Lukas Würmli*
Cicco Mill ist 28 Jahre alt, Flüchtling aus dem Kongo und rappt. Er erzählt seine eigene Geschichte als Ausländer mit einer F-Bewilligung in der Schweiz und will dabei vor allem etwas vermitteln: glücklich sein! Live auf der Dorfplatzbühne am Tüüfner Gassefescht!
Auf den ersten Blick ist Cicco Mill ein Rapper, wie man ihn weitherum kennt: ein finsterer Blick, kombiniert mit einem lässigen Look und einer coolen Attitude. Doch schnell wird klar, dass hinter diesem Erscheinungsbild viel mehr verborgen liegt. Cicco Mill oder eben Mulopo Chige Kilundu Chico, wie der Rapper mit bürgerlichem Namen heisst, hebt sich nicht durch sein Auftreten, sondern durch seine Motivation und auch durch seine Texte vom Rest ab. Denn seine Geschichten sind wahr und er hat sie selbst erlebt – oder erlebt sie auch nach zwanzig Jahren in der Schweiz noch immer.
Im Alter von sieben Jahren flüchtete Cicco aus der Demokratischen Republik Kongo in die Schweiz. Hier traf er wieder auf seine Familie, die zwei Jahre zuvor bereits nach Europa geflüchtet war. Im Kongo, wo Krieg, Armut und soziale Konflikte herrschten, gab es für den Knaben keine Zukunft mehr. „Schon als Baby wurde ich mit der Armut in meiner Heimat konfrontiert. Meine Mutter musste gar ihre Kleider verkaufen, damit sie mir Milch kaufen konnte“, erzählt Cicco. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Nähe von Lausanne reiste die Familie Chico weiter nach Chur, wo Cicco Mill auch heute noch lebt und wo er seine ersten Freunde und seine erste Liebe fand.
Zwanzig Jahre ist es inzwischen her, seit der gebürtige Kongolese in die Schweiz gekommen ist. Wer nun aber denkt, dass sich die Bedingungen inzwischen normalisiert haben, der irrt. Weil Cicco Mill im Kanton Graubünden wohnt und dort noch immer sehr eigene Gesetze über die Flüchtlinge entscheiden, ist der Musiker nur im Besitz einer F-Bewilligung. Dies entspricht einer vorläufigen Aufenthaltsbewilligung, weil eine Wegweisung aus der Schweiz wegen des Völkerrechts unzulässig oder unzumutbar ist. „Immerhin kann ich inzwischen arbeiten und eine normale Ausbildung machen, sofern der Lehrmeister einwilligt“, sagt Cicco Mill.
Kraft spenden und etwas vermitteln
Die Musik, so Cicco Mill, hat ihm schon früh geholfen, mit dieser Situation umzugehen. In seinen Texten erzählt er aus seinem Alltag als Flüchtling in der Schweiz. Damit will er aber nicht nur mit seiner eigenen Situation besser klarkommen, er will vor allem eine Message senden und Kraft spenden.
„Viele meiner Kollegen sind den gleichen Weg gegangen wie ich, auch die Erfahrungen heute, wie sie in den Medien stets präsent sind, sind ähnlich wie bei mir“, so Cicco Mill. „Ich will allen Betroffenen aufzeigen, dass sie die Bedingungen in der Schweiz positiv sehen sollen, dass es eine grosse Chance für sie ist.“
Auch deshalb verfasst er seine Texte in Französisch – sie werden bei den Betroffenen besser verstanden. Sein Deutsch ist zwar inzwischen einwandfrei, aber dennoch sagt er: „Bei der Musik ist die Melodie sehr wichtig, sie muss passen. Und bei mir tut sie dies nur mit Französisch.“
Von Politik hält der junge Musiker nicht viel. Es gehe zu oft nur ums Geld und man wisse bei den vielen Meinungen nie, was wirklich richtig ist. Cicco bildet sich aus seinen eigenen Erfahrungen lieber seine eigene Meinung und versucht diese mit der Musik zu verteilen. Auf die Frage, was seine Ziele sind, sagt er bestimmt: „Ich will, dass meine Musik in der ganzen Schweiz gehört wird. Nicht, weil ich möglichst viele Fans oder mehr verdienen will, sondern weil meine Message gehört werden sollte.“ Es gebe in der Schweiz viele gute Musiker, doch nur wenige vermitteln auch wirklich etwas Wichtiges. „Die Menschen müssen lernen, glücklich zu sein mit den Dingen, die sie haben“, so die Message von Cicco Mill.
Mit seiner Band stand der bald 30-Jährige schon auf vielen grossen Bühnen in der Schweiz. Er spielte beim Openair Lumnezia, beim grossen Hiphop-Openair in Frauenfeld und brachte auch kürzlich ein neues Album auf den Markt. Dass seine Musik auf solchen Bühnen gesucht ist, freut Cicco Mill.
Sein Highlight war aber ein ganz besonderer Moment: Vor einem Auftritt für die SRF-Sammelaktion „Jede Rappe zählt“ in Luzern rief eine alte Dame im Rollstuhl den Rapper zu sich. „Sie umarmte mich und sagte, es sei extrem toll, was ich mit meiner Musik mache. Ich soll unbedingt weitermachen!“, so Cicco Mill. Es sei für ihn eine grosse Motivation gewesen, dies zu tun und zwar dort, wo viele Leute zuschauen kommen und dabei auf seine Message hören. Er habe gehört, dass dies am Tüüfner Gassefescht genau so sei, weshalb er sich stark um einen Auftritt im Dorf bemühte.
*Lukas Würmli ist Programmchef und Medienverantwortlicher des Tüüfner Gassefescht