Erich Gmünder
Rolf Brunner berät KMU bei der Nachfolgeplanung – und engagiert sich ehrenamtlich für ein Modell, das Arbeitgebern und Arbeitnehmern ermöglichen soll, ihre Ressourcen besser zu nutzen.
Dass Rolf Brunner sich in der Region St.Gallen so engagiert, ist kein Zufall.
Konvertit
Die Wurzeln gehen auf seine Mutter zurück: Sie wollte, dass er die katholische Kantonssekundarschule besuchte – wohl um das quirlige Element etwas zu mässigen. Der Haken war, dass er im Ursprung evangelisch aufwuchs. Um an die Schule zugelassen zu werden, riet man, sich katholisch umzutaufen. Dies fiel ihm ebenso wenig schwer, wie der wöchentliche Besuch der Schulmesse.
Durch einen Schulkollegen fand er zum Fussball und spielte bald in der höchsten Juniorliga des FC St.Gallen. Nach einem Abstecher zum FC Teufen, als 16-Jähriger gleich in der 1. Mannschaft, kehrte er nach Abschluss der Banklehre nach St.Gallen zurück und spielte beim FC St. Otmar.
Ein weiteres Puzzleteil in seinem weitgespannten Netzwerk: seine Offizierslaufbahn, welche er als Oberstleutnant beendete.
Ein Fingerzeig
Bei der heutigen CS sowie bei zwei anderen Banken, war er schliesslich in verantwortungsvollen Positionen, als er sich einer Operation unterziehen musste. Diese verlief so erfolgreich, dass er heute sagen kann, er sei komplett gesund.
Doch den Rückschlag nahm er als Fingerzeig. Er sattelte um und berät seit drei Jahren als Mitinhaber der Firma Continuum erfolgreich KMU beim Generationenwechsel. «Wenn ein Patron heute seine Nachfolgeregelung angeht, geht es um weit mehr als nur um das Vermögen im finanziellen Sinn», sagt Rolf Brunner. «Vermögen» umfasse die Gesamtheit der Ressourcen, die in einem Unternehmen stecken: Mitarbeitende, die Unternehmerfamilie und schliesslich der Patron und seine persönlichen Themen, wie Loslassen und Planung des dritten Lebensabschnitts.
Bei dem systematischen und strukturierten Ansatz, wie z.B. Einzelinterviews mit Unternehmer, Familienangehörigen und Kadermitarbeitern, wird das Unternehmen durchleuchtet. Dabei ist mitunter auch Psychologie im Spiel.
Alter als Ressource
Ähnlich ist sein Ansatz auch bei seinem neusten Kind, dem erwähnten Projekt mit dem Arbeitstitel «4. Säule». Auf die Thematik stiess er im Schoss der WISG (Wirtschaft Region St. Gallen). Nicht zuletzt die Masseneinwanderungsinitiative hat den Fachkräftemangel beschleunigt. Nun werden die älteren Mitarbeiter als Ressource entdeckt, die es zu pflegen gilt.
Gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung der Kantone SG, AR und TG, der WISG und der FHS St.Gallen wurden Modelle entwickelt, wie Firmen ihre über 50-jährigen Mitarbeiter wieder stärker einbinden können.
«Manche sehnen sich die Pensionierung herbei, erleben diese dann jedoch als Schock.» Hier setzt das Modell der «4. Säule» an: Arbeitnehmer sollen Kapital äufnen, um sich später u.a. Weiterbildungen oder Umschulungen zu leisten, so dass sie, die sich oft schon auf dem Abstellgleis sehen und in die innere Emigration verabschiedet haben, mit neuer Motivation im angestammten oder in neuen Bereichen des Unternehmens tätig sein können. Der Pensionierungsschock soll gedämpft werden durch einen fliessenden Übergang mit Reduktion des Pensums oder Verlängerung über das Pensionsalter hinaus.
Erst vor wenigen Tagen ist der Bundesrat mit einer Initiative in die gleiche Richtung vorgestossen.
Über den Tellerrand hinausschauen
Von seinem Büro im Attikageschoss eines Geschäftshauses hat Rolf Brunner direkte Sicht auf die Teufener Strasse und einen der höchstbelasteten Verkehrsknoten der Stadt. Nicht zuletzt die vielen Staus dort mögen ihn bewogen haben, ebenfalls mit der WISG die Initiative für die Engpassbeseitigung St.Gallen zu starten. Mit der vom Astra zusammen mit der Stadt und dem Kanton St.Gallen vorgelegten Projektstudie hat er auch hier Sukkurs erhalten.
Seine Quirligkeit aus der Jugendzeit hat er sich bewahrt: Über den Tellerrand hinausschauen, proaktiv etwas bewegen, andere motivieren sind seine Antreiber. Als Vizepräsident der WISG hat er Ideen lanciert zugunsten der Wirtschaft in der Region.
Persönlich hat er keinen Pensionierungsschock zu befürchten. Als Selbständiger ist er frei, den Zeitpunkt weitgehend selber zu bestimmen. Doch auch da wird er das Knowhow aus seinem Beruf anzapfen: «Auch mit meiner Familie werde ich bald eine Familienverfassung erstellen.»
Ob sein Sohn, betriebswirtschaftlich ausgebildet und tätig sowie aktuell zusätzlich Wirtschaftspsychologie studierend, dereinst in die Hosen steigt?