Sepp Zurmühle, Text und Fotos
Der grosszügige und besonnte Raum der Bibliothek war am Samstag 7. Dezember um 11 Uhr erfreulich voll. Daniel Ehrenzeller, Präsident der Lesegesellschaft, begrüsste die knapp 30 Anwesenden aller Altersgruppen, darunter Ursula von Burg und Martin Ruff aus dem Gemeinderat und natürlich Jürg Rohr, Künstler aus Teufen, der das diesjährige Neujahrsblatt geschaffen hat.
Alle waren gespannt auf das Kunstwerk, das erstmals nicht vorgängig in der Tüüfner Poscht abgebildet wurde, sondern „verhüllt“ blieb.
Jürg Rohr führte die Gäste auf anregende und originelle Art in sein Wirken und Schaffen ein. Er drehte sich mehrmals zu den umliegenden Regalen voller Bücher und zupfte einzelne heraus, las den Titel und verknüpfte diesen spontan mit Analogien zu seiner Person und seinem Schaffen.
„Freiheit“ von Jonathan Franzen. Die Freiheit, welche ihm die Lesegesellschaft bei der Gestaltung des Neujahrsblattes liess, ermöglichte ihm das Experimentieren und Forschen, wie er es liebt. „Bestseller“ von Isabelle Flückiger verknüpfte Rohr mit dem Hinweis, dass die Neujahrsblätter im Anschluss für 100 Franken verkauft werden. Am besten gefiel ihm der Buchtitel „liebste Fenchel“ von Peter Härtling. Es steige ihm sofort der Duft von Fenchel in die Nase… Sicher werde er diesen Buchtitel lange, vielleicht sein Leben lang, nicht mehr vergessen.
„Eigentlich liebe ich die Suche. ‚Suchen statt Finden‘ könnten meine Arbeiten umschrieben sein. Wobei ich nie genau weiss, was ich suche…“ meint der Künstler. „Ich weiss teilweise überhaupt nicht, was ich suche. Was ich weiss ist, dass ich etwas mir Unbekanntes suche, etwas das ich mir noch nicht vorstellen kann, etwas das ich noch nicht kenne, etwas das mich überraschen wird.“
„Ziemlich sicher wäre ich mir, dass es in keinem Kopf leer wäre und es in keinem Kopf keine Vorstellung zu finden gäbe. Ganz sicher bin ich, dass in keinem Kopf eine Vorstellung zu finden ist, die mit dem Neujahrsblatt übereinstimmt… In diesem Sinne wird das Neujahrsblatt Ihre Vorstellung enttäuschen…“
Immer wieder sprach Rohr das Publikum direkt an und trat in eine Art Dialog mit ihm. So meint er weiter: „Welche Erwartungen haben Sie mitgenommen? Gibt es vielleicht leichte Übereinstimmungen zwischen inneren Erwartungen und äusseren Erscheinungen? In diesem Fall wären Ihre Erwartungen ‚grün‘ (die Dame trug ein grünes Kleidungsstück) oder deine Erwartungen ‚gestreift‘ (das Mädchen trug einen gestreiften Pullover)…“
Weil ihn seit einiger Zeit die Gesten und das schnelle, ungeplante, eher spontane Arbeiten interessiert, bastelte sich Jürg Rohr aus diesen Elementen eine Art Spielregeln. Er erkundete über einen abgemachten Zeitraum die Grenzen, Freiheiten, die Vielfalt und das Überraschungspotential mit schnellem Arbeiten, spontanem Malen und immer wieder neuen Ansätzen dazu.
Um das Feld der Experimente nicht unübersichtlich und riesig werden zu lassen, verzichtete Rohr auf Farben. Er benutzte einen etwas „borstigen Pinsel“, welcher ein Potential von Fehlerhaftigkeit mitbringe… Zu seiner Person meinte er: „Ich liebe das Experiment, ich liebe die Entdeckung, ich liebe die Überraschung, ich liebe die Erfindung, ich liebe das Finden, ich liebe, das was vor dem Finden liegt…“
In diesem Sinn waren das Staunen und die fragenden Blicke denn auch gross, als Jürg Rohr mit einem Ruck das Tuch von der Staffelei riss und das Neujahrsblatt dem Publikum „aus(einander)setzte“, wie er selber meinte…
Mit Applaus verdankte das Publikum dem Künstler die originelle Präsentation. Nach und nach begaben sich die „Gwundrigen“ vor die Staffelei. „Was es wohl zeigen will? Kannst du etwas erkennen? Es sieht überraschend aus. Ich sehe gefaltete Blätter und ganz viel mehr. Mir gefällt es…“
Und Ihnen?
ARCHIV Tüüfner Poscht 10/2013:
«… das Sehen geht weiter»
Ein Porträt des Künstler Jürg Rohr.
Sepp Zurmühle | 5. 12. 2013 | Kultur, News, Vereine | Keine Kommentare |