Kein Stress mehr, frei verfügen über seine Zeit, sich endlich dem widmen, was man schon immer gerne gemacht hätte: Fotos sortieren, wandern, verreisen, mehr Zeit für seine Lieben haben, Hobbys und Beziehungsnetz pflegen, sich musisch, sozial, politisch engagieren… So stellen sich viele die Pensionierung vor.
Die Realität ist oft eine andere, aus dem Traum wird ein Alptraum. Wenn die Tagesstruktur, die Aufgabe, das Gebrauchtwerden, die Erfüllung im Beruf wegfallen, fallen manche in ein tiefes Loch: man spricht vom Pensionierungsschock. Oft kommen gesundheitliche Beschwerden hinzu, und die Beschäftigung mit der Endlichkeit des Lebens.
Wie haben unsere TeufnerInnen Ü65 den Übergang in die 3. Lebensphase gemeistert?
Erika Preisig Wenn man weit über das Pensionsalter hinaus hart gearbeitet hat und das Privatleben nur an den Wirtesonntagen stattfand, wie fühlt es sich an, wenn all das wegfällt, von einem Tag auf den andern und man pensioniert ist? Das wollten wir von Bethli Egli wissen. Denn genau am 1. April 2014, mit 72 Jahren und dem Verkaufsdatum der Krone in Speicher brach für sie die grosse Freiheit an. Oder etwa die grosse Leere? Obwohl sie gesund sei, bis zuletzt gerne gewirtet habe, und die Zeit zusammen mit ihrem Sohn Mathias, der in der Küche stand, nicht missen möchte, habe sie sich auf den neuen Lebensabschnitt gefreut. «Und ich bin dann auch nicht in das berühmte Loch gefallen», schmunzelt sie. Es hätte sich alles so gut gefügt, mit dem Verkauf und der gemütlichen Wohnung an der Gremmstrasse mit Blick über das Dorf in den Alpstein. «Es war wie ein «Heichoo», nach 20 Jahren wieder in Teufen zu leben.» Klar, manchmal sei es schon ein bisschen sehr ruhig hier in der Wohnung, gesteht Bethli Egli. Dazu käme etwa das lebenslang verinnerlichte Gebot, etwas «Nützliches» zu tun. Doch diese Gefühle weise sie jeweils rasch von sich. «Ich darf es jetzt eifach gnüüsse!» Im Dorf findet sie viele Angebote die ihr Freude machen, sie nimmt teil an den Seniorenwanderungen und macht Pilates. Und selbstverständlich trifft sie auf Schritt und Tritt auf Bekannte, ehemalige Gäste des «Bahöfli», der Blume und der Krone. Einige von ihnen sind ihre Freunde geworden, man trifft sich zum Essen oder macht zusammen einen Ausflug. «Im Sommer geniessen ich und meine Familie die Tage in unserem Wohnwagen am Bodensee», erzählt Bethli. Die grösste Freude bereitet ihr jedoch das Reisen. «Welch ein schönes Gefühl, einfach ganz spontan mein Köfferli zu packen und loszufahren – etwa ins Engadin oder ins Welschland.» Wenn sie dann ankomme, etwa an ihrem Lieblingsort, in Sils Maria, den See, die Berge im wunderbaren Licht betrachte, dann fühle sie sich frei und glücklich. [grauer-kasten title=“40 Jahre lang eine beliebte Gastgeberin“ text=“ Kurt und Bethli Egli führten von 1975 –1985 das Restaurant Bahnhof (heute Café Koller). Zuerst als Pächter, später als Besitzer. Als sich bei Kurt eine ernsthafte Krankheit bemerkbar machte, mussten sie den lebhaften Betrieb aufgeben. Bethli übernahm dann mit der Hilfe ihres Mannes das kleinere Restaurant Blume und führte es sieben Jahre lang. 1994 fasste die Familie nochmals neuen Mut und erwarb das Gasthaus Krone in Speicher. 20 Jahre war die Krone (mit einem Unterbruch) ihr Lebensmittelpunkt. Kurt Egli durfte den von ihm überwachten Umbau des Hauses noch einige Jahre geniessen. Er verstarb 2001. 2014 erwarb Konrad Hummler die Krone und führt das traditionsreiche Haus nach einer Totalsanierung erfolgreich weiter. EP“ ]Bethli Egli: Eifach gnüüsse!
Mägi Walti «Wir wohnen im umgebauten Stall», sagte Philipp Schuchter, Jahrgang 1949, am Telefon. Im grösseren Teil des Bauernhauses, das die Familie Schuchter seit 1982 bewohnt, lebt nun eine ihrer beiden Töchter mit den beiden Enkeln. Da die zweite Tochter mit ihrer Familie in Deutschland lebt, bekommt sie des öfteren Besuch aus Teufen. Nach seiner Matura in Schwyz verbrachte Philipp Schuchter die Jahre 1970–1982 in Zürich, zuerst als Student und anschliessend als Planer in einem Raumplanungsbüro. Zusätzlich absolvierte er ein Nachstudium in Raumplanung. Zurück in St. Gallen, eröffnete er zuerst ein Raumplanungsbüro, war aber zunehmend auch als Architekt tätig. In der Firma Schuchter Ehle AG hat er bis vor kurzem mit zehn Leuten gearbeitet; er hatte das Glück, dass ein sehr fähiger Architekt, der 15 Jahre in der Firma war, nach und nach als sein Nachfolger eingesetzt werden konnte. Einige noch nicht abgeschlossene Projekte führt er noch zu Ende. So kann Philipp Schuchter sich nun viel freier fühlen, seine vielen Interessen zu pflegen. «Der Berg ist kleiner geworden und der Druck ist weg», meint er. Noch einen halben Tag pro Woche arbeitet er im Büro, ansonsten halten ihn seine fünf Grosskinder und seine vielseitigen Hobbys auf Trab. Das geht von Klettern in der Halle und am Berg, Bike und Rennvelo Fahren, Laufen bis zu Langlaufen, Skifahren und Skitouren im Winter. Als Vize-Präsident der Energiegenossenschaft Teufen erzählt er von der Idee, Personen, welche keinen eigenen Strom produ¬zieren können, die Möglichkeit anzubieten, eine Fläche als Mieter zu nutzen (siehe auch TP Nr. 8, Umfahrungsstrasse für Solarstromnutzen). Philipp Schuchter ist ausserdem seit vielen Jahren Mitglied des Kiwanis-Clubs, eines weltweit tätigen Serviceclubs für Kinder, der ihm sehr wichtig ist. Nicht zu vergessen seine spannenden Reisen zusammen mit seiner Frau Uschi. Sie besuchten zum Beispiel Usbekistan, ein Land mit einer 3000 Jahre alten Geschichte; Finnland, Südfrankreich, Kroatien und Südtirol waren dieses Jahr Ziele ihrer Reisen. «Sich gegenseitigen Freiraum geben und möglichst aktiv bleiben, hilft, die Zeit der Pensionierung zu geniessen.»Philipp Schuchter: Aktiv bleiben