Schutz für eine einzigartige Welt

21.09.2019 | Timo Züst
SAC
Hanspeter Nef, Sandra Merayo und Adrian Steiner (von links) posieren nach dem Gespräch für ein Gruppenfoto. Mit dabei: Die SACSäntis- Westen. Foto: tiz Timo Züst Die Sektion Säntis des Schweizer Alpenclubs SAC feiert heuer sein 150-jähriges Bestehen. Die Idee hinter der Gründung im Jahr 1869 war die Erforschung des Alpsteins. Das ist heute beim SAC kaum mehr Thema. Aber auch heute dreht sich noch alles um den Berg. Die TP hat sich mit drei Teufner SAClern zu einem Gespräch über die Aufgaben des SAC, den Alpentourismus und das sich wandelnde Klima getroffen. SAC steht für Schweizer Alpen-Club. Was genau bietet die SAC Sektion Säntis eigentlich an? Adrian Steiner: Die Aktivitäten des SAC lassen sich in drei Hauptkategorien unterteilen. Zum Einen gibt es die klassischen Bergtouren. Es gibt Wander-, Kletter-, Ski-, Velo- oder Hochtouren. Sie werden für unterschiedliche Alterskategorien bzw. Leistungslevel angeboten. Andererseits organisieren wir auch diverse Kurse für unsere Mitglieder. Und dann gibt es natürlich noch die SAC-Hütten und die Rettungskolonne. Welche Hütten betreibt eure Sektion? Steiner: Die Chammhalden- und die Hundsteinhütte. Wie wichtig sind diese Hütten für eure Finanzen? Steiner: Wir verdienen nicht viel am Hüttenbetrieb. Normalerweise resultiert eine schwarze Null. Wie viele Mitglieder hat eure Sektion? Hanspeter Nef: Heute sind es rund 1500. Vor etwas mehr als 20 Jahren waren es noch 500. Sandra Merayo: Wir haben sicher auch vom Wanderboom profitiert. Nef: Ja, aber früher war es auch nicht so einfach, Mitglied zu werden. Damals musste man zwei sogenannte «Göttis» haben, die eine Empfehlung für die Aufnahme abgaben. Heute kann sich jeder und jede anmelden. Steiner: Stimmt, wir wurden liberaler. Aber man muss auch beachten, dass von diesen 1500 Mitgliedern nur rund 150 wirklich aktiv sind. Und warum bleiben alle anderen dabei? Merayo: Wegen der SAC-Hütten. Wer bei einer Sektion Mitglied ist, profitiert in der ganzen Schweiz von reduzierten Hüttentaxen. Ah, das macht eine Mitgliedschaft natürlich attraktiv. Kürzlich habe ich aber auch gelesen, dass es in einigen SAC-Hütten Probleme mit dem Reservationssystem gibt. Steiner: Das liegt daran, dass man heute keine Reservationsgebühren bezahlen muss. Und falls man nicht auftaucht, muss man auch nichts bezahlen. Mit anderen Worten: Heute reservieren viele einfach gleich in mehreren Hütten und entscheiden sich dann je nach Wetter für eine davon. Das verursacht natürlich Probleme. Deshalb wird das System auch angepasst. Sie sprachen den Wanderboom an. Fühlt sich diese neue Wander-Generation in den Massenschlägen der SAC-Hütten überhaupt noch wohl? Merayo: Es gibt viele Wanderer, die ein Doppelzimmer mit Dusche einem Massenschlag vorziehen. Das fällt insbesondere bei unserer Hundsteinhütte auf. Nef: Ja, sie ist nur rund 20 Minuten von der Bollenwees entfernt. Viele entscheiden sich deshalb, dort zu übernachten. Dort ist die Ausstattung besser und sie müssen nicht noch weiter hochsteigen. Der Wanderboom hat aber auch zur Folge, dass im Alpstein immer mehr Menschen unterwegs sind. Sind es vielleicht schon zu viele? Merayo: Das kann man so nicht sagen. Aber die Planung für Bergsteiger wird nicht einfacher durch die besser gebuchten SAC-Hütten. Warum? Merayo: Ein Bergsteiger plant seine Touren meist sehr kurzfristig, da das Wetter eine entscheidende Rolle spielt. Oft sind dann bereits alle Plätze ausgebucht. Nef: Immerhin: Der Hüttenwart freut sich wahrscheinlich über die Wanderer. Denn wer am nächsten Tag eine harte Tour vor sich hat, wird am Abend kaum eine ganze Flasche Wein trinken (lacht). Wer in den Sommerferien sein Auto für eine Tour in Wasserauen parkieren will, muss auf eine private Wiese ausweichen. Wird es in Zukunft noch mehr Mechanismen für die Steuerung dieser Tourismus-Ströme brauchen? Steiner: Davon bin ich überzeugt. Das sieht man ja auch heute schon. Zum Beispiel an der Schutzzone bei der Schwägalp. Solche Schutzzonen und Verbote wird es in Zukunft immer mehr geben. Das ist einerseits schade, da das Gebirge einer der letzten Orte mit sehr wenig Regeln ist. Andererseits ist es wohl nötig, um diese einzigartige Welt zu schützen. Apropos Schutz: Derzeit werden Unterschriften für die sogenannte Gletscher-Initiative gesammelt. Deren Ziel sind Netto-Null Treibhausgasemissionen bis ins Jahr 2050. Steiner: Genau. Bei dieser Initiative hat sich der Zentralverband des SAC für einmal gegen seinen Grundsatz entschieden, politisch neutral zu sein. Er unterstützt diese Initiative offiziell. Ihr seid viel in den Bergen unterwegs. Spürt ihr die Folgen des Klimawandels? Nef: Definitiv. Über die Jahre habe ich massive Veränderungen beobachtet. Viele der Touren – insbesondere auf Gletschern –, die ich früher selbst absolviert habe, gibt es heute nicht mehr. Merayo: Ich habe ein aktuelles Beispiel. Vor vier Wochen war ich im Gauligebiet. Im Tourenbeschrieb von 2016 hiess es, dass ein 30-Meter-Seil ausreicht. Das Problem: Der Gletscher ist inzwischen so weit geschmolzen, dass er viel tiefer unten lag. Unser Seil war einige Meter zu kurz, wir mussten die letzten Meter nach unten klettern. Der SAC unterstützt die Gletscherinitiative und exponiert sich damit politisch. Müsste er das in Anbetracht der massiven Veränderungen – bereits ist eine Sperrung des Matterhorns im Gespräch – vielleicht noch mehr tun? Steiner: Das ist schwierig zu sagen. Klar ist, dass wir als SAC die Welt nicht verändern können. Unsere Anstrengungen sind nur ein Tropfen auf den heissenmStein. Aber was wir tun können, ist Öffentlichkeitsarbeit leisten und unsere Beobachtungen schildern. Zurück zur Sektion Säntis. Anders als viele andere Vereine leidet ihr nicht unter Mitglieder-Schwund. Woran liegt das? Steiner: Auch bei uns gibt es keine Kampfwahlen um Vorstands-Sitze (lacht). Nef: Die Erfahrung zeigt, dass engagierte Mitglieder nicht in regelmässigen Abständen zum Verein stossen. Sie kommen eher in Wellen. Meist wird eine Gruppe Bekannter oder Freunde gemeinsam Mitglied. Sie motivieren sich dann oft gegenseitig. Aber Bergsteigen ist doch auch ein leidenschaftliches Hobby. Ist es nicht auch ein Vorteil, wenn die Vereinsmitglieder mit Leib und Seele dabei sind? Nef: Wer gemeinsam Bergtouren macht, hat eine andere Verbindung als jemand, der zusammen Fussball spielt. Beim Bergsteigen kann jederzeit etwas passieren. Wer einmal von einem Kameraden vor dem Abrutschen gerettet wurde, hat künftig eine engere Beziehung zu ihm. Das macht unseren Verein speziell. Steiner: Es existiert ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Und das gilt für alle Altersgruppen. Merayo: Das macht den SAC für mich aus. Egal, welcher Anlass, ob eine Hochtour oder ein Kurs: Wir haben immer eine gute Zeit – meist mit Vertreterinnen jeder Generation.

