Hanspeter Nef, Sandra Merayo und Adrian Steiner (von links) posieren nach dem Gespräch für ein Gruppenfoto. Mit dabei: Die SACSäntis- Westen. Foto: tiz
Timo Züst
Die Sektion Säntis des Schweizer Alpenclubs SAC feiert heuer sein 150-jähriges Bestehen. Die Idee hinter der Gründung im Jahr 1869 war die Erforschung des Alpsteins. Das ist heute beim SAC kaum mehr Thema. Aber auch heute dreht sich noch alles um den Berg. Die TP hat sich mit drei Teufner SAClern zu einem Gespräch über die Aufgaben des SAC, den Alpentourismus und das sich wandelnde Klima getroffen.
SAC steht für Schweizer Alpen-Club. Was genau bietet die SAC Sektion Säntis eigentlich an?
Adrian Steiner: Die Aktivitäten des SAC lassen sich in drei Hauptkategorien unterteilen. Zum Einen gibt es die klassischen Bergtouren. Es gibt Wander-, Kletter-, Ski-, Velo- oder Hochtouren. Sie werden für unterschiedliche Alterskategorien bzw. Leistungslevel angeboten. Andererseits organisieren wir auch diverse Kurse für unsere Mitglieder. Und dann gibt es natürlich noch die SAC-Hütten und die Rettungskolonne.
Welche Hütten betreibt eure Sektion?
Steiner: Die Chammhalden- und die Hundsteinhütte.
Wie wichtig sind diese Hütten für eure Finanzen?
Steiner: Wir verdienen nicht viel am Hüttenbetrieb. Normalerweise resultiert eine schwarze Null.
Wie viele Mitglieder hat eure Sektion?
Hanspeter Nef: Heute sind es rund 1500. Vor etwas mehr als 20 Jahren waren es noch 500.
Sandra Merayo: Wir haben sicher auch vom Wanderboom profitiert.
Nef: Ja, aber früher war es auch nicht so einfach, Mitglied zu werden. Damals musste man zwei sogenannte «Göttis» haben, die eine Empfehlung für die Aufnahme abgaben. Heute kann sich jeder und jede anmelden.
Steiner: Stimmt, wir wurden liberaler. Aber man muss auch beachten, dass von diesen 1500 Mitgliedern nur rund 150 wirklich aktiv sind.
Und warum bleiben alle anderen dabei?
Merayo: Wegen der SAC-Hütten. Wer bei einer Sektion Mitglied ist, profitiert in der ganzen Schweiz von reduzierten Hüttentaxen.
Ah, das macht eine Mitgliedschaft natürlich attraktiv. Kürzlich habe ich aber auch gelesen, dass es in einigen SAC-Hütten Probleme mit dem Reservationssystem gibt.
Steiner: Das liegt daran, dass man heute keine Reservationsgebühren bezahlen muss. Und falls man nicht auftaucht, muss man auch nichts bezahlen. Mit anderen Worten: Heute reservieren viele einfach gleich in mehreren Hütten und entscheiden sich dann je nach Wetter für eine davon. Das verursacht natürlich Probleme. Deshalb wird das System auch angepasst.
Sie sprachen den Wanderboom an. Fühlt sich diese neue Wander-Generation in den Massenschlägen der SAC-Hütten überhaupt noch wohl?
Merayo: Es gibt viele Wanderer, die ein Doppelzimmer mit Dusche einem Massenschlag vorziehen. Das fällt insbesondere bei unserer Hundsteinhütte auf.
Nef: Ja, sie ist nur rund 20 Minuten von der Bollenwees entfernt. Viele entscheiden sich deshalb, dort zu übernachten. Dort ist die Ausstattung besser und sie müssen nicht noch weiter hochsteigen.
Der Wanderboom hat aber auch zur Folge, dass im Alpstein immer mehr Menschen unterwegs sind. Sind es vielleicht schon zu viele?
Merayo: Das kann man so nicht sagen. Aber die Planung für Bergsteiger wird nicht einfacher durch die besser gebuchten SAC-Hütten.
Warum?
