Timo Züst
Gestern Abend wurde das Teufner Lokalkomitee zur Unterstützung der Konzernverantwortungsinitiative (KOVI) gegründet. Die Gruppe ist Teil einer nationalen Abstimmungsstrategie. Die TP wurde eingeladen und durfte zuhören.
Es ist Mittwochabend, 19:30 Uhr. Im Seminarraum des Hotel Anker haben sich 20 Teufnerinnen und Teufner versammelt. Marketingfachfrau, Gärtner, Pädagoge, Hundetrainerin, Pfarrerin, Grafikerin, Heilpädagogin, Fotograf, Betriebswirtschafter, Pflegefachfrau. Die Vorstellungsrunde macht deutlich, wie heterogen sich die Gruppe zusammensetzt. Doch ein Thema eint sie heute Abend: Die Konzernverantwortungsinitiative (KOVI). Sie alle wollen diese Initiative unterstützen und ihre persönlichen Stellungnahmen zeigen: Für sie ist das nicht nur Politik. „Mich berührt dieses Thema auf einer sehr emotionalen Ebene. Das muss einfach durchkommen.“ „Das ist keine politische, sondern eine rein ethische Frage.“ „Eigentlich erschreckend, dass wir über so eine Selbstverständlichkeit überhaupt abstimmen müssen.“ Am Schluss des Abends tragen sie sich deshalb alle in eine Adressliste ein. Und sind damit Teil des nun gegründeten Lokalkomitees Teufen. Sie befinden sich in guter Gesellschaft. Stand heute gibt es 350 solcher Komitees in der Schweiz. Auch in der unmittelbaren Nachbarschaft. Am Dienstag wurde eines in Speicher, heute wird eines in Trogen gegründet. Diese lokale Verankerung ist Teil einer ausgeklügelten Strategie der Initianten. Das zentrale Sekretariat unterstützt die Komitees von Bern aus – mit Kampagnen-Material, einer Muster-Website oder Sitzungsdokumenten. Die Mitglieder verbreiten die Botschaft dann in ihren jeweiligen Wohngemeinden, als bekannte Gesichter.
Eine Lücke schliessen
„Syngenta verkauft in Indien ein Pestizid, das hier schon längst verboten ist. Die Folge: Rund 800 Landarbeiter wurden schwer vergiftet.“ Dem Teufner Lokalkomitee kommt eine besondere Ehre zu. Für seine Gründungsversammlung ist ein Mitglied des Kampagnen-Büros aus Bern angereist – die 29-jährige Fabienne Biedermann. Sie beginnt ihre Zusammenfassung zur KOVI mit zwei Beispielen. Auf Syngenta (aus dem Jahr 2017) folgt der Rohstoff-Gigant Glencore (2019): „Um eine lukrative Kupfermine in Peru zu vergrössern, vertreiben sie indigene Völker aus ihrer Heimat.“ Die Anwesenden folgen ihren Ausführungen gespannt – und die Beispiele ernten erschrockenes Kopfschütteln. Die juristisch ausgeklügelte und inhaltlich eigentlich sehr komplexe Initiative ist dann erstaunlich rasch erklärt: „Mit der KOVI werden globale Konzerne mit Hauptsitz in der Schweiz für ihre Taten im Ausland endlich angreifbar. Das gilt auch für ihre Tochterfirmen.“ Dabei geht es konkret um die Einhaltung der Menschenrechte und Umweltstandards. Verstösst ein „Schweizer“ Konzern heute im Ausland gegen diese Grundlagen, kann er hier in der Schweiz nicht dafür angeklagt werden. Diese Lücke will die KOVI schliessen. Sie folgt damit einem internationalen Trend. Auf der KOVI-Website lassen sich diverse Fälle hängiger Konzern-Prozesse nachlesen –auch Gesetztes-Anpassungen sind vielerorts angedacht.
Die Initiative, die von 14 namhaften Organisationen getragen (Greenpeace, Amnesty International, Brot für alle, Fastenopfer, Swissaid etc.) und von über 100 weiteren unterstützt wird, kommt entweder im September oder November zur Abstimmung. Das entscheidet der Bundesrat Ende Mai. Deshalb soll die Kampagne bereits jetzt anrollen.
Ein Filmabend
„Wir kämpfen gegen ein Millionen-Budget.“ Die Diskussionen an diesem Abend lassen keinen Zweifel daran aufkommen, wer der Gegner ist: die Finanzkraft der Konzerne und Wirtschaftsverbände. Und sie schlafen nicht. Fabienne Biedermann fährt fort: „Wer heute bei Google ‚Konzernverantwortungsinitiative ‘ eintippt, erhält als erstes Resultat eine Pseudo-Faktenseite.“ Hinter dem Link verbirgt sich ein „Fakten-Check“ zur KOVI, der einige der Argumente zu entkräften versucht. Das Problem: Eine Quelle ist nicht sichtbar. „Die ‚Republik‘ hat aufgedeckt, dass dahinter Wirtschaftsverbände stecken.“ Aber die Gegner verstecken sich nicht auf allen Internet-Seiten. Mittlerweile ist auch eine zweite Website des Wirtschaftskomitees „Zusammenarbeit statt Gerichtsprozesse“ online. Der Abstimmungskampf ist lanciert. „Eine repräsentative Umfrage im vergangenen Jahr kam zwar zum Schluss, dass 75 Prozent Ja stimmen würden. Aber das war noch vor der Gegner-Kampagne. Wir dürfen auf keinen Fall lockerlassen“, sagt Fabienne Biedermann. Deshalb erhält das Teufner Lokalkomitee – wie die anderen 350 – auch bereits einen konkreten Auftrag. Nämlich das Organisieren eines Filmabends. Dann soll ein aktueller Dokumentarfilm mit dem Titel „Der Konzern-Report“ gezeigt werden. Produziert wurde die Doku in den vergangenen Monaten von den Initianten. „Das zu organisieren, ist überhaupt kein Problem.“ Die Zusage aus den Reihen des Komitees kommt schnell. Nun gilt es, ein Datum für die Aufführung zu suchen und weitere Maßnahmen zu definieren. Erste Ideen sind ausgesprochen. Für den Moment ist die Sitzung aber vertagt, auf nächste Woche.
Weitere Informationen zur Initiative finden Sie hier.