Sepp Zurmühle
Martin Benz zeigt sein Werk in der Bibliothek und gibt Einblick in sein Schaffen als Fotograf und Künstler. Nebst der Technik des Fotografierens beschäftigen ihn gesellschaftspolitische und soziale Fragestellungen, zu denen er gerne mit eigenen Bildern Stellung bezieht.
Durch Fotografie lässt sich z.B. eine optische Verflachung und Weitung von ansonsten bergigen Horizonten erreichen. Martin Benz zeigt einen Digitaldruck des Fotos in der Hand und die entstandene Lithographie daraus.
Bevor das Bild enthüllt wird, befragt Roland Stieger, Vorstandsmitglied der Lesegesellschaft, den Künstler vor gut geschlossenen Reihen.
Martin Benz zeigt die Funktionsweise einer Loch- oder Schlitzkamera, welche das Licht durch eine kleine Öffnung auf ein Fotopapier dringen lässt und dabei erstaunliche Aufzeichnungen machen kann (siehe Fotografieren heisst „Zeichnen mit Licht“ in der Dezemberausgabe 10/2015 der TP).
Auf die Frage, wie er eine Lochkamera auf ein bestimmtes Motiv richte, ergreift Martin Benz ein Buch und zeigt, wie er seine „Holzkisten mit Loch“ nach Augenmass auf ein Objekt ausrichtet. Dabei sind Erfahrung und Augenmass gefragt.
Eine Loch- oder Schlitzkamera hat kein Objektiv. Je nach Lage des Lochs an der Kamerafront, je nach Länge der Belichtungszeit und Art der eingebauten Filter entstehen sehr unterschiedliche Bilder.
Nachdem Martin Benz den Auftrag fürs Neujahrsblatt erhielt, experimentierte er zunächst an verschiedenen Ideen der Umsetzung. Hier zeigt er ein Muster.
Gespannt wartet das Publikum auf die Lüftung des Geheimnisses…
Seine Kamera stellte Fotograf Benz im Sommer auf der Schäflisegg auf und richtete sie über Teufen in Richtung Säntis. Auf einem A4-Blatt zeigt er die gleiche Einstellung mit einer „normalen Kamera“ aufgenommen, so wie wir das Bild alle kennen.
Das Neujahrsblatt 2016
Und das ist entstanden, wenn die Fotografie ein zweites Mal „verwandelt“ wird durch die Umsetzung in eine Lithographie. Grün sind die Wiesen und Wälder, rötlich die Dächer, in verschiedenen Blaus zeigen sich die Berge und der Himmel.
Martin Benz faszinierten die Zusammenarbeit mit Urs Graf von der Druckwerkstatt in Speicher und das damit zusammenhängende „Handwerkliche“, bis die 5 Farben perfekt aufeinander abgestimmt und übereinander gedruckt waren.
Blick aufs Meer…
Die Idee, durch Fotografie eine optische Verflachung der Horizonte unserer gewohnten Berg-Konturen zu erzielen und damit eine Veränderung der Wahrnehmung zu erreichen, entstand durch eine persönliche Begegnung. Ein leerstehendes Haus in der Nachbarschaft war unerwartet doch bewohnt. Er sei übers Mittelmeer gekommen, in einem kleinen, kaum seetauglichen Boot, geflohen vor Krieg und Zerstörung seiner Heimat, erzählte der Bewohner.
Und plötzlich ist die Betroffenheit nicht mehr weit entfernt am Bildschirm, sondern unmittelbar und direkt vor uns. Wahrnehmung und Bewusstsein verändern sich – und ohne es zu wollen, sieht man von Teufen aus aufs Meer.
Beim Apéro wird weiter diskutiert und gefachsimpelt… und die Lithographie zum Preis von 100 Franken gekauft.
Bezugsquelle: Lesegesellschaft und Bibliothek
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