Die IG Tüüfner Engpass bekämpft die Ungültigkeitserklärung ihrer Initiative auf dem Rechtsweg. Foto: tiz
Die Diskussion rund um die Ortsdurchfahrt (ODT) steht auch während der Corona-Krise nicht still. Seit die Initiative der IG Tüüfner Engpass für ungültig erklärt wurde, äusserten sich sowohl die Initianten als auch die Gemeinde im Interview. Heute hat die IG nun einen offenen Brief verschickt.
Die Massnahmen zur Verlangsamung des Coronavirus erschweren auch die Kommunikation innerhalb der IG Tüüfner Engpass. «In den vergangenen Wochen haben sich die Ereignisse überschlagen. Wir mussten handlungsfähig bleiben, konnten aber keine normalen Vorstandssitzungen abhalten», erzählt Sprecher Felix Gmünder. Die IG musste sich in kurzer Zeit überlegen, wie weiter vorzugehen sei, als die Gemeinde deren Initiative Ende März für ungültig erklärt hatte. Das liessen die Initianten nicht auf sich sitzen – sie reichten Beschwerde mit Rekurs beim Regierungsrat ein. «Dafür mussten wir uns aber erst einmal beraten lassen. Denn eine formale Ungültigkeitserklärung der Gemeinde lag uns gar nicht vor.» Mittlerweile befindet sich die Beschwerde beim Regierungsrat. Wie lange das Prüfungsverfahren dauern wird, kann dieser heute noch nicht abschätzen (siehe Text unten). Für die IG ist die Arbeit damit aber noch nicht getan. Denn genau so wichtig wie das Ergreifen von Rechtsmitteln ist für sie die öffentliche Kommunikation. Diesbezüglich machte sie heute den nächsten Schritt: Sie wandte sich mit einem offenen Brief an die Gemeinde. Er ist eine Antwort auf ein Interview, das Gemeindepräsident Reto Altherr vor Ostern der TP gegeben hatte. «Darin wurden falsche Aussagen und Vorwürfe gemacht, die wir so nicht stehen lassen können», sagt Felix Gmünder.
Harte Fronten
Es ist eine Frage, die die Gemeinde, die IG und ganz Teufen beschäftigt: Wie soll mit der Fülle an Detailfragen rund um die ODT umgegangen werden? Wie kann man sich auf einen Schlussstrich zubewegen? «Stand heute haben wir darauf leider auch keine Parade-Antwort parat. Wir hoffen einfach, dass die Gemeinde auf unser Angebot eingeht», so Gmünder. Dieses Angebot macht die IG in ihrem offenen Brief an den Gemeinderat. «Wir laden Sie ein, die Verhandlungen über die Umsetzung des in der Initiative für eine Abstimmung über die Doppelspur im Dorfkern geäusserten Wunsches eines beachtlichen Teils der Bevölkerung wieder aufzunehmen und gemeinsam mit uns aufrichtig nach einer fairen und konstruktiven Lösung zu suchen.» Ob der Gemeinderat darauf eingehen wird, ist allerdings fraglich. Denn die Fronten sind nach wie vor verhärtet. Werden die Verhandlungen nicht wieder aufgenommen, bleibt für die IG für den Moment alles beim Alten: Sie wird alle verfügbaren Rechtsmittel nutzen, um einerseits die Ungültigkeitserklärung der Initiative anzufechten und andererseits die Umsetzung der Doppelspur zu bekämpfen. «Uns bleibt gar keine andere Wahl.»
Die Details
Zwar schreibt die IG in ihrem Brief, dass «Detailstreitigkeiten letztlich zu nichts führen». Trotzdem nimmt sie darin zu einigen Diskussionspunkten der vergangenen Wochen konkret Stellung. Das betrifft einerseits den Verhandlungsabbruch. Die IG stellt sich erneut auf den Standpunkt, dass dieser einseitig durch die Gemeinde ausgelöst wurde. Auch die auf Forderung der IG erfolgte Offenlegung der Projektvereinbarung zwischen Gemeinde, Appenzeller Bahnen und Kanton wird angesprochen. «Einerseits finden wir es natürlich schade, dass es für die Veröffentlichung so viel Druck gebraucht hat. Andererseits stimmt der Inhalt der Vereinbarung zuversichtlich. Darin wird klar gesagt, dass der Gemeinde ein gewichtiges Mitspracherecht zukommt», so Felix Gmünder. Und der letzte Punkt erinnert an die bekannte Ricola-Werbung: Wer hat’s erfunden? Beide Seiten reklamieren die Idee, die geplante Abstimmung über den Projektierungskredit für den Tunnel mit einer Konsultativabstimmung über die Doppelspur zu koppeln, für sich. «Eigentlich gibt es da keine zwei Meinungen. Der Vorschlag kam eindeutig von uns», so Gmünder. Das Fazit der IG: Die Gemeinde agiere in dieser langjährigen Diskussion nicht als ein übergeordnetes Organ, sondern als klare Partei für die Doppelspur. «Das ist nicht zielführend.» tiz
Der offene Brief
Sehr geehrter Herr Gemeindepräsident, sehr geehrte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte
Die IG Tüüfner Engpass wurde von engagierten Teufnern gegründet, die sich konstruktiv für eine gute Zukunft unseres Dorfes einsetzen wollen. Deshalb ist uns nicht daran gelegen, uns in Detailstreitigkeiten zu verlieren, die letztlich zu nichts führen. Im Gegenteil: Die IG Tüüfner Engpass bietet nach wie vor Hand für eine gute Lösung, um den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern basierend auf objektiven Fakten eine faire Meinungsbildung zur geplanten Doppelspur zu ermöglichen.
