Krise der Kleinkunst

02.06.2020 | Timo Züst
Jagdkapelle_Bandfoto
Der Teufner Marius Tschirky (Mitte) mit der „Jagdkapelle“ (v.l.n.r.): Wisl (Christian Hugelshofer), Supertreffer (Christian Bührle), Bärechrüsler (Hansjürg Kühne) und Tombär (Thomas Szokody). Foto: Can Isik

Die Kinderband «Marius und die Jagdkapelle» brachte am 24. April ihr neues Album «Worscht!» heraus. Obwohl Corona die letzten Produktionswochen für Marius Tschirky zu einer gewaltigen Herausforderung machte, ist der Teufner mit dem Resultat mehr als zufrieden. Und nächste Woche ist bereits wieder Premiere. Für das erste Musikvideo des Albums.

Herr Tschirky, Sie haben das Album «Worscht!» in Quarantäne bei sich daheim fertig gemischt. Geht das überhaupt?

Irgendwie geht es immer. Aber diese Wochen waren schon sehr hart. Wahrscheinlich hat mich das rund drei Lebensjahre gekostet (lacht).

Hatten Sie die nötige technische Ausrüstung zur Hand?

Als ich erfuhr, dass wir unter Quarantäne gestellt werden, habe ich das Allernötigste aus dem Studio in St. Gallen eingepackt. Das heisst: ein Computer, ein Mikrophon und Kopfhörer. Damit habe ich dann jeweils nachts im Keller – wenn die Kinder versorgt waren – das Album fertig geschnitten. Keine grossen Boxen, kein perfekt isolierter Raum. Nur ich und meine Kopfhörer.

Warum das Erscheinungsdatum nicht einfach nach hinten schieben …?

Dazu haben mir viele Bekannte und Freunde geraten. Aber ich war einfach der Überzeugung, dass das Album jetzt raus muss. Einerseits, weil ich damit ja mein Geld verdiene. Und andererseits war ich der Meinung, das sei gar kein schlechter Zeitpunkt. Schliesslich sassen alle daheim – und die Familien aufeinander.

Bisher wurden Ihre Alben in professionellen Tonstudios gemixt. Nun geschah alles in Eigenregie und sogar an einem improvisierten Arbeitsplatz. Wie zufrieden sind Sie mit dem Resultat?

Es ist wirklich sehr gut geworden! Das zeigt nicht nur der Einstieg in den Charts. In der ersten Woche haben wir es auf Platz 14 geschafft. Für eine Kindermusik-CD eine sensationelle Leistung. Aber nicht nur die Beliebtheit ist gross, auch die Qualität ist erstaunlich gut. Wer die CD hört, merkt kaum, dass sie in meinem Keller geschnitten wurde.

Was für eine Rolle spielen da intelligente Musik-Softwares? Nehmen die Ihnen sozusagen die Arbeit ab?

Leider nicht (lacht). Natürlich gibt es Programme, die den Schneid-Prozess automatisieren. Aber das Resultat klingt dann halt sehr eindimensional, sozusagen nach Plastik. Zur Jagdkapelle gehört diese gewisse Schrottplatz-Romantik – auch im Klang. Das geht nur manuell.

Das provisorische «Tonstudio» im Keller von Marius Tschirky. Foto: zVg

Sie leben von Ihrer Musik. Wie hart trifft Sie die Corona-Krise?

Das Ganze ist natürlich eine Katastrophe. Der Sommer ist meine und unsere Auftritt-Zeit. Ich trete jetzt normalerweise dreimal in der Woche auf. Bis Ende Juli habe ich bisher aber keinen einzigen Termin. Aus wirtschaftlicher Sicht ist das verehrend.

Der CD-Verkauf spült nichts in die Kasse?

