Rosmarie Nüeschs Kampf gegen Windmühlen

05.04.2013 | Erich Gmünder
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Erich Gmünder

Am 26. März erhielt Rosmarie Nüesch-Gautschi den Ausserrhoder Kulturpreis, insbesondere für ihr überregional bekanntes Engagement als Architektin, Denkmalpflegerin, Heimatschützerin und Kennerin der Baumeister Grubenmann. Weniger bekannt ist jedoch ihr Einsatz in Teufen: ein zwar oft aussichtsloser Kampf gegen Wind- und Amtsmühlen, der aber doch viele Spuren im Ortsbild hinterlassen hat.

Vorweg die Niederlagen: Am meisten schmerzt Rosmarie Nüesch heute noch, dass sie den Abbruch der Villa Roth nicht verhindern konnte, welche der neuen Postüberbauung Platz machen musste. Das Wohnhaus der legendären Landammänner und Minister Roth, ein wichtiger Bau des Architekten Felix Wilhelm Kubly, der auch das Gemeindehaus, das Dorfschulhaus und das Zeughaus plante, wurde 1977 dem Erdboden gleichgemacht.

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Die schmerzlichste Niederlage: Die Villa Roth, 1868 erbaut von Felix Wilhelm Kubly – sie musste 1977 der neuen Post weichen. Archivaufnahme

Rosmarie Nüesch erinnert sich noch, wie der Bundesexperte eigens aus Lausanne anreiste und das klassizistische Gebäude zum Abbruch freigab. (Wenige Jahre später sollte sie selber in anderen Kantonen als vom Bundesrat ernannte Expertin über das Schicksal alter Bausubstanz entscheiden.)

Eine zwiespältige Bilanz

Ein kleines Trostpflaster sei für sie damals gewesen, dass sich der Experte immerhin für den Erhalt des Bürgerheims Bächli aussprach, das heute noch als Altersheim dient. Unter «Verluste» bucht sie auch das stattliche Bauern-Fabrikantenhaus Bachmann in der Ebni, die Heimatstil-Villa im Eggli und das Bauernhaus Freund in Niederteufen ab.

Ohnmächtig zusehen musste sie auch, als die kaum 60-jährige Haslenbrücke 1985 abgebrochen wurde. Vergeblich wehrte sie sich an der Seite eines wackeren Aktionskomitees für den Erhalt des Unikums mit seiner S-förmigen Linienführung.

Aber in der Lebensbilanz gibt es auch viel Positives. So war sie mitbeteiligt, dass das heutige Pfarrhaus, ein Bau der Baumeister Grubenmann, nicht dem Erdboden gleich gemacht wurde. Oder dass die ursprünglichen Malereien in der Ratsstube des Gemeindehauses frei gelegt wurden.

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Rosmarie Nüesch vor der Rotbachbrücke, die sie 1971 in letzter Minute den Besitzern abkaufte und damit vor der Feuerwehr rettete. Die Brücke steht nun bei der Oberen Lochmühle. Fotos: Erich Gmünder

Besonders stolz erzählt sie, wie sie die gedeckte Holzbrücke über den Rotbach bei der Göbsi in letzter Minute vor der Feuerwehr retten konnte. Dank breiter finanzieller Unterstützung konnte das Baudenkmal in die obere Lochmühle versetzt werden.

Mit Fachwissen, mit Biss – und mit Charme

Rosmarie Nüeschs Interesse am Teufner Ortsbild begann 1962, als sie, frisch geschieden, mit drei Kindern in eine Wohnung in der Lustmühle zog. 1971 baute die Architektin ihr geräumiges Haus in Niederteufen.

Das Bauen lag ihr quasi in den Genen: Der Vater, ein erfolgreicher Baumeister in St. Margrethen, beschäftigte nicht nur Maurer, sondern betrieb auch eine eigene Zimmerei und Schreinerei, und er war mächtig stolz, dass seine Erstgeborene Gefallen an der Branche fand und an der ETH Architektur studieren wollte.

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Dank dem Heimatschutz wurde auch die alte Steinbrücke beim Schwimmbad saniert.

Rosmarie Nüesch lernte, sich in der Männerdomäne durchzusetzen, und das Praxiswissen, das sie familiär bedingt mitbrachte, sollte ihr später auch bei Diskussionen mit Bauherren oder Handwerkern oft mehr Respekt verschaffen als alle Theorie.

Kurz nach Einführung des Frauenstimmrechts wurde sie für die FDP als eines der ersten beiden weiblichen Mitglieder in den Ausserrhoder Kantonsrat gewählt. Eine Feministin sei sie aber nie gewesen, betont sie, die sich später als Präsidentin des Ausserrhoder Heimatschutzes konsequent «Obmann» nannte.

