Timo Züst
Am 23. Januar veröffentlichte das Eidgenössische Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) eine Medienmitteilung. Titel: «Die Schweiz setzt ihre Unterstützung von Kooperationsprojekten in Eritrea fort.» Dieser Entschluss gründet laut dem Text auch auf einer Evaluation externer Berater. Einer dieser Berater ist Matthias Jäger aus Teufen. Fast ein Jahr nach seinem Besuch in Eritrea hat er mit der TP über den Auftrag gesprochen.
Herr Jäger, in der Medienmitteilung spricht das EDA von externen Beratern. Das sind Sie?
Ja. Ich und ein weiterer Experte, Edi Gnesa.
Wie kam es zu diesem Auftrag?
Das EDA greift bei solchen Evaluationen regelmässig auf externe Berater zurück. Das Feld der Berufsbildung innerhalb der Entwicklungszusammenarbeit ist mein Spezialgebiet. Bei Eritrea geht es um Projekte in diesem Bereich, also haben EDA und DEZA (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit) mich angefragt.
Sie sind pensioniert, Sie hätten also auch nein sagen können …
Das stimmt. Aber ich geniesse das Privileg, solche spannenden und wichtigen Aufträge auch heute noch machen zu dürfen. Ausserdem hat mich der Auftrag auch inhaltlich gereizt.
Warum?
Weil Eritrea innenpolitisch ein heikles und umstrittenes Thema ist. Das macht die Evaluation interessant und herausfordernd. Und meine Erfahrung hilft in solchen Fällen natürlich sehr.
Hier ging es darum, drei konkrete Entwicklungs-Projekte in Eritrea zu beurteilen und eine Empfehlung abzugeben. Wie geht man so etwas überhaupt an?
Die Vorarbeit ist natürlich entscheidend. Vor den ersten Gesprächen studiere ich diverse Projektberichte und Verträge mit den zuständigen Organisationen. Dann folgen Sitzungen mit dem EDA, der DEZA und dem Beraterkollegen. Daraus ergibt sich, was man in Eritrea besuchen und mit wem man reden will.
Und dann?
Da die Schweiz in Eritrea keine Botschaft und auch kein Büro der DEZA mehr hat, lief unser Kontakt über die Schweizer Botschaft im Sudan. Diese organisierte alle unsere Meetings. In dieser Phase gehen natürlich unzählige E-Mails zwischen allen Beteiligten hin und her.
Wann waren Sie dann dort? Und wie lange?
Das war im Frühsommer 2019. Unser Besuch hat zwei Wochen gedauert.
Und nach diesen zwei Wochen fühlten Sie sich im Stande, eine Empfehlung abzugeben?
Hier ging es um drei noch eher kleine Projekte mit drei involvierten Organisationen. Darüber konnten wir uns einen sehr guten Überblick verschaffen. Anders gesagt: Ja, wir fühlten uns mit unserer Einschätzung ziemlich sicher.
Und die Gesamtsituation im Land?
Das ist ein anderes Thema. Diese kurze Zeit reicht natürlich nicht aus, um die gesamtpolitische Situation des Landes zu erfassen und zu beurteilen. Aber das war auch nicht unsere Aufgabe.
Laut der Medienmitteilung ist das EDA Ihrer Empfehlung gefolgt …
Ja, das scheint so. Mit der Medienmitteilung veröffentlichte das EDA auch die Zusammenfassung unseres Berichts.
Ist es eigentlich Standard, dass das EDA auf pensionierte Berater zurückgreift?
Es ist der klassische Ablauf, dass externe Berater hinzugezogen werden. Das liegt daran, dass der Bund selbst keine Entwicklungsprojekte mehr umsetzt, sondern alle an Privatorganisationen vergibt. Dass ein pensionierter Berater angefragt wird, ist zwar nicht die Regel, aber auch nicht die Ausnahme. In diesem Geschäft gibt es Situationen, in denen Erfahrung und Alter noch etwas zählen. Hier führe ich das auf die angesprochene, heikle Thematik zurück.
Sie kommen aus der Bildung, waren ursprünglich sogar Berufschullehrer. Ich nehme an, Sie sind der Meinung, Berufsbildung ist ein wichtiger Teil der Entwicklungshilfe.
Davon bin ich überzeugt. Nicht nur, weil ich glaube, dass die Berufsbildung eine Perspektive bieten kann. Auch, weil ich der Meinung bin, jedes Land sollte in den bilateralen Beziehungen das beisteuern, was es selbst gut kann. In unserem Fall ist ein Teil davon sicher die duale Berufsbildung.
Sie waren Jahrzehnte lang in der Entwicklungshilfe tätig. Dabei waren Sie sicher immer wieder mit gesellschaftlichen oder politischen Umstürzen konfrontiert, die viel Arbeit zunichtemachten. Wird man da nicht irgendwann frustriert?
Das hängt stark von der Persönlichkeit ab. Ja, es gibt Leute in diesem Feld, die frustriert oder zynisch geworden sind. Es gibt aber auch solche, die ihre Arbeit nach Jahrzehnten noch genau gleich engagiert ausführen. Mein Zugang ist, das Ganze als meinen Beruf zu verstehen. Diesen habe ich immer gern und mit Leidenschaft gemacht. Aber ich hatte nie das Gefühl, etwas Wichtigeres oder Besseres zu tun, als wenn ich in der Schweiz Lehrer geblieben wäre.
Hier in Teufen präsidieren Sie die Wohnbaugenossenschaft (AWG). Nach so einem Besuch in Eritrea: Wirken da die Herausforderungen hier nicht lapidar?
Überhaupt nicht! Das dachte ich noch nie. Für mich ist das eine nicht wichtiger als das andere. Beides hat mit Menschen, Organisationen und dem politischen Umfeld zu tun. Und beides sind Herausforderungen, die mich interessieren.
Sie sind 71 Jahre alt. So ein Gutachten zu erstellen, ist mit viel Aufwand verbunden – inklusive einer langen Reise. Werden Sie bei einer erneuten Anfrage wieder Ja sagen?
Ehrlich gesagt, bin ich erst gerade von einem anderen Auftrag zurückgekommen (lacht). Aber ich übernehme wirklich nur noch speziell spannende Fälle. Und gelegentlich muss ich sicher irgendwann ganz damit aufhören.