Jubiläums-Anlass

Der SAC Säntis feiert heute sein 150-jähriges Jubiläum auf der Chammhaldenhütte. Tagsüber sorgt das Hüttenteam mit Würsten vom Grill und Salat für das leibliche Wohl. Ab 17.30 Uhr wird das Abendessen serviert. Auch der Urnäscher Schauspieler Philipp Langenegger ist mit von der Partie – er erzählt ab 15 Uhr witzige Anekdoten zur Geschichte des Bergsteigens. Der Anlass ist öffentlich. Eine Anmeldung über das Tourenportal ist nicht zwingend, aber erwünscht. Wer in der Hütte übernachten will, kann sich unter 071 364 24 14 beim Hüttenteam melden.

Die Gesprächspartner

Adrian Steiner
Der 35-jährige Adrian Steiner ist seit fünf Jahren Vorstandsmitglied und präsidiert die SAC-Sektion. Der zweifache Vater ist Firmenkundenberater bei der UBS. Den ersten Kontakt mit dem Bergsteigen hatte er schon als Kind. Später entdeckte er die Leidenschaft mit 23 Jahren erneut. Auf die ersten Geh-Versuchen in der Halle folgten Gletscher-Touren und SAC-Kurse. Nach und nach steigerte sich der Schwierigkeitsgrad der Touren. Fortsetzung auf Seite 11 Anstrengungen sind nur ein Tropfen auf dem heissen Stein. Aber was wir tun können, ist Öffentlichkeitsarbeit leisten und unsere Beobachtungen schildern. Zurück zur Sektion Säntis. Anders als viele andere Vereine leidet ihr nicht unter Mitglieder-Schwund. Woran liegt das Sandra Merayo
Auch die 37-jährige Sandra Merayo (Personalfachfrau bei der GEOINFO AG) ist ins Bergsteigen «reingerutscht». Seit rund 10 Jahren ist sie regelmässig in den Bergen unterwegs. Seit fünf Jahren ist sie Mitglied beim SAC Säntis und seit zwei Jahren bei der Sektion als Vorstandsmitglied und Aktuarin. Hanspeter Nef
Der 79-jährige Hanspeter Nef ist ein Urgestein des SAC Sektion Säntis. Bereits als Kind kam er mit den Bergen in Berührung – sein Vater war Hobby-Berggänger. Allerdings musste er wegen eines Versprechens gegenüber Hanspeter Nefs Mutter auf das Bergsteigen verzichten. Hanspeter Nef ist seit 55 Jahren Mitglied, seine 1500 Ski-, Kletter- und Bergtouren hat er aber erst in mittleren und späteren Jahren gemacht. Dem Verein diente er als Vizepräsident, Tourenleiter und Redaktor der Clubnachrichten. Ans Aufhören denkt er selten.

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