«Meine Devise war immer: Wir Frauen müssen einfach zeigen, dass wir es auch oder sogar besser können.» Wenn sie anfänglich argwöhnisch beobachtet wurde, parierte sie das mit Freundlichkeit und Charme, blieb aber immer konsequent in der Sache.

Nicht beliebt gemacht

Als alleinerziehende Mutter zeichnete sie Pläne für die Inventarisation der Appenzeller Kunst- und Baudenkmäler. So konnte sie mehrheitlich zu Hause arbeiten. Ihre Kinder mussten oft beim aufwendigen Ausmessen der Objekte helfen. Auf den Autofahrten hätten sie sich manchmal beschwert, wenn die Mutter auf dem Heimweg plötzlich bei einer Baustelle stoppte, um zu schauen, ob alles mit rechten Dingen zu und her gehe.

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Die Obere Lochmühle, mit Unterstützung des Heimatschutzes 1988 – 90 restauriert.

Konsequent habe sie in allen Gemeinden die Baueingaben studiert. «Öpper hät jo echli müese zom Züüg luege», sagt sie heute bescheiden. Sonderlich beliebt machte sie sich damit nicht – auch in Teufen nicht.

Besonders dann nicht, wenn sie herausfand, dass jemand ohne Baubewilligung ein altes Haus renovierte, oder quasi über Nacht einen alten Schindelschirm durch den ihr unsympathischen Eternit ersetzen wollte.

Oftmals habe sie jedoch Bauherren mit einer «kreativen Lösung» überzeugen können, die sowohl ästhetisch befriedigend war wie auch den modernen Wohnanforderungen gerecht wurde. Das sogenannte «Schindelkässeli», ein fixer Zustupf des Kantons an den Heimatschutz, habe ihr dabei oft geholfen.

Auch Details sind wichtig

Wenn Rosmarie Nüesch heute zurückblickt, ist sie mehrheitlich zufrieden. Die wild wuchernde moderne Allerwelts- oder Globalarchitektur, wie sie es nennt, an den Siedlungsrändern konnte sie allerdings nicht verhindern. Doch einige Häuser wie zum Beispiel das ehemalige Café Spörri (mit der aufwendig restaurierten Deckenmalerei) wurden im ursprünglichen Stil renoviert. Bauernhäuser erhielten ihren alten Schindelschirm zurück.

Wichtig war ihr auch die Pflege kleiner Details. So hat sich Rosmarie Nüesch darum gekümmert, dass alte Brunnen renoviert oder Wirtshausschilder restauriert wurden, wie das Beispiel vom ehemaligen «Hecht» zeigt.

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Und quasi als Nebenprodukt ihrer aufwendigen historischen Recherchen kamen die Leserinnen und Leser der Tüüfner Poscht immer wieder in den Genuss zahlreicher Histörchen der nebenamtlichen Redaktorin der ersten Stunde.

«Öpper hät jo echli müese zom Züüg luege» Rosmarie Nüesch

«Das Ortsbild zeigt die Geschichte des Dorfes. Ein intaktes Ortsbild gibt uns das Gefühl von Heimat. Heute darf ich feststellen, dass auch in Teufen das Bewusstsein dafür gewachsen ist. Nur schon dafür hat es sich zu kämpfen gelohnt.»

Mittlerweile hat sich Rosmarie Nüesch sogar mit dem neuen Postgebäude versöhnt.

Rosmarie Nüesch-Gautschi

von 1969 – 1999 im Vorstand des Heimatschutzes AR, von 1970 – 1991 als Obmann; 1973 – 2004 Mitglied der kantonalen Kommission für Denkmalpflege und erste kantonale Denkmalpflegerin; 1985 – 1996 Mitglied der eidg. Kommission für Denkmalpflege

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Der alte Wirtshausschild des Hechtwirts Hans Jakob Grubenmann, Sohn des Baumeisters Jakob Grubenmann, datiert 1784. Er lagerte viele Jahre im Historischen und Völkerkundemuseum St.Gallen und drohte vergessen zu werden. Nun hängt der restaurierte hölzerne Schild als Geschenk des Historischen Museums St.Gallen an einem Ehrenplatz im Grubenmann-Museum. Rosmarie Nüesch, hier mit der Restauratorin Sabina Carraro. Foto: EG
 
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Restaurant Pfauen im Tobel: Vor Jahren wurde der schöne Wirtshausschild vom Heimatschutz restauriert. Die früher bedeutende Anlage mit Mühle, Sägerei und Wirtshaus an der alten Speicherstrasse verlottert und wartet auf Rettung. Archivfoto: Gäbi Lutz

Kanton AR, Kultur, News

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Den Kulturpreis 2013 an Rosmarie Nüesch überreicht

Würdigung des Lebenswerks von «Madame Grubenmann». weiterlesen…

| 26. 03. 2013 | Kanton AR, Kultur, News | Keine Kommentare  | Edit

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