














Der Himmel ist noch düster an diesem ersten Mai-Samstag gegen 9 Uhr. Sieben motivierte Erwachsene und fünf Kinder treffen im Neuhaus 971 in Teufen ein. Der Anlass ist ausgebucht. Er wurde vom WWF Regiobüro AR/AI-SG-TG, in Co-Operation mit der Wurzelwerk-Naturgarten AG, Speicher, organisiert. Lisa Häfliger (WWF-Natureinsatzleiterin) begrüsst alle Teilnehmenden herzlich und verteilt die Klebeetiketten mit den Vornamen und Arbeitshandschuhe für jene die keine haben. Und schon geht’s los.
Standortwahl
Durch den vormaligen Stall gelangen die Teilnehmenden auf die Hangseite des alten Bauernhauses. Dort hat Marco Egger von Wurzelwerk vorgängig unterschiedlichste Äste, Reisig, Garten-Schnittgut und Laub bereitgelegt.
Hans Häfliger (Schutzgebietsleiter Pro Natura) übernimmt heute die Aufgabe des «Architekten». Zu Beginn macht er wichtige Hinweise zur Sicherheit, speziell im Umgang mit der Handsäge und dem Transport der Äste auf engem Raum.
Die Igelunterkunft soll nicht an der prallen Sonne und nicht komplett im Schatten liegen und sie darf nicht in einer feuchten Mulde gebaut werden. So entscheidet sich die Gruppe für eine leichte Hanglage, wo das Wasser jederzeit abfliessen und die Abendsonne noch lange Wärme spenden kann.
























Bauliche Grundregeln
An einem gekauften Igel-Haus erklärt Hans die baulichen Grundregeln. Dabei geht es in erster Linie um den Schutz vor Fressfeinden und vor Nässe und Kälte. Besonders gefährdet sind die Igel-Kinder. Ihre Unterkunft muss so gebaut sein, dass die Schlafkammer sicher und trocken bleibt. Der Eingang darf nicht in einer geraden Linie erfolgen, sondern muss einen rechten Winkel (90 Grad) aufweisen. Katzen meiden solche Eingänge. Füchse und Dachse können mit ihren Krallen nicht bis zur Schlafkammer vordringen.
Das Ganz ist solide und einsturzsicher zu bauen. Die Durchgänge müssen 10 auf 10 cm und die Schlafkammer im Grundriss 30 auf 30 cm gross sein. Das kann mit der Auswahl von genügend dicken Ästen beim Fundamentbau am besten erreicht werden. Vor dem Dachbau erhält die künftige Igel-Wohnung trockenes, lose eingefülltes Laub, als Grundausstattung. Diese soll die Igel-Mutter anlocken. Sie wird später ein dicht geflochtenes, warmes Nest bauen.
Auch das Dach über dem Eingang und dem Schlafraum wird mit dickeren Ästen solide gebaut, so dass Menschen darauf stehen können und das Wasser möglichst gut abläuft. Es werden ausschliesslich natürliche Materialien (ohne Nägel oder Plastik) verwendet. Rindenteile können wie Ziegel von unten nach oben übereinandergeschichtet werden. Darüber werden die Äste regelrecht ineinandergeflochten, um einen dichten Überbau zu erhalten, der auch heftigem Wind und Unwetter standhält. Dazwischen stopfen die Teilnehmenden Laub und andere Schnittabfälle.
Freudvoll lernen
Und es macht Spass. Die Fotos zeigen mit welcher Aufmerksamkeit und Neugier die Kinder und Erwachsenen am Werk sind. Durch Zuhören, Fragen stellen und gemeinsames Selberbauen erlernen wir die Baukunst für unsere wohnliche und sichere Igel-Villa mit zwei Eingängen, geradezu spielerisch. Mit vollem Eifer überprüfen die Kinder die Grösse aller Durchgänge mit Faust und Daumen, wie es ihnen Hans gezeigt hat. Auch die Schar junger Rinder des Nachbarn Ueli Graf staunen über die architektonische Meisterleistung des bunten Bauteams. Die Zeit vergeht denn auch in Windeseile. Um 10.30 Uhr geniessen wir die leckeren Brötli und Getränke der Gastgeber Andrea und Marco auf den Stufen der Südseite des Hauses, bis ein kurzer Regen doch noch vom Himmel fällt. Im Innern des Stalls erzählt Lisa Häfliger über das Leben der Igel, deren Ansprüche an ihren Lebensraum eigentlich bescheiden sind. Zwingende Voraussetzung für sein Überleben ist allerdings, dass er auf kleinem Raum genügend Futter und Versteckmöglichkeiten findet. Und bereits zeigt sich die Sonne wieder. Die neue Tüüfner Igel-Villa wird noch fachgerecht zu Ende gebaut. Fortan steht sie bereit für den Winterschlaf und im Sommer zur Aufzucht der Jungtiere. Wann wird wohl die erste Igel-Familie hier einziehen?















