«Man warf mir schon vor, ich sei harmoniesüchtig»

01.03.2012 | Erich Gmünder
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Roland Bieri, der Mann, der schlecht Nein sagen kann. Foto: EG

Wo soll man anfangen? Bei seiner herausfordernden Aufgabe als Präsident (und ehemaliger Dirigent!) der jubilierenden Harmoniemusik Teufen? Oder als Präsident der Heilpädagogischen Schule Rothhaus? Als Mitbegründer der Guggemusik Südwörscht? Als Vizepräsident der FDP Teufen? Als langjähriger Präsident der Musikschule Appenzeller Mittelland? Als leitender Angestellter in der Textilbranche? Oder als Verwaltungsrat und administrativer Leiter der Syntharp GmbH, des originellen Klanginstruments aus Teufen?

«Meine grösste Schwäche: Ich kann schlecht Nein sagen»

Oder ganz einfach in seiner prägenden Jugendzeit? Tatsächlich, im luzernischen Hinterland liegt der Schlüssel begraben. Im kleinen Entlebucher Dorf Flühli wuchs er auf, spielte schon als 13-Jähriger in der Dorfmusik und entwickelte so sein Sensorium für die Gemeinschaft: «Ich kann einfach schlecht Nein sagen», sagt heute Roland Bieri mit einem herzhaften Lachen zur Tatsache, dass seine Agenda fast so ausgebucht ist wie vor seiner Pensionierung vor anderthalb Jahren. So in den letzten Wochen, als er die letzten freien Abende einsetzte, um beim Nachbarverein Bühler als Trompeter auszuhelfen, nachdem dort kurzfristig jemand ausgefallen war.

«Ja, in meiner beruflichen Tätigkeit in leitender Stellung in der Textilbranche musste ich manchmal hören, ich sei harmoniesüchtig.» Es sei ihm extrem schwer gefallen, jemanden aus wirtschaftlichen Gründen zu entlassen. Die Harmonie ist ihm wichtig, und damit meint er nicht nur seine Harmoniemusik.

Doch Roland Bieri kann auch anders. Gerne erinnert er sich an seine Jahre als Dirigent in Teufen. «Da gibt es eine klare Hierarchie; als Dirigent ist man ein kleiner Diktator!», sagt er mit einem verschmitzten Lachen. Aus beruflichen Gründen, wegen zu vieler Auslandabwesenheiten, musste er den Taktstock weglegen.

Als junger Trompeter ein Politikum

Seine musikalische Karriere begann mit zarten elf Jahren, doch der Schulpräsident, Pfarrer des katholisch-konservativ geprägten Dorfes, verbot dem Schüler vorerst das Mitmachen im Dorfverein. Der Vater, Käsermeister, typischer Liberaler und dazu noch reformiert, klopfte gehörig auf den Tisch und schliesslich durfte Roland weiterspielen. Der junge Trompeter zeigte Talent; er nahm auch Klavierunterricht und besuchte später, neben der KV-Lehre, das Konservatorium in Luzern sowie Dirigentenkurse.

In England, wo er an einer Textilfachschule studierte und bei einer Gastfamilie lebte, entdeckte er die Brassband-Kultur. Diese wurde hier, «im Ruhrgebiet Englands», stark gefördert, um bei den Kumpels Staub- Lungen zu verhindern: Das Pusten in die Blasinstrumente, so die Rechnung der Industriebosse, reinigt die Lungenbläschen. Roland spielte in einem Symphonieorchester mit und entdeckte da auch die klassische Musik.

Musikalische Zufälle

Nach mehreren Karriereschritten und neunjähriger Tätigkeit als Dirigent im heimatlichen Flühli zog er 1977 aus beruflichen Gründen von Zofingen in die Ostschweiz. In Teufen fand die junge Familie im Vorderhaus ein neues Heim. Nun wollte er seine Trompete definitiv an den Nagel hängen. Doch es kam anders. Anlässlich der Hausräukete nahm er das Instrument nochmals vom Estrich herunter. Mit Pfannendeckeln begleitet, wurde zu später Stunde ein Ad hoc-Orchester auf die Beine gestellt.

«Die perfekte Guggenmusik», fand eine entzückte Nachbarin. An der nächsten Fasnacht tingelte die kleine Truppe, verstärkt mit Bläsern aus seinem Heimatdorf, durch das Dorf: Die «Tüüfner Südwörscht» waren aus der Taufe gehoben. Von da war es nur noch ein kleiner Schritt zur Harmoniemusik: Deren Präsident Max Graf verstärkte mit seiner Pauke die Guggenmusik. Roland versprach als «Gegengeschäft », an der nächsten Probe teilzunehmen. Eine mittlerweile 33-jährige Affäre nahm ihren Anfang.

Musik ist nur das Eine

Trotz all seiner Engagements und seiner anderen Vorlieben (Jazz und klassische Musik) ist Roland Bieri seiner Harmoniemusik treu geblieben. «Sie spielt zwar nicht in der höchsten Klasse, doch genauso wichtig wie die Musik ist mir die Pflege der Gemeinschaft. Da sitzt die 15-jährige Schülerin neben dem 77-jährigen Theologen, Handwerker neben Studenten und Bürolisten – das gibt Zusammenhalt.» Erich Gmünder

 

Steckbrief

Geboren: 3. Mai 1945
Aufgewachsen: Flühli LU (Entlebuch)
Heimatort: Schangnau
Familie: Verheiratet mit Lilo, Sohn Ralph, Grosseltern von Ladina und Valeria
Erlernter Beruf: Textilkaufmann
Heute tätig als: Hansdampf in verschiedenen Gassen
Lieblingsessen: Luzerner Kügeli-Pastetli
Lieblingsgetränk: Ein Glas guter Rotwein
Musikvorlieben: Bigband-Jazz, Orchestermusik
Buch auf dem Nachttisch: Duke Ellington – Biographie
Hobbys: Musik, Ski- und Radfahren

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