Gestatten Sie aber, dass wir auf einige Ihrer Aussagen im Interview mit der «Tüüfner Poscht» vom 11. April 2020 zurückkommen.
Auch wenn Sie, Herr Altherr, der entsprechenden Frage des Redaktors ausweichen, bleibt es dabei: Nach einer Sitzung am 27. Februar, an der sich beide Seiten gemeinsam grosse Schritte in Richtung einer für die Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern vernünftigen Lösung bewegt haben, hat der Gemeinderat den Dialog einseitig abgebrochen. Völlig überraschend für uns hat der Gemeinderat die Initiative, die eine Abstimmung über die Doppelspur der Appenzeller Bahnen im Dorfkern von Teufen verlangt, kurzerhand für ungültig erklärt. Damit hat der Gemeinderat auch dem legitimen demokratischen Begehren von 799 Teufnerinnen und Teufnern die kalte Schulter gezeigt, wie er sich auch um die von 2111 Personen unterzeichnete Petition «Marschhalt Ortsdurchfahrt Teufen» foutiert.
Dass der Gemeinderat das Anliegen breiter Bevölkerungskreise nicht wirklich ernst nimmt, zeigt sich auch in der formal schlampigen Art dieser Ungültigkeitserklärung. Statt den Initianten einen korrekten, rechtsgültigen Entscheid samt einer Rechtsmittelbelehrung zuzustellen, wurde ihnen das Verdikt mit einer Medienmitteilung zur Kenntnis gebracht. Durch dieses Vorgehen zwingt der Gemeinderat die Initianten, Einsprache gegen die Ungültigkeitserklärung zu erheben – eine andere Wahl bleibt der IG Tüüfner Engpass gar nicht.
Dieser letzte unfreundliche Akt reiht sich ein in eine nun über zehn Jahre dauernde Geschichte, in der sich der Gemeinderat stets als Partei und nicht als übergeordnete Behörde verhält. Das dokumentiert sich nicht zuletzt in auffällig beschönigten Darstellungen einer Eisenbahn-Doppelspur durch den historischen Dorfkern – so werden in Visualisierungen stets idyllische Ansichten ohne Verkehr gezeigt und umfangreiche Bahn-Installationen wie etwa Oberleitungen höchstens mit wenigen Drähtchen angedeutet.
Wenn der Gemeinderat konsequent auf die Variante Doppelspur durch den Dorfkern hinarbeitet und gleichzeitig behauptet, er habe gar keinen Einfluss auf diese Entwicklung, dann führt er die Bevölkerung an der Nase herum.
Tatsache ist: In der Projektvereinbarung zwischen Kanton Appenzell Ausserrhoden, Appenzeller Bahnen und Gemeinde Teufen über die Planung und Realisierung der Ortsdurchfahrt Teufen, die auf Druck der IG Tüüfner Engpass nun endlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, ist das Mitspracherecht der Gemeinde klar festgehalten. Während Kanton und AB je zwei Personen in die Projektoberleitung delegieren, stehen der Gemeinde drei Sitze zu. Mehr noch: es wird ausdrücklich festgehalten, dass Entscheide im Konsens gefällt werden sollen.
Es ist also explizit nicht so, dass der Kanton und die Appenzeller Bahnen quasi als «höhere Mächte» der Gemeinde gegen ihren Willen ein Projekt aufzwingen können. Es ist vielmehr so, dass der jetzige Gemeinderat von sich aus nur diese eine Lösung favorisiert und alle anderen Varianten mehr oder weniger subtil abwürgen will.
Wohl aus diesem Grund liess der Gemeinderat die Verhandlungen mit der IG Tüüfner Engpass einseitig platzen, als sich ein gangbarer Kompromiss abzeichnete. Dass der Gemeinderat im Nachhinein die nachweislich von der IG eingebrachte Idee einer Konsultativabstimmung über die Ortsdurchfahrt für sich reklamiert, soll wohl nach aussen suggerieren, dass die Gemeinde sich tatsächlich um ein einvernehmliches Ergebnis der Verhandlungen bemüht habe. Die unmittelbar nach der Verhandlungsrunde beschlossene Versenkung der Initiative spricht eine andere Sprache.
Sehr geehrter Herr Gemeindepräsident, sehr geehrte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte
Die IG Tüüfner Engpass möchte sich für die Zukunft von Teufen als lebenswertem Dorf einsetzen und nicht Energie in langwierige Rechtshändel investieren. In diesem Sinne laden wir Sie ein, die Verhandlungen über die Umsetzung des in der Initiative für eine Abstimmung über die Doppelspur im Dorfkern geäusserten Wunsches eines beachtlichen Teils der Bevölkerung wieder aufzunehmen und gemeinsam mit uns aufrichtig nach einer fairen und konstruktiven Lösung zu suchen.
Freundliche Grüsse
Der Vorstand IG Tüüfner Engpass