

Reto Fuster braucht kein Medientraining. Er sagt einfach, was er denkt. Auch bei heiklen Fragen wie: Welche Bratwurst magst du lieber, Schmid oder Breitenmoser? Seine Antwort: «Für mich persönlich ist es ‘unsere’. Aber ich finde es eben genau schön, dass es diese traditionellen Rezepte gibt. Und dass man die Unterschiede schmeckt.» Eine direkte Antwort, die offenbart: So «heikel» ist das Thema Olma-Bratwurst eben doch nicht. Es hätte sowieso erstaunt, wenn Produktionsleiter Reto Fuster die Rezeptur aus St. Gallen bevorzugen würde. Er arbeitet schliesslich seit 20 Jahren bei der Breitenmoser Appenzeller Fleischspezialitäten AG in Steinegg. Und das Wursten gehört hier zum Tagesgeschäft: Siedwurst, Bratwurst, Schüblig und, und, und. Alles nach hauseigenen Rezepten.
Im April 2023 wurde das Breitenmoser-Produktionssortiment um eine St. Galler Prominenz reicher: die Bratwurst der Metzgerei Schmid. Auch bekannt als Kinderfest- oder Olma-Bratwurst. Während eine klassische St. Galler Bratwurst gemäss IGP-Pflichtenheft zwischen 80 und 300 Gramm auf die Waage bringt, wiegt die Olma-Bratwurst 160 Gramm. Die Schwerste im «Bratwurst-Bunde» ist die Kinderfest-Variante mit 220 Gramm. Die Rezeptur der St. Galler Bratwurst ist zudem streng vorgegeben. Die Wurst ist durch das IGP-Label geschützt und darf nur mit Zutaten aus der Schweiz oder Lichtenstein hergestellt werden. So soll auch sichergestellt werden, dass sich für die Konsumenten durch einen Wechsel des Produktionsorts nichts ändert. «Negative Rückmeldungen haben wir keine bekommen. Und das ist ja schon die zweite Olma, während der wir für ‘Schmid’ produzieren dürfen», sagt die Teufner Geschäftsführerin Barbara Ehrbar-Sutter. Sie stellt auch gleich klar: Die Übernahme der Metzgerei Schmid AG durch «Breitenmoser» sei bislang nie ein Thema gewesen. «Beide Metzgereien bleiben selbständig.» Nur fährt nun eben während der Olma jeden Tag um 6 Uhr ein Kleintransporter mit rund 6000 Bratwürsten von Steinegg zum Olma-Gelände. Geliefert wird direkt an den Stand. Davor muss aber «geblitzt», «gestossen» und «gekocht» werden.
Hauptbestandteil: Kalb












«Die Temperatur behalte ich immer im Blick.» Silvio Hinrich muss fast schreien. Der Blitz ist laut. Seine Messer schneiden bis zu 4600 Mal pro Minute durch halbgefrorenes Kalbfleisch. Das macht Lärm. Momentan zeigt der gut sichtbare Bildschirm –2.1 Grad an. «Das Schneiden generiert Wärme. Und die kühle Milch ist auch deutlich über Null Grad.» Um die Temperatur trotzdem im gewünschten Rahmen zu halten, schüttet der Metzger Eis hinzu. Aber nicht zu viel. «Die Mischung muss genau richtig sein, damit der Geschmack nicht verlorengeht.» Hauptbestandteile bei der Schmid-Bratwurst sind Kalbfleisch, Speck und Milch. Dazu kommen Salz und Gewürze. Die nötige Temperatur-Balance stellt Silvio Hinrich auch mit passenden Anteilen an gefrorenem und gekühltem Fleisch sicher. Wenn das «Brät», so heisst die Wurstmasse, den Blitz schliesslich verlässt, hat es genau 16 Grad und die perfekte Konsistenz für den nächsten Schritt: das Stossen. Aber eine letzte Frage hat der Journalist noch: Was ist denn nun in dieser Gewürzmischung? «Tja, das wüsste ich auch gern. Steht nicht einmal auf der Packung.»
Unbeständiger Schweinedarm




Am Wursttisch wird im Akkordtempo gearbeitet. Armin Inauens Hände fliegen über den Schweinedarm. Diesen fischt er sich aus einem mit Wasser gefüllten Kübel vor ihm, stülpt ihn über das Ausgangsrohr der Wurstmaschine und betätigt mit seinem Oberschenkel einen grossen Hebel unter dem Tisch. «Sobald ich hier ‘drücke’, kommen 24 Portionen à 160 Gramm aus der Maschine. Wie viele Würste in einem Darm Platz haben, ist je nach Darmlänge unterschiedlich. «Das ist halt Natur.» Es kann auch Mal vorkommen, dass der Darm reisst. «Das ist eben auch Natur: Die Qualität ist nicht immer gleich.»
Das Organisieren der Zutaten gehört zu den Aufgaben von Produktionsleiter Reto Fuster. Bei der Olma-Bratwurst stammt das Rohmaterial ausschliesslich aus der Ostschweiz: «Die Milch ist vom ‘Forster’ in Herisau, das Kalbfleisch von der ‘Larina‘ (Anm. Fleischveredler) nebenan und der Speck von der Ernst Sutter AG aus Gossau.» Nur die Schweinedärme kommen aus dem Ausland. «Früher fast ausschliesslich aus China. Heute beziehen wir sie aber immer öfter in Europa.» Die Qualität dieser Zutaten – und natürlich die Würzung – bestimmen den Geschmack. Inzwischen haben Armin Inauen und seine Kollegen 1000 Würste gestossen und reihenweise in einen grossen Wagen gehängt. Dessen nächste Station: die Kochanlage.
40 Minuten im Dampf

«Du musst schnell fotografieren. Nachher kann ich die Kammer nicht mehr öffnen. Sonst verbrenne ich mir das Gesicht.» Zwei vollbestückte Wagen, 2000 Würste insgesamt, passen in die begehbare Kochanlage. Hier werden die Bratwürste für 40 Minuten gekocht und dann mit kaltem Wasser abgeschreckt. Danach sind sie bereit fürs Verladen und den Grill-Stand. Während der Olma produzieren Reto Fuster und sein Team pro Tag über 5000 Olma-Bratwürste – nebst allen anderen Wurst- und Fleischwaren. Insgesamt sind es, je nach Besucherandrang, bis zu 60’000 Bratwürste, die an die Schmid-Stände ausgeliefert werden. «Das ist ungefähr das Fünffache unserer ‘normalen’ Tagesproduktion während der Nebensaison», sagt Reto Fuster. Der Zusatzaufwand sei massiv, aber bewältigbar. Sogar ein Team-Besuch der Olma liegt drin: «Wir gehen normalerweise am zweiten Freitag. Und eine Bratwurst gehört dann natürlich auch dazu.»
Und hier werden sie gegrillt