Mit dieser Frage streuen Sie Salz in eine offene Wunde. Die Zeiten, in denen Musiker mit dem CD-Verkauf etwas verdient haben, sind längst vorbei. Ein Beispiel: Im vergangenen Jahr haben wir einen Song 7800 Mal verkauft und dabei 2,45 Franken verdient. Streaming-Dienste wie Spotify und YouTube machen Musik immer und überall fast gratis zugänglich.

Anders gesagt: Ihr Haupteinnahmequelle ist Auftritte?

Genau. Ich leben von den Gagen und den Verkäufen bei den Konzerten. Wobei die Einnahmen dieser Verkäufe hauptsächlich in die Produktion der nächsten CD fliessen. Das kostet an die 40’000 Franken.

Das klingt dramatisch. Darf ich fragen: Wie sieht Ihre persönliche, finanzielle Situation aus?

Nicht rosig, aber ich werde es überleben. Mein Vorteil ist, dass ich mir in den vergangenen Jahren einen Namen gemacht habe. So ist es einfacher an Unterstützung zu kommen – zum Beispiel von Stiftungen. Zudem hat die Produktion der Migros-Show «Stubenhocker» auch etwas Geld in die Kasse gespült. Und die Erwerbsersatz-Zahlungen halfen natürlich auch. Allerdings wurden diese Ende Mai zum letzten Mal ausgezahlt. Die Kleinkunst-Welt wird sich so schnell aber nicht normalisieren.

Glauben Sie, die Krise könnte die Schweizer Kultur-Szene nachhaltig schwächen?

Es wird sich zeigen, wie viele Veranstalter und Künstler es noch «lupft». Und auch wenn ein Kleinkunst-Veranstalter wie die Kellerbühne in St. Gallen überlebt, viel Geld für Gagen wird in den nächsten Jahren wohl nicht übrig sein. Das wiederum spüren dann wieder wir Künstler.

Die staatliche Unterstützung der Kultur wurde aufgrund der Kritik durch die SVP kurzzeitig auch zu einem Politikum.

Diesbezüglich hatte auch ich mich öffentlich geäussert. Ich finde es eine Frechheit, dass die SVP der Kultur die Unterstützung bzw. Soforthilfe entziehen wollte. Das macht überhaupt keinen Sinn. Schliesslich arbeiten wir auch hart und verdienen unser Geld – die Kleinkunst-Szene in der Schweiz funktioniert und viele von uns können davon leben. Wie ich. Warum sollten diese Leute nicht genau so unterstützt werden wir beispielsweise die Swiss?

In der Krise hat die Politik rasch reagiert. In Zukunft werden die Mühlen in Bern wohl aber wieder gewohnt gemächlich mahlen. Braucht es in den nächsten Jahren vielleicht einen «Corona-Batzen» des Publikums?

Das ist ein schöner Gedanken. Und ich bin sicher, dass viele Zuschauerinnen und Zuschauer auch gerne etwas in dieses Kässeli einzahlen würden. Aber ich bezweifle, dass das der richtige Ansatz ist. Die KMU und andere Unternehmungen sammeln ja auch keine Almosen, sie werden vom Staat direkt unterstützt.

Diese Diskussion wird die Schweiz sicher noch eine Weile beschäftigen. Nun aber noch zu einem erfreulichen Thema: Nächste Woche erscheint ein neues Musikvideo der Jagdkapelle.

Richtig! Das Video zum Titel «Jagdkapelle-Musig» wurde in den vergangenen Tagen bzw. Wochen im Wald oberhalb der Drei Weieren und in Trogen gedreht. Hinter der Kamera sass der St. Galler Filmemacher und Fotograf Can Isik. Er hat aus dem Film ein echtes Kunstwerk gemacht. Das Resultat finde ich der Hammer. Es passt zu uns: Ein chaotisches, wildes Jäger-Versteckspiel im Wald. tiz

Hinweis: Das neue Musikvideo von «Marius und die Jagdkapelle» geht kommenden Montag online. Es wird hier auf tposcht.ch verlinkt.

Impressionen vom Video-Dreh


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