorf.

Daniel Ehrenzeller, Präsident der Lesegesellschaft Teufen, begrüsst die ca. 80 Personen, die den Weg an diesem nassen Winterabend des 17. November ins Zeughaus Teufen gefunden haben, herzlich. «Café Fuerte» wird von Danielle Fend-Strahm und Tobias Fend geleitet. Danielle ist in Heiden AR aufgewachsen und führt Regie. Ihr Partner Tobias Fend (Produzent und Schauspieler) wuchs in Götzis im Vorarlberg auf. «Unser Hauptquartier», wie sie es nennen, befindet sich in Hittisau im Bregenzer Wald. Dies seien erste, ganz direkte Bezüge zu uns hier in Teufen, meint Daniel Ehrenzeller. Unterstützt wird Café Fuerte auch durch die Kulturförderung des Kantons Appenzell Ausserrhoden.

Veränderungen ignorieren

Aktuell wie vor 120 Jahren malt Anton Tschechow in seinem letzten Stück «Der Kirschgarten» in eindringlicher Sprache und herrlichen Figuren das Bild einer Gesellschaft, die unfähig ist sich zu verändern. Damals wird in Russland die Leibeigenschaft abgeschafft. Der reiche Landadel verliert seine Privilegien und muss sich eine neue Lebensgrundlage suchen.

«Der Kirschgarten» ist eine gesellschaftskritische Komödie, die 1903 entstand. Sie wurde zu Tschechows 44. Geburtstag am 30. Januar 1904 in Moskau uraufgeführt. Ein halbes Jahr danach starb der Schriftsteller und Dramatiker an Tuberkulose. «Mit seinen psychologisch genauen Dialogen und seinen vielschichtigen Figuren ist Tschechow bis heute der weltweit meist gespielte Bühnenautor nach William Shakespeare.»

Den Kirschgarten abholzen

Das Stück spielt um 1900 auf einem russischen Landgut mit einem Herrenhaus, das von einem wunderschönen Kirschgarten umgeben ist. Anja – die Tochter der Gutsbesitzerin Ranjewskaja – holt ihre Mutter aus Paris zurück, weil das Anwesen hochverschuldet ist und versteigert werden muss. Die Mutter war vor fünf Jahren mit ihrem Geliebten nach Frankreich geflohen, nachdem ihr kleiner Sohn im nahegelegenen Fluss ertrunken war. Der Bruder der Gutsbesitzin, Gajew, ist unfähig, mit Geld umzugehen und geniesst das Leben. Auch die Gutsbesitzerin Ranjewskaja verbraucht ihr Geld in Paris.

Eine Rettung könnte der ehemalige Leibeigene der Familie – der Kaufmann Lopachin – bedeuten, der zu einem Vermögen gekommen ist. Er schlägt vor, Datschen auf dem Grundstück zu errichten und sie an Sommergäste zu vermieten. Die Voraussetzung dafür wäre das Abholzen des wunderschönen, aber nutzlos gewordenen Kirschgartens, der gerade in voller Blüte steht.

Eine andere Lösung wäre, wenn Warja – die Pflegetochter der Gutsbesitzerin – Lopachin heiraten würde. Aber ihr Traum geht nicht in Erfüllung. Es entfaltet sich hingegen eine Liebe zwischen dem ehemaligen Erzieher des ertrunkenen Sohnes – dem ewigen Studenten Trofimov und Anja, der Tochter der Gutsbesitzerin.

Die Gutsbesitzerin zieht zurück nach Paris. Alle verlassen das Haus, nur der alte Diener Firs – der die alte Zeit vor der Abschaffung der Leibeigenschaft symbolisiert – wird aus Versehen eingeschlossen und sinkt am Schluss regungslos auf den dunklen Bühnenboden im Zeughaus.

Wir entwickeln Theater

«Wir lieben es, Orte zu finden, die wir in Theater umdeuten.» Und so einen passenden Ort haben sie im Zeughaus Teufen gefunden. Mit ihren Theaterstücken suchen sie das «direkte Erlebnis zwischen Menschen», wie sie sagen. Das ist ihnen heute Abend in Teufen voll und ganz gelungen. Das Publikum ist begeistert und honoriert es mit lange anhaltendem Applaus und stehender Ovation.

Ihre Fassung des Stücks entstand auf der Basis der Übersetzung aus dem Russischen von Vera Bischitzky. Mit vielen Künstlerinnen und Künstlern arbeitet das Theater über eine lange Zeit immer wieder zusammen und entwickelt gemeinsam eine eigene Sprache.

In Teufen heute Abend auf der Bühne brillieren und überzeugen sowohl schauspielerisch als auch gesanglich: Katharina Uhland (Gutsbesitzerin), Meda Banciu (Tochter Anja), Johanna Köster (Pflegetochter), Gregor Weisgerber (Bruder der Gutsbesitzerin), Stefan Weigelin (Kaufmann), Tobias Fend (ewiger Student) und John Kendall (Buttler Firs).

Die fein aufeinander abgestimmten Kostüme halfen dem Publikum sich 120 Jahre zurückzuversetzen und zudem die verschiedenen Familienzugehörigkeiten zu verstehen.

«Das Entwickeln von Theater zu aktuellen Themen an besonderen Orten» entspricht der DNA des jungen Theaters. Weitere Vorstellungen in Ausserrhoden finden im Palais Bleu in Trogen am 18. und 25. November 2023 statt. Wer heute nicht dabei war, kann dies noch kurzfristig nachholen. Mehr Informationen unter www.cafefuerte.at.

Top-Artikel

Top-Artikel

Anzeige

Anzeige

Gruengut-Animation2024-Mai

Nächste Veranstaltungen

Dienstag, 07.05.2024

Maibummel

Dienstag, 07.05.2024

Pro Juventute: Mütter- und Väterberatung

Aktuelles

×
× Event Bild

×
×

Durchsuchen Sie unsere 7201 Artikel

Wetterprognose Gemeinde Teufen

HEUTE

06.05.24 17:0006.05.24 18:0006.05.24 19:0006.05.24 20:0006.05.24 21:00
10.9°C10.5°C10°C9.4°C9.1°C
WettericonWettericonWettericonWettericonWettericon

MORGEN

07.05.24 05:0007.05.24 09:0007.05.24 12:0007.05.24 15:0007.05.24 20:00
7.6°C9.2°C10.1°C10.3°C8.5°C
WettericonWettericonWettericonWettericonWettericon