











Nach den rund 80 Bühnenminuten von Lara Stoll im Lindensaal kämpft der Journalist mit der Frage: Wie soll ich denn jetzt bitte darüber schreiben? Die Frage stellt sich nicht etwa, weil die «Volume 5 Die Rückkehr!» zu wenig Schreibmaterial geliefert hätte. Im Gegenteil.
Man könnte beispielsweise die unterhaltsame Geschichte von Stolls Probeaufführung in Rorschach wiedergeben. Damals sassen nur sechs Personen im Publikum – einer davon ein Betrunkener, der von der Bar nebenan reingewankt war. «Da hatte es übrigens ziemlich viele Leute drin», ergänzt Lara Stoll lakonisch. Oder das anschliessende Rorschach-Bashing der 37-jährigen Comedienne Wort für Wort wiedergeben. Wer liest nicht gerne darüber, wie Elon Musk Rorschach auf den Mars schickt, «wo es vielleicht ja auch hingehört»?
Oder man könnte einige der herrlichen Spitzen gegen den «Reformhaus-Kult», über den sich Lara Stoll in einem ihrer kunstvoll geflochtenen Texte auslässt, rauspicken. Schliesslich kommen auch da berühmte Namen vor. So sitzen laut Stoll nämlich im geheimen Hinterzimmer jedes Reformhauses Hillary Clinton, Marco Rima und ein paar Freimaurer «und essen Domino-Pizza mit Fleischbelag ohne klar deklarierten Ursprung».
Oder noch besser: Man könnte über die Salat-Symphonie schreiben. Jener Teil des Abends, während dem die Slam Poetin die typischen Salattypen der Frischetheken rhetorisch seziert und dabei den griechischen Salat mit einem Kandinsky-Gemälde vergleicht, oder den Calabrese als «Emblem unter den Salaten bezeichnet», der für «Aufgeräumtheit, Fairness und Ordnung steht. Wie ein Wappen von Urs Wehrli».
Auch anbieten würde sich der humoristische Seitenhieb gegen die «typisch schweizerischen Eigenheiten». Aber vielleicht sollte sich dieser Text auch einfach um den Teil des Abends drehen, der am meisten Lacher produziert hat: Lara Stolls Analyse der «aufgeblähten» Phase der Verliebtheit. Kunstvoll beschreibt sie das Dilemma, in dem sich wohl die meisten der Zuhörenden schon einmal wiedergefunden haben: «Wann furzt man zum ersten Mal vor dem neuen Partner?» Verliebtsein sei eigentlich eine einzige Blähung. Glücklicherweise hat sie Tipps für das «Timing» und «Set und Setting» des ersten Furzes parat: «Gut wäre sicher draussen. Bei einem Spaziergang zum Beispiel. Mit etwas Gegenwind am besten. Und dann würde ich auf ein Thema wie Politik oder Expartner warten.»
Aber vielleicht würde man eben doch besser über Lara Stolls Versuche, die Schweizer Hymne auf der Posaune oder «erotische» Tracks auf dem Saxophon zu spielen, schreiben. Oder über ihre ganz eigenen Interpretationen der Warnlichter ihres Hyundai Cobra. Wer weiss…
Jeder angehende Lokaljournalist hört irgendwann den Spruch: «Lokaljournalismus ist der Zustand der ständigen Überforderung.» Das ist vermutlich eine dieser Situationen. Denn Lara Stolls Programm war so vollgepackt mit Highlights, Witz und klugen Anekdoten, dass jede Form der Berichterstattung unvollständig wirkt. Was also tun? Am besten fokussiert man sich in solchen Fällen auf den Kern der journalistischen Arbeit: die Beantwortung der «W-Fragen». Was war also los am Freitagabend im Lindensaal? Die Lesegesellschaft Teufen lud zu einer Aufführung des neuen Programms von Spoken Word Virtuosin Lara Stoll. Wann? Türöffnung war um 19 Uhr, die Show startete um 19:30 und dauerte – inklusive Zugabe mit «Nordischem Klagegesang» – rund 80 Minuten. Danach war Barbetrieb. Und wie war’s? Sehr gut. Der gut gefüllte Lindensaal brach immer wieder in Gelächter aus und applaudierte während und nach dem Auftritt enthusiastisch. Und der Präsident der Lesegesellschaft, Daniel Ehrenzeller, sagte danach: «Phantastisch! Vor allem so live und nicht nur im TV. Das war richtig, richtig gut.»
