Timo Züst
Ob die gesammelten Pilze auch wirklich geniessbar sind? Wer sich diese Frage stellt, kann seine «Beute» bei der Amtlichen Pilzkontrollstelle von Manuel Mettler prüfen lassen. Gestern Abend war er heuer zum letzten Mal im Einsatz. Die TP war dabei.
Herr Mettler, wie war die Pilzsaison 2019?
Es war ein super Pilz-Jahr. Insbesondere für Steinpilze und Eierschwämmli. Von Beginn der Saison Anfang August bis jetzt gab es nie allzu langanhaltende Trockenperioden. Das ist ideal für das Wachstum der Pilze.
Wie viele Kontrollen haben Sie durchgeführt?
An die 100. Das ist ähnlich viel wie im Vorjahr. Damals war es zwar trockener – es gab im zweiten Teil der Saison aber eine richtige Champignons-Schwemme.
Ihre Aufgabe ist es, ungeniessbare oder giftige Pilze auszusortieren. Wie oft finden Sie so einen?
Ich schätze bei jeder zweiten Kontrolle. Meist sind es aber ungeniessbare und nicht zwingend giftige Pilze. Es kommt auch häufig vor, dass die Sammler einen bereits toten, also vergammelten Pilz mitbringen. Dann muss ich ihnen leider sagen, dass er nicht mehr geniessbar ist.
Hatten Sie auch ein richtig giftiges Exemplar?
Der gefährlichste war in diesem Jahr der Kahle Krempling. Er kann zu Blutgerinnungsstörungen führen.
Welche bei uns heimischen Pilze bergen die grösste Verwechslungsgefahr?
Zum Beispiel das Stockschwämmli. Das ist ein beliebter Speisepilz. Er sieht allerdings mehreren giftigen Pilzen sehr ähnlich. Zum Beispiel dem Gift-Häubling oder dem Grünblättrigen Schwefelkopf. Sie alle wachsen auf dem gleichen Holz, haben in ungefähr die gleiche Farbe und wachsen in Büscheln.
Sogar in Ihrem Buch sehen sich diese Pilze zum Verwechseln ähnlich. Sind Sie bei den Kontrollen nie unsicher?
Das kommt manchmal vor. Pilze treten in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen auf. Sie ganz klar zuzuordnen, kann je nach Wachstumsstadium der Pilze schwierig sein. Als Kontrolleur suche ich deshalb immer nach fünf bis sechs Identifikationsmerkmalen. Und falls ich nicht 100-prozentig sicher bin, gebe ich den Pilz nicht frei.
Gibt es auch Pilze, die man auf eine besondere Art zubereiten sollte?
Einige. Zum Beispiel der Perlpilz. Gekocht ist er einer der besten Speisepilze. Ungekocht ist er stark giftig. Das und andere Hinweise zur Zubereitung gebe ich den Sammlern natürlich auch.
Die Sammler werden mit allem Möglichen zu Ihnen kommen. Wie viele Pilzarten gibt es eigentlich?
In der Schweiz sind es zwischen 5000 und 10’000 Arten.
Wow. Und wie viele davon sind essbar?
Wohl rund ein Drittel. Aber unter diesen Arten sind natürlich auf viele sehr unscheinbare Pilze, die es sich kaum lohnt zu sammeln.
Und wie viele kennen Sie?
Vor meiner Ausbildung zum Pilzkontrolleur der Schweizerische Vereinigung Amtlicher Pilzkontrollorgane (VAPKO) kannte ich so an die 20 Wildpilze. Die gängigsten, die man beim Sammeln antrifft. Heute sind es etwas 240. Im Verhältnis zu den existierenden Arten also immer noch wenig (lacht).
Ich nehme an, Sie sind mit dem Pilzen aufgewachsen?
Ja, ich bin schon als Kind mit meinen Eltern mit. Später im Studium war ich oft mit einem Freund unterwegs.
Heute arbeiten Sie beim kantonalen Amt für Umwelt und sind für den Gewässerschutz zuständig. Sie hatten aber auch einmal beruflich mit Pilzen zu tun, oder?
Nach dem Studium habe ich im Zürcher Oberland für eine Pilzzucht gearbeitet. Dort haben wir Shiitake, Kräuterseitlinge oder Austernseitling auf einem künstlichen Substrat gezogen.
Auf einem künstlichen Substrat?
Eine spezielle Mischung aus Segmehl und anderen Komponenten, die man auf rund 121 Grad erhitzen muss. Danach kommt alles in eine sterile Umgebung. Nur so wachsen die Pilze. Aber nicht alle Pilze eigenen sich zur Zucht.
Warum?
Für die Zucht benötigt man sogenannte Saprobionten. Das sind Pilze, die sich von totem, organischem Material ernähren und deshalb viel einfacher zu kultivieren sind. Die sogenannten Symbionten die in einer Gemeinschaft mit einem lebenden Organismus leben – einem Baum zum Beispiel, sind viel schwieriger zu kultivieren.
Deshalb sind Steinpilze im Laden wohl auch teurer.
Wildgesammelte Pilze sind im Verkauf grundsätzlich teurer, ja. Allerdings stammen sie fast ausschliesslich aus osteuropäischen Ländern. Dort sind die Lohnkosten so niedrig, dass die Preise verhältnismässig immer noch tief sind. Frische Zuchtpilze stammen aber fast immer aus der Schweiz. Das macht Sinn, da sie schnell verderben.
Und warum haben Sie sich dann zur Ausbildung als Pilzkontrolleur entschieden?
Ich wollte noch mehr über die wilden Pilze erfahren. Jetzt kenne ich beide Seiten gut: die Zucht und die Wildpilze. Privat biete ich mittlerweile auch Pilzkurse an (www.pilzkurse.ch).
Noch eine «Sensations-Frage»: Welches sind die giftigsten Pilze, die bei uns vorkommen?
Zum Beispiel der Knollenblätterpilz. Er ähnelt dem Champignon und führt unbehandelt nach rund zwei Tagen zu einem tödlichen Organversagen – Übrigens: Während wir diesem Pilz hier auch «Schwiegermutter-Pilz» sagen, trägt diesen Spitznamen im Welschland der Spitzgebuckelte Raukopf. Auch er ist tödlich. Aber bei ihm dauert es noch länger.
Werden Sie nächstes Jahr wieder hier anzutreffen sein?
Ja, ich werde auch im kommenden Jahr gerne wieder Kontrollen anbieten. Ich bin der Meinung, dass solche Pilzkontrollstellen wichtig sind. Denn während das Pilz-Sammeln immer beliebter wird, gibt es immer weniger Kontrollstellen. Das ist nicht ungefährlich. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, wie schnell man einen Pilz verwechseln kann.