











«Herr Weisser, würde die Schule das Kunstblut bezahlen?» Eine eher ungewöhnliche Frage an einen Sekundarlehrer. Trotz Halloween. Innerhalb des aktuellen Panorama-Projekts aber nicht unerwartet. Entsprechend entspannt antwortet Doran Weisser: «Weisst du denn, wieviel es kosten würde? Schau doch kurz mit dem iPad im Internet nach.» Er ist Klassenlehrer (2. Sek) und einer von fünf Mitgliedern einer Pilotgruppe. Nebst ihm sind Riana Räss, Sandra Schulz, Maria Benz und Tibor Németh dabei. Gemeinsam leiten sie den neu geschaffenen überfachlichen Blockunterricht «Panorama». Seit Beginn des aktuellen Schuljahres wird er mit den 56 Lernenden des ersten Sekundarjahrgangs durchgeführt. Das Ganze dauert jeweils drei Lektionen – mit Beginn und Abschluss in der Aula. Die Lancierung geht auf das übergeordnete Projekt der gesamtschulischen Entwicklung zurück.
Ausgearbeitet wurde das Konzept für das Modell Panorama von Urs Seiler und Tibor Németh. Letzterer ist jetzt auch bei Umsetzung und Weiterentwicklung in der Pilotphase dabei, und hat soeben mit einem Schüler dessen Abklärungen zum Thema Kunstblut besprochen. «Wir haben es gefunden. Schauen Sie: 24.50 Franken. Der Versand kostet aber noch 6 Franken», meint der Schüler. Die beiden Lehrer genehmigen den Kauf. Dem Höhepunkt der Horrorgeschichte dieser Sechsergruppe steht damit nichts im Weg. Es ist eine klassische «Rache-Story». Zwei Jugendliche werden von der restlichen Gruppe gemobbt und revanchieren sich für diese Gemeinheiten – mit Morden. Klingt brutal. Entspricht aber eindeutig der offiziellen Auftragsformulierung: «Wir suchen nach originellen, fesselnden und kreativen Gruselgeschichten, die das Publikum in ihren Bann ziehen. Schafft eine Atmosphäre, die in die schaurige Zwischenwelt der Halloweenzeit entführt.»

Ein Projekt, das gut zur Jahreszeit und Halloween passt. Und grundsätzlich lassen die Lehrpersonen der Kreativität der Lernenden auch freien Lauf. «Wir greifen bei der Story eigentlich kaum ein», sagt Sandra Schulz während einer ruhigen Minute. Die Rolle der Lehrpersonen ist jene des Coachs. Sie begleiten und unterstützen den Prozess der Gruppe. Doran Weisser bestätigt. «Ausser bei den Namen der Protagonisten. Da mussten wir ein, zwei Änderungsvorschläge machen.»
Kopflos und verspeist
Der Hauptmann Saufcop. Das ist Timos Rolle für die Horrorgeschichte dieser Gruppe. Gerade wird eine wichtige Szene auf dem Kunstrasen gedreht. Der Kommissar kommt darin aber nicht vor. Hauptdarstellerin ist hier Alicia. Sie spielt eine sehr talentierte «Hobby Horserin». Laut Wikipedia handelt es sich dabei um folgende Aktivität «Das ‘Hobby Horsing’ oder Steckenpferdreiten ist eine Sportart mit Gymnastikelementen, bei der Bewegungsabläufe ähnlich derer beim Springreiten oder Dressur teilweise in Parcours nachgestellt werden, ohne dass echte Pferde zum Einsatz kommen. Stattdessen benutzen die Teilnehmer überwiegend selbstgefertigte Steckenpferde.»
Gerade wird hier ein Werbespot gedreht. Im fertigen Filmchen wird dieser Spot dann auf einer fiktiven Gemeindeversammlung gezeigt. Später nimmt die Handlung – wie könnte es anders sein – eine eher düstere Wendung. Anscheinend sind nicht alle im Dorf Fans der erfolgreichen «Hobby Horserin». Sie wird nämlich tot (und geköpft) aufgefunden. Noch schlimmer: Der Mörder ist der Fleischlieferant der Gemeinde. Man kann sich denken, was das bedeutet. «Ist vielleicht etwas heftig, aber soll ja gruselig sein», meint die Gruppe.
«Ist vielleicht etwas heftig, aber soll ja gruselig sein.»
Die Zusammenarbeit scheint auf jeden Fall bestens zu klappen. Und das gilt nicht nur für die Lernenden draussen auf dem Kunstrasen. Drinnen haben sechs andere Lernende gerade eine Schlüsselszene ihrer Geschichte gedreht. Die Opfer eines maskierten Mörders werden mit Gas betäubt und anschliessend bewusstlos aus dem Zimmer gezogen. Analyse der Aufnahme am iPad: «Richtig gut geworden!», «So lustig, wie du da einfach hinfällst.», «Voll, und war ja eigentlich gar nicht so geplant.»
Die klassenübergreifende Zusammenarbeit ist einer der Hauptziele des «Panorama»-Unterrichts. So steht es auf dem Kurzbeschrieb dieses neuen Blockunterrichts: «Die Schwerpunkte liegen auf folgenden drei Bereichen: Selbstorganisation und Fähigkeit, Arbeiten zu strukturieren und selbstständig zu organisieren; Zusammenarbeit in Gruppen, Kommunikation und Entwicklung von Strategien und eigener (kreativer) Lösungen; Regelmässige Coachinggespräche zur Verfolgung individueller Entwicklungsziele.» Tibor Németh vergleicht die Organisation bzw. die Tools dieses Blockunterrichts mit denen professioneller Projektorganisation: «Die ‘Pano Boards’ sind eine vereinfachte Version davon.» Auf diesen Boards halten die Lernenden mit Post-it-Zetteln ihre Ziele, Pendenzen und Fortschritte fest. So konkret wie möglich. «Das soll auch dabei helfen, dass sie nächste Woche gleich wieder weiterarbeiten können.»
Die Horrorfilme ist das zweite Teilprojekt im Rahmen des Panorama-Unterrichts. Das erste war die Organisation verschiedener Aktivitäten während des Kennenlernlagers vor den Herbstferien. Einige Resultate damals: «Airtag-Fangis», Nachtwanderung oder ein Dessert-Wettbewerb. «Das war ein ziemlicher Erfolg und hat ihnen auch wirklich Spass gemacht. Aber den Horrorfilm finden sie jetzt wirklich super», sagt Doran Weisser.
Gemeinsamer Abschluss





