














Das Baradies füllt sich mehr und mehr. Es werden Getränke und Gerstensuppe serviert. Auch Kuchenstücke warten darauf, zusammen mit einem Kaffee genossen zu werden.
Eva Gossweiler, seit bald 50 Jahren engagiert im Verein PluSport Mittelland, eröffnet den offiziellen Teil und erteilt das Wort an Sandra Graf (Jhg. 1969), die zusammen mit ihren beiden Schwestern in Gais aufgewachsen ist.
Glück trotz Handicap
«Ich hatte eine sehr schöne Kindheit und war schon immer ein Bewegungsmensch und bin es geblieben.» Zusammen mit ihren Schwestern, unterstützt durch die Eltern, nimmt sie früh an Skirennen teil. «Später engagierte ich mich im Turnverein TV Teufen und machte Leichtathletik.» Dort lernt sie auch ihren zukünftigen Ehemann Martin Graf kennen, der eine zentrale Rolle in ihrem Leben einnehmen wird.
Eine der ersten Fragen an den Arzt war: Werde ich eigene Kinder gebären können?
«1991 hatten wir uns knapp ein Jahr gekannt als der Unfall passierte. Nichts Spektakuläres. Ich bin beim Geräteturnen von den Schaukelringen auf den Rücken gefallen. Man hat mich sofort im Spital St. Gallen operiert und bald kam ich ins Schweizer Paraplegiker-Zentrum Nottwil.»
Mehrmals bricht ihre Stimme kurz ein beim Erzählen. «Eine der ersten Fragen an den Arzt war: Werde ich eigene Kinder gebären können? Die Antwort war Ja. Das hat mir sehr viel Mut und Kraft gegeben damals. Zum Glück hatte ich keine Tetraplegie (Hinweis: Lähmung der Beine und Arme).» Bereits während der Rehabilitation beginnt Sandra sich wieder sportlich zu betätigen, belegt einen Monoski-Kurs und fängt an Skirennen zu trainieren. Immer wieder erwähnt sie die Wichtigkeit ihrer Familie, speziell ihres Mannes Martin und der Eltern, Schwiegereltern und von Freunden.
Etwa dreieinhalb Jahre nach ihrem Unfall nimmt sie bereits an den Paralympischen Winterspielen 1994 in Lillehammer teil und beendet im Riesenslalom das Rennen als Vierte. «Im gleichen Jahr kommt unsere Tochter Melanie zur Welt und wir können unser Haus in Gais bauen. Die Eltern und Schwiegereltern wohnen ganz nah. Das alles half enorm.»
Für uns Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer ist es wichtig, dass wir uns möglichst selbständig im Alltag und auch auf Reisen bewegen können und da hilft eine gute körperliche Fitness enorm.
Neben ihrer neuen Rolle als Mutter ist der Sport weiterhin fester Bestandteil ihres Lebens. Weil Sommerdisziplinen einfacher zu trainieren sind, beginnt Sandra Graf kurz nach der Reha auch mit dem Rennrollstuhlfahren und nimmt an Bahnrennen und Marathons teil. «In all den Jahren habe ich an mehr als hundert Marathons teilgenommen.»
1997 kommt Tochter Mara zur Welt und Mutter Sandra richtet ihren Fokus auf die Sommerspiele 2000 in Sydney. Später kommt das Handbike hinzu mit dem sie trainiert und ebenfalls Rennen fährt. Auch mit der Familie kann sie gemeinsame Veloausflüge machen. Wie viele Medaillen sie insgesamt gewonnen hat, weiss sie nicht genau, doch es sind dutzende. Neben Hochs gibt es immer wieder auch Tiefs, Enttäuschungen und Rückschläge, doch die «Appenzeller Kämpferin» bleibt dran und macht weiter. Sie nimmt an weiteren Paralympischen Spielen in Athen, Peking, London, Rio und 2021 in Tokyo teil. In diesem Jahr tritt sie dann offiziell vom Spitzensport zurück, gibt aber weiterhin ihre langjährigen Erfahrungen an junge Athletinnen und Athleten weiter, auch im Rahmen des Paraplegiker-Zentrums in Nottwil.
In der Diskussion erzählt sie von den hohen Kosten für die Sportgeräte und davon, dass sie der Sport sowohl körperlich als auch mental stärker gemacht hat. «Für uns Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer ist es wichtig, dass wir uns möglichst selbständig im Alltag und auch auf Reisen bewegen können und da hilft eine gute körperliche Fitness enorm. Und es macht auch Spass, sich fit zu fühlen und in Bewegung zu sein.»
PluSport: Me bruched di!
Gemeinsam bewegen, trainieren, fit bleiben und Spass haben, ist das Motto des Vereins Plusport, Behindertensport Appenzell, Sektion Mittelland: https://www.plusport-mittelland.ch/.
Diese Sektion wurde vor mehr als 50 Jahren von Peter Eggenberger in Teufen gegründet.
Angeboten wird Turnen am Dienstag und am Donnerstag in der Turnhalle Niederteufen sowie Schwimmen am Montag und am Freitag im Hallenbad Appenzell. Eva Gossweiler bringt es auf den Punkt: «Seit 25 Jahren reden wir nicht von Inklusion, wir praktizieren es». Organisiert durch den Schwimmclub Gais finden jährlich gemeinsame Schwimmanlässe, bei denen es gar einen Nichtschwimmer-Parcours gibt und alle können Medaillen gewinnen. Dies berichtet Andrea, welche bereits seit 24 Jahren mit viel Begeisterung daran teilnimmt und ihre beiden kürzlich gewonnen Medaillen mit Stolz um den Hals trägt.
Gesucht:
Wer sich als Helfer/in, Assistent/in oder gar Leiter/in engagieren möchte, ist sehr herzlich willkommen. Daniela Preisig (Technische Leitung), 071 351 20 35 / daniela.preisig@plusport-mittelland.ch erteilt sehr gerne Auskunft.