"Mehr säulenfreie Zonen und ein krückenloses Leben"

09.12.2015 | Erika Preisig-Studach
Weihnachtsapéro Gönner Grubenmann

Weihnachtsapéro Gönner Grubenmann
Erika Preisig, Text und Fotos

Die Gönnervereinigung des Grubenmann-Museums lud am Mittwoch, 8. Dezember ein zu ihrem traditionellen Weihnachtsapéro im Zeughaus. Rund 80 Personen folgten der Einladung, und sie wurden nicht enttäuscht.

Dieses Jahr wurde der Anlass öffentlich ausgeschrieben, um auch über den Kreis der „Freunde des Grubenmann-Museums“ hinaus interessierten Personen Gelegenheit zu geben, sich über die Aktivitäten im Zeughaus ein Bild zu machen  – und das Referat von Ludwig Hasler zu hören.

Weihnachtsapéro Gönner Grubenmann
Ein Geschenk für den Pianisten Alessandro Fiore, überreicht von Adrian Künzi.

„Wir sind gewachsen!“, freute sich der Präsident der Grubenmann-Freunde, Adrian Künzi. „Bereits sind wir über 100 Mitglieder.“ Mit der Einladung bedankte sich der Vorstand für die Unterstützung. Diese sei entscheidend für den Betrieb des Museums. Und dieses sei sehr gut auf Kurs, fuhr er fort: „Wir haben ein tolles Museum mit einem begnadeten Kurator mit guten Ideen für kreative Ausstellungen, und wir erhalten immer wieder eine gute Presse.“ Er ermunterte die „Zaungäste“, sich ebenfalls den Grubenmann-Gönnern anzuschliessen.

Alessandro Fiore
, der Teufner Pianist und Student der Musikhochschule Luzern, umrahmte den Anlass mit beeindruckenden Improvisationen aus Jazz und Klassik.

Weihnachtsapéro Gönner Grubenmann
Ludwig Hasler muss bei uns nicht vorgestellt werden. Nicht häufig, aber immer wieder weilt der Philosoph und Publizist im Appenzellerland und überall, wo er auftritt, hängt ihm seine Fangemeinde an den Lippen. Das Thema seines Vortrags im Grubenmann-Museum lautete „Appetit auf Zukunft“.

Hier der Versuch einer Zusammenfassung:

Appetit auf Zukunft
„Die Zukunft kennen wir nicht. Mit ihr ist es ähnlich wie mit dem Glück oder der Liebe; wer sie direkt verfolgt, verpasst sie am sichersten. Wir müssen uns so lebendig und interessant machen, dass die Zukunft etwas mit uns anfangen kann.
Die beiden Pole, Herkunft und Zukunft, müssen in der Balance sein. Die Herkunft ist der Wurzelstock. Er ist wichtig, doch entscheidend ist das, was oben ist, Äste, Blätter, Blüten. Heute liegt bei uns die Betonung jedoch eher auf dem Wurzelstock; die Zukunft macht Angst und dient als Drohkulisse: Klimawandel, Flüchtlinge etc.. Weil es uns so fabelhaft geht, wollen wir keine Veränderung. Doch das geht nicht auf. Die Evolution schreitet voran, die Konkurrenz der anderen fordert uns heraus.

Brauchen wir eine Zukunft?
Könnten wir nicht sagen: „Stopp, wir wollen alles so lassen, wie es ist!“, einfach den Status quo ausrufen, so als würde die Zeit stillstehen, nach dem Motto: „So wie jetzt, ist es ja so schön?“.
Doch man merkt, es bleibt nicht schön, man kann sich nicht einhäuslen im feudalen Zustand. Die Häuser verlottern, der Zeitgeist ändert sich. Die Gegenwart lebt davon, dass sie eine Zukunft hat. Wenn wir das nicht wollen, sind wir schon tot. Mit menschenfreundlichen Ideen ist es nicht getan, der Antrieb war immer die Technik. Es soll immer besser gehen, und diesem Besseren geht es immer wieder schlechter. So sind sich Aufstieg und Abstieg ganz nah. Wir sind nicht über dem Berg, sondern am Berg. Und wie Sisyphos dazu verdammt, immer wieder dieselben Steine zu schieben. Doch wie Camus sagte: „Wir müssen den Stein zu unserer eigenen Sache machen“, selber die Verbindung zwischen Herkunft und Zukunft herstellen.