Merayo: Ein Bergsteiger plant seine Touren meist sehr kurzfristig, da das Wetter eine entscheidende Rolle spielt. Oft sind dann bereits alle Plätze ausgebucht.
Nef: Immerhin: Der Hüttenwart freut sich wahrscheinlich über die Wanderer. Denn wer am nächsten Tag eine harte Tour vor sich hat, wird am Abend kaum eine ganze Flasche Wein trinken (lacht).
Wer in den Sommerferien sein Auto für eine Tour in Wasserauen parkieren will, muss auf eine private Wiese ausweichen. Wird es in Zukunft noch mehr Mechanismen für die Steuerung dieser Tourismus-Ströme brauchen?
Steiner: Davon bin ich überzeugt. Das sieht man ja auch heute schon. Zum Beispiel an der Schutzzone bei der Schwägalp. Solche Schutzzonen und Verbote wird es in Zukunft immer mehr geben. Das ist einerseits schade, da das Gebirge einer der letzten Orte mit sehr wenig Regeln ist. Andererseits ist es wohl nötig, um diese einzigartige Welt zu schützen.
Apropos Schutz: Derzeit werden Unterschriften für die sogenannte Gletscher-Initiative gesammelt. Deren Ziel sind Netto-Null Treibhausgasemissionen bis ins Jahr 2050.
Steiner: Genau. Bei dieser Initiative hat sich der Zentralverband des SAC für einmal gegen seinen Grundsatz entschieden, politisch neutral zu sein. Er unterstützt diese Initiative offiziell.
Ihr seid viel in den Bergen unterwegs. Spürt ihr die Folgen des Klimawandels?
Nef: Definitiv. Über die Jahre habe ich massive Veränderungen beobachtet. Viele der Touren – insbesondere auf Gletschern –, die ich früher selbst absolviert habe, gibt es heute nicht mehr.
Merayo: Ich habe ein aktuelles Beispiel. Vor vier Wochen war ich im Gauligebiet. Im Tourenbeschrieb von 2016 hiess es, dass ein 30-Meter-Seil ausreicht. Das Problem: Der Gletscher ist inzwischen so weit geschmolzen, dass er viel tiefer unten lag. Unser Seil war einige Meter zu kurz, wir mussten die letzten Meter nach unten klettern.
Der SAC unterstützt die Gletscherinitiative und exponiert sich damit politisch. Müsste er das in Anbetracht der massiven Veränderungen – bereits ist eine Sperrung des Matterhorns im Gespräch – vielleicht noch mehr tun?
Steiner: Das ist schwierig zu sagen. Klar ist, dass wir als SAC die Welt nicht verändern können. Unsere Anstrengungen sind nur ein Tropfen auf den heissenmStein. Aber was wir tun können, ist Öffentlichkeitsarbeit leisten und unsere Beobachtungen schildern.
Zurück zur Sektion Säntis. Anders als viele andere Vereine leidet ihr nicht unter Mitglieder-Schwund. Woran liegt das?
Steiner: Auch bei uns gibt es keine Kampfwahlen um Vorstands-Sitze (lacht).
Nef: Die Erfahrung zeigt, dass engagierte Mitglieder nicht in regelmässigen Abständen zum Verein stossen. Sie kommen eher in Wellen. Meist wird eine Gruppe Bekannter oder Freunde gemeinsam Mitglied. Sie motivieren sich dann oft gegenseitig.
Aber Bergsteigen ist doch auch ein leidenschaftliches Hobby. Ist es nicht auch ein Vorteil, wenn die Vereinsmitglieder mit Leib und Seele dabei sind?
Nef: Wer gemeinsam Bergtouren macht, hat eine andere Verbindung als jemand, der zusammen Fussball spielt. Beim Bergsteigen kann jederzeit etwas passieren. Wer einmal von einem Kameraden vor dem Abrutschen gerettet wurde, hat künftig eine engere Beziehung zu ihm. Das macht unseren Verein speziell.
Steiner: Es existiert ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Und das gilt für alle Altersgruppen.
Merayo: Das macht den SAC für mich aus. Egal, welcher Anlass, ob eine Hochtour oder ein Kurs: Wir haben immer eine gute Zeit – meist mit Vertreterinnen jeder Generation.