Todesfallen
Bevor wir den schönen Ort verlassen, nimmt uns Lisa mit auf einen Rundgang ums Haus, um auf Unterschlupfmöglichkeiten oder tödliche Igel-Fallen aufmerksam zu machen. «Igel lieben es – gleich wie wir Menschen – zwischendurch mal ausserhalb der eigenen vier Wände zu verweilen und sich dort auszuruhen (Tages-Schlafplätze). An die Fassade angestellte Bretter, Ast- und Reisighaufen, Astzäune, Zwischenräume zwischen Töpfen und Brunnen, Holzbeigen oder offene Unterstände eignen sich dafür gut.» Ein erwachsener Igel kann zwar schwimmen, aber senkrechte Hindernisse von mehr als 20 cm Höhe sind für ihn unüberwindbar. Deshalb sind tiefere Löcher (Gruben) oder gar eingelassene Badewannen mit glatten Wänden tödliche Fallen. Einfache Ausstiegshilfen (z.B. schmales Brett bei Kellertreppe) helfen dem Igel ohne grossen Energieverlust wieder nach oben zu kommen.
Marco Egger hat beim Bau seiner Trockensteinmauer gar eine Igel-Wohnung eingebaut. Die Kinder überprüfen die Dimensionen und den rechten Winkel beim Eingang zur Schlafkammer. Igel-Durchgänge von 10 auf 10 cm sind auch bei festen Zäunen wichtig und können einfach eingerichtet werden.

«Aber was nützt einem Igel die schönste Villa, wenn es zu wenig oder vergiftetes Fressen oder kein Wasser gibt? Igel ernähren sich hauptsächlich von tierischer Nahrung wie Käfern, Larven, Spinnen, Würmern und Schnecken; wobei Nacktschnecken sehr bitter schmecken, und ihr Schleim ist dem Igel unangenehm. Auch im Rasen sucht der Igel mit seiner spitzen Nase (ähnlich einem Wildschwein, nur viel kleiner) nach Larven. Kleine Löcher zeugen davon.
Im modernden Asthaufen über der neuen Igelwohnung werden sich unzählige Tierchen einfinden, welche dem Igel und seinen Jungtieren willkommene Nahrung bieten werden. Auch hier gilt: Ein total aufgeräumter, beinahe klinisch sauberer Garten, ist ein toter Garten für die Natur und damit letztlich auch für uns Menschen.»
Die Kinder und ihre Eltern, bzw. Grosseltern haben heute ganz viel gelernt und eine tolle Zeit miteinander verbracht. Ein letzter Austausch von Erfahrungen rundet den lern- und erlebnisreichen Anlass ab. Viele weitere Gratis-Angebote, siehe nachfolgende Links.
Kostenlos und interessant
Im Rahmen des 25-jährigen Bestehens des WWF-Regionalbüros finden weitere interessante und kostenlose Events statt: https://www.wwfost.ch/wwf-arai-sg-tg/wwf-appenzell/jubilaeumsjahr-2025
Foto-Wettbewerb: Melden Sie für «Wilde Nachbarn Appenzellerland» bis Ende September 2025 die regionalen «Big 5» (Igel, Eichhörnchen, Feuersalamander, Schwalbenschwanz und Mauersegler) und andere einheimische Tiere: https://appenzellerland.wildenachbarn.ch/