Von Grubenmann lernen
Wer ist denn der Typ für Innovation? Gern denkt da der Referent an H. U. Grubenmann. Er, der keinen Bachelor hatte in Statik, vollbrachte solch grossartige statische Pionierleistungen. Nicht durch Wissen, sondern aus dem Antrieb heraus, sein Leben zu verändern. Grubenmann sehnte sich danach, die Erdenschwere, das Klobige abzustreifen, er wollte mehr säulenfreie Zonen und ein krückenloses Leben. Das Wissen wird heute überschätzt. Mit Wissen entdeckt man nichts, es kommt von gestern.

Robust und risikofreudig
Welche Mentalität brauchen wir für die Zukunft? Die Vista, der Wille zu etwas Besserem und Freierem braucht eine Mentalität, die nicht stur dranbleibt, die auch einmal in die Ferien geht. Denn die Innovation kommt nie auf demselben Gleis, sie kommt immer von irgendwo her. In der Schweiz haben wir gerne die Ordnung und die Sicherheit. Wer aufräumt, hat nichts anderes vor. Die Mentalität für Zukunft kann nicht Sicherheit sein, es gilt die Balance zu finden zwischen Ordnung und Chaos. Dafür braucht es eine mittlere Robustheit, Risikofreudigkeit und weniger Wehleidigkeit. Wir müssen wieder lernen, den Ball mutig in den freien Raum zu spielen.“

Weihnachtsapéro Gönner Grubenmann
Unterdessen war das Mittelgeschoss bereit für den Apéro und den geselligen Teil des Abends. Angeregt von Ludwig Haslers Gedankenanstössen, wurde lebhaft diskutiert.

Weihnachtsapéro Gönner Grubenmann
Schaute man sich bei den Besucherinnen und Besuchern um, stellte man fest, dass die grosse Mehrheit der Grubenmann-Freunde aus Einheimischen besteht. Das ist erfreulich und zeigt die Solidarität der Teufnerinnen und Teufner mit ihrem Museum. Der Anlass war auch einmal mehr ein Ort der Begegnung und des Wiedersehens mit Bekannten, die man lange nicht gesehen hatte. Der Gesprächsstoff in dieser anregenden Ambiance ging den Gästen nicht so schnell aus, sie verweilten bis in den späteren Abend hinein.

Weihnachtsapéro Gönner Grubenmann
Apropos, Weihnachtsapéro – anstelle der sonst üblichen Häppchen wurde ein währschafter Appenzeller-Znacht mit Chäshörnli und Südwörscht serviert, gefolgt von einem verführerischen Dessertbuffet. Diese grosszügige Geste habe nicht der Gönnerkasse belastet werden müssen, sondern sie wurde gesponsert von der Bank Notenstein La Roche, verkündete der Kassier Willi Müller. Die Gestaltung des Abends lag in den Händen von Gaby Bucher, dank ihrer innovativen Ideen und der perfekten Organisation, sind die Anlässe des Gönnervereins beliebt und immer sehr gut besucht.

Weihnachtsapéro Gönner Grubenmann

Ueli Vogt (Bild) machte aufmerksam auf die nächste Serie „Zwischenstellungen“ und die grosse Ausstellung über „Kurt Büchels Expo-Atelier von 1964“.

Auf dem Heimweg, nach diesem anregenden Abend, kristallisierten sich vielleicht für manche Gäste drei Aufgaben für ihre Zukunft heraus:

1.    (langfristig): Weniger aufräumen, mehr Chaos zulassen

2.    (mittelfristig): Die kommenden Zwischenstellung-Ausstellungen im Zeughaus anschauen

3.    (kurzfristig) Den Anmeldetalon der „Freunde des Grubenmann-Museums“ ausfüllen und (falls noch nicht getan) Mitglied der Gönnervereinigung werden, www.zeughausteufen.ch

Weihnachtsapéro Gönner Grubenmann

Zum Schluss einige Zitate von Ludwig Hasler, die sich die Leute ins Notizbüchlein schrieben:

  • Vom Auswanderungsland aus voralpinen Chnörz sind wir an die Weltspitze geraten.
  • Veränderung bringt Ärger, also machen wir auf Zukunft und wollen eine Fristerstreckung der Gegenwart.
  • Man will Feuer ohne Rauch, sich einhäuslen im feudalen Zustand.
  • Die Zukunft entsteht dort, wo die Gegenwart eine Lücke hat.
  • Schulweg, der einzige herrschaftsfreie Raum zwischen Elternhaus und Schule.
  • Wir bilden uns viel ein auf unser Wurzelstock-Wesen, unsere morgartenmässige Robustheit.
  • Musik spielt zwischen den Tönen, nur wer einen eigenen Klang hat, gestaltet Zukunft.
  • Grubenmann sehnte sich danach, die Erdenschwere, das Klobige abzustreifen, er wollte mehr säulenfreie Zonen und ein krückenloses Leben.

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