Willy Ringeisen erntet in der letzten Zeit oft erstaunte Blicke und Stirnrunzeln, wenn er erzählt, wo er wohnt: «Du! Im Betreuten Wohnen!» Der 71-Jährige ist aktiv und fit wie eh und je und immer noch teilzeitlich berufstätig als Unternehmensberater in der Druckereibranche. Seine Entscheidung findet er goldrichtig: «Ich wollte einfach den richtigen Zeitpunkt nicht verpassen.»
Nach den dunklen Tagen mit Nebel die Premiere: Die Sonne strahlt am Himmel, die warmen Strahlen kitzeln, am liebsten würde man auf der Liege in der Loggia ein ausgedehntes Nickerchen machen. Der Blick von hier aus ist atemberaubend: Das Dorf Teufen zu Füssen, der Säntis als Kulisse. Der Redaktor hat Mühe, sich wieder aufzurappeln. Er ist der Einladung des Hausherrn gefolgt, der selber bis jetzt noch keine Zeit hatte, das Herzstück der neuen Wohnung zu testen.
Willy Ringeisen ist als erster Mieter Ende November eingezogen, hat die 4 1/2-Zimmer-Wohnung in Niederteufen verkauft, geräumt, hat sich von vielem getrennt und hat sich mit einer Handvoll seiner Lieblingsstücke im Gremm eingerichtet: Ein Tisch, ein Bett, ein Kleiderkasten, Schreibpult, ein Bauernschrank und zwei drei Sessel. Reduzieren aufs Wesentliche, sagt er dem: «Das ist der grösste Luxus: Diese Einfachheit, einfach genial.»
Neue Wohnung – neues Wohnmodell
Dass es so weit gekommen ist, hat eine Vorgeschichte. Willy Ringeisen wohnte mit seiner Familie viele Jahre im Störgel in der Gemeinde Stein in einem schönen alten Haus mit viel Garten in der Landwirtschaftszone. Früh zogen die beiden Kinder aus schulischen und beruflichen Gründen aus und es wurde zu still im Haus. Der abgelegene Wohnort war für das Alter keine gute Perspektive. 1995 kaufte das Ehepaar eine 31/2-Wohnung in der neu erstellten Siedlung an der Blattenstrasse, wo Ursi Ringeisen einzog.
Wohnen in Teufen hat viele Vorteile: insbesondere die ausgezeichnete Infrastruktur mit der Bahn, die Läden und der gute Kontakt mit den Leuten. Nach eingehender Beratung auch mit den erwachsenen Kindern verkaufte die Familie das Haus im Störgel und erwarb eine zweite Wohnung neben der ersten, in der sich Willy samt Büro einrichtete. Das habe schon zu reden gegeben.
Freiwillig getrennt wohnen: Ringeisens lebten diese neue Wohnform 15 Jahre, fanden das gut und sie leben sie weiter: Seine Frau behält ihre Wohnung, und jetzt organisieren sich die beiden für den letzten Lebensabschnitt neu.
Gemeinsame Aufgabenteilung
Wieder zusammenziehen auf kleinem Raum, das gäbe zu viele Reibungen, sind Ursi und Willy Ringeisen überzeugt, denn beide hätten – obwohl übereinstimmender Ansichten – oft unterschiedliche Interessen und Tagesrhythmen. Einmal am Tag isst man gemeinsam – «meine Frau ist eine Superköchin» – oder unternimmt etwas. Er versucht sich als Hausmann: Die kompakte Wohnung schaffe er in anderthalb Stunden. Aufgaben und Arbeiten wie Finanzen, Einkaufen, die Wäsche, werden aufgeteilt. Es funktioniere bei einer gewissen Flexibilität ganz gut. – Später können zu Hause wie im Betreuten Wohnen die Dienstleistungen der Spitex sowie des Alterszentrums individuell in Anspruch genommen werden.
Die erste Nacht
Etwas angewöhnen musste er sich schon an die neuen Wohnverhältnisse. Als er Ende November einzog, war er einer der ersten Mieter. Und prompt, als er am Abend vom Essen bei seiner Frau zurückkehrte, sei er im Dunkeln vor verschlossener Türe gestanden. Die Türe klemmte. Hansruedi Hörler, den er herbeirief, konnte ihm helfen. Die Nacht sei etwas gruselig gewesen, das Erwachen am Morgen ein kleiner Schock: Die Helligkeit, die Spiegeleffekte des vielen Glases, die fehlenden Jalousien. Dafür aber ein bezaubernder Blick vom Bett direkt in die Berge!
Die Vorhänge und ein paar Pflanzen fehlen noch, aber sonst ist nun alles fertig eingerichtet. Der antike Bauernschrank und die Bilder von Konrad Zülle vertragen sich gut mit der modernen Wohnung. Das viele Holz gebe ein wunderbares Raumklima, Baumängel hat er bisher kaum ausgemacht: «Ich fühle mich sehr wohl hier.»
Der jüngste Mieter
Willy Ringeisen hat sich frühzeitig auf diesen Schritt vorbereitet. Bereits zwei Tage nach Abschluss des Projektwettbewerbes habe er sich bei der Genossenschaft angemeldet und gleich für eine Wohnung entschieden. In den letzten Jahren sei er fast täglich auf die Baustelle gekommen und habe jede Phase intensiv miterlebt.
Die neuen Mitbewohner kennt er noch kaum. Am Neujahrsapéro im Gemeinschaftsraum hat er einige künftige Nachbarn kennengelernt, und ist nun guten Mutes: «Die Stimmung war sehr gut, wir passen sicher gut zusammen», sagt er als Jüngster. Am Sonntagmorgen heizt er jeweils die Sauna ein. Er freut sich, wenn er dort bald nicht mehr alleine ist.
Willy Ringeisen ist nach wie vor überzeugt, das Richtige getan zu haben, und zur richtigen Zeit: «Ich bin zwar immer noch überrascht, was das doch für ein Einschnitt im Leben ist, aber wenn ich jeweils nach Hause komme, spüre ich: Hier bin ich wirklich daheim.»