Ortsbild-Entwicklung: Gratwanderung zwischen Wildwuchs und Ordnung

08.12.2016 | TPoscht online
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Christian Wagner. Fotos: zVg.

Hanspeter Spörri

Das Grubenmann-Museum will eine «Brücke zur Baukultur» sein, ein Ort der Reflexion über die Siedlungsentwicklung. Dazu passte der Vortrag des Churer Architektur-Professors Christian Wagner vor der Gönner-Vereinigung «Freunde des Grubenmann-Museums».

Christian Wagner kennt das Appenzellerland bestens, hat er doch eben erst für Rehetobel ein „Baumemorandum“ entwickelt, eine Beschreibung der Eigenheiten und der Struktur des Dorfes, die auch bei der baulichen Weiterentwicklung beachtet werden soll.

Wildwuchs …

Christian Wagner projizierte zunächst Bilder von eindeutig erkennbaren Siedlungen: Das Publikum wusste sofort: Skandinavien, Griechenland, Holland oder Italien. Dann folgte eine Reihe von Aufnahmen aus dem Appenzellerland – aber keine Postkartenmotive, sondern das für die moderne Schweiz typische Durcheinander zeitgenössischer Bauten. Hier fehlt alles Typische und Wiedererkennbare.

… versus Ordnung

Die meisten Architekten arbeiteten «innenräumlich», sagte Wagner. Aber Gebäude definierten auch den Aussenraum und beträfen somit auch die Gemeinschaft. Bauen sei deshalb nicht einfach eine Privatsache. Anhand historischer Beispiele zeigte er, wie durch Bauten Plätze definiert werden, wie also öffentliche Räume entstehen, welche in der Lage sind, Menschen anzuziehen. Menschen sammeln sich an Orten, die eine gewisse Geborgenheit vermitteln. Sie werden durch «Superzeichen» geleitet, durch klar erkennbare architektonische Elemente. Im Idealfall muss beispielsweise der Eingang nicht beschriftet sein, weil aus der Form klar ersichtlich ist, wo er sich befindet.

Am Beispiel des Landsgemeindeplatzes von Hundwil zeigte er, dass dieser einst als «Ziel» definiert war. Die heutige Durchgangsstrasse zerstöre diese Wirkung jedoch, weil sie nicht mehr zum Platz hin, sondern durch diesen hindurch führe.

Ist Bauen nur Geschmackssache?

Wagner, der häufig als Bauberater tätig ist, weiss, dass die Geschmäcker verschieden sind und über Bauen endlos und oft unergiebig gestritten wird. Allerdings lasse sich sehr wohl feststellen, warum etwas als schön oder eben als hässlich empfunden werde: Zu viel Durcheinander – wie oft in modernen Siedlungen – stosse auf Ablehnung. Ebenso eine allzu starre Ordnung. Ästhetik entstehe aus einer ausgewogenen Kombination von Ordnung und Komplexität, von Wiedererkennbarkeit und Spannung. Das demonstrierte er mit der Aufnahme einer Dachlandschaft der Stadt Bern: Gleiche Dachneigung, gleiche Ziegelfarbe, zugleich eine Vielfalt an Kaminen.

Komplexität entstehe durch Individualismus, Ordnung aber kann nur das Kollektiv generieren. Die Globalisierung habe zu einer grossen Vielfalt an Materialien und Formen geführt. Das Typische, Wiedererkennbare der Dörfer, Städte und Landschaften drohe dadurch zu verschwinden. Mit Baugesetzen alleine könne kaum Gegensteuer gegeben werden.

Gemeinsame Ziele und Visionen entwickeln

Ein möglicher Weg sei es, die bestehende Siedlungsstruktur zunächst zu beschreiben. Für Rehetobel typisch seien beispielsweise lange Zeilen ähnlicher Häuser mit gleicher Ausrichtung. Das alles halte man im Baumemorandum fest – und zeige auch auf, wie die Siedlungsstruktur erweitert und weiterentwickelt werden könne. Ein solches Papier sei kein Gesetz, aber es erlange mit der Zeit eine ähnliche Wirkung.

Gebaut werde in der Regel nicht mit böser Absicht, nicht mit dem Ziel, eine bestehende Ordnung zu zerstören. Wenn dies doch geschehe, sei der Grund oft nur die Hilflosigkeit von Bewilligungsbehörden und Bauherrschaft. Man halte sich zwar an die Baugesetze, diese seien aber nicht in der Lage, den Besonderheiten einzelner Quartiere Rechnung zu tragen. Nötig sei für die bauliche Weiterentwicklung eine gemeinsame Vorstellung, ein Ziel, eine Vision.

Das Typische des eigenen Ortes erkennen

«Wer Zukunft will, braucht Herkunft», zitierte Christian Wagner aus dem Vortrag von Ludwig Hasler vor den «Freunden des Grubenmann-Museums». Es gehe also darum, zu erkennen, was das Typische, Besondere, Wesentliche des eigenen Ortes sei. Und nein, das richte sich nicht gegen die Zukunft. Er halte deshalb auch den Begriff «Ortsbildschutzzone» nicht für besonders hilfreich, empfehle eine positivere Wortwahl im Stile von Ortsbild-Entwicklungszone. «Wesentlich ist, dass man bestehende Ordnungsprinzipien in Siedlungen nicht leichtfertig opfert.

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Der Anlass wurde von Töbi Tobler am Hackbrett musikalisch gestaltet.

grubenmann-freunde-apero-neu-3Beim anschliessenden Apéro wurden die Gedanken vertieft.

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