Auch Kürbisse dürfen natürlich nicht fehlen. In diesem Fall müssen sie als Mörder-Maske hinhalten. Auch bei dem Szenario dieser Gruppe geht es um Mobbing. Zwei ehemalige Opfer werden zur Täterinnen und erschiessen ihre Peiniger – getarnt mit kunstvoll geschnitzten Kürbissen. Kurz vor der abschliessenden Versammlung geht die Gruppe noch einmal die heutigen Resultate durch. Alle Lernenden schneiden das Filmmaterial individuell auf einem iPad zusammen – so lernen alle die Software kennen. Am Ende wählt dann das Kollektiv die beste Variante aus.
Auch gegenüber wird gerade das neuste Filmmaterial analysiert. «Sieht eigentlich gut aus. Aber du fällst hier so komisch um. Müssen wir vielleicht nochmal machen.» In diesem Fall geht es um die Entführung eines Prominenten: Justin Bieber. Dieser wird erst angefahren, dann als Geisel genommen und schliesslich von seinen (weiblichen) Bodyguards befreit. «Dabei erschiessen sie mich», sagt der Entführer. Und der Twist? «In der letzten Szene sieht man wie ich die Augen öffne. Also von den Toten auferstehe.»
«Denkt daran, die Daten nicht aus Versehen zu löschen oder an andere weiterzuleiten. Nächste Woche geht es dort weiter, wo ihr heute aufgehört habt.»
Mittlerweile ist es 9:35 Uhr. Höchste Zeit für die Verschiebung in die Aula. Denn während der Hauptteil des Blockunterrichts im «Cluster» bzw. den Klassen- und Gruppenräumen der 1. Sekundarstufe stattfindet, beginnt und endet das «Panorama» immer in der Aula. Hier besprechen die Gruppen ihre Tagesleistung und blicken voraus. «Denkt daran, die Daten nicht aus Versehen zu löschen oder an andere weiterzuleiten. Nächste Woche geht es dort weiter, wo ihr heute aufgehört habt», sagt Doran Weisser in die Runde. Das Projekt Horrorfilm läuft noch bis zum 20. November. Dann ist «Datenabgabe». Anschliessend will die Panorama-Pilotgruppe eine gemeinsame Filmstunde organisieren. Jetzt ist aber Pause. «Aber erst, wenn alle Stühle versorgt sind!»