Im Hinblick auf die Eröffnung wurde der alte Spazierweg ab Sammelbüel wieder instandgestellt. Foto: EG
Richard Fischbacher
Christian Kathriner gestaltet den Vorplatz des Zeughauses im Rahmen des Projekts «Kunst und Bau». Auf dem Vorplatz soll ein Feld ausgeschnitten werden, auf welchem – ähnlich eines Displays – eine Zeichnung eingeschrieben wird. Bei der Linienzeichnung auf dem Asphalt verwendet der Künstler die gleichen Materialien, wie sie bei der Strassenmarkierung verwendet werden.
Sie sind beauftragt worden, beim Zeughaus Teufen «Kunst und Bau» zu realisieren. Wie kamen Sie auf die Idee einer Zeichnung auf dem Asphalt?
Christian Kathriner: Mir war bald klar, dass eine künstlerische Intervention im Aussenraum besonders schön sein könnte. Der Boden als Träger für ein Bild bot sich dann wiederum schnell an. Das ist ja eine sehr alte Idee. Ein Platz wird dadurch ausgezeichnet und symbolisch aufgeladen. Gleichzeitig hat man da draussen nicht mehr viele Materialien und somit auch Farben zur Verfügung, die ehrwürdige Fassade des Zeughauses hatte auch noch ein Wörtchen mitzureden.
Ihre Zeichnung ist eine Ableitung von einer grafischen Ermittlungsmethode aus der Ingenieurkunst, der so genannten Hauptspannungstrajektorien. Das ist ein Verfahren, das weder dem Architekten Felix Wilhelm Kubly, der das Zeughaus seinerzeit erbaut hat, noch Hans Ulrich Grubenmann bekannt gewesen ist. Gibt es trotzdem eine Verbindung zu diesen Herren, und wenn ja, wo sehen Sie diese?
Ein Aspekt von Grubenmanns Genie ist, dass er sein Wissen um die Gesetze der Statik intuitiv gewonnen hat und nebst seiner enormen Erfahrung mit Modellversuchen abgeglichen hat. Dass wir heute über komplexeste Berechnungsmethoden verfügen, schmälert seine Leistung nicht, im Gegenteil. Dieses Trajektorienbild, welches ich Grubenmann in einem gewissen Sinn «zu Füssen lege», sagt dann auch so etwas wie: «Du hast es gewusst!». Bei Kubly liegt der Fall etwas komplizierter, ich sehe ihn als einen typischen Beaux-Arts-Architekten und an diesen ingenieurstechnischen Fragen nicht zentral interessiert. Meine Zeichnung weist aber in ihrer absoluten Symmetrie und harmonisch-formschönen Gestalt eine unmittelbare Verwandtschaft zu Kublys Architekturauffassung auf. Der Klassizismus ist überdies eine Kunstauffassung, welche die geringstmögliche Abweichung von einem Regelfall für lobenswert hält. Da sind die Verbindungen zu suchen.
Was gilt es bei der Anbringung des Kunstwerkes zu beachten?
Unter anderem die Dichte der Kurvenscharen, aber auch deren Breite muss ganz genau bestimmt werden. Hinzu kommt, dass alle Linien wiederum unterbrochen werden müssen, um eine gleichmässige Entwässerung der Platzfläche bei Niederschlägen zu erreichen. Also keineswegs nur ästhetische Fragen.
Bei der Linienzeichnung verwenden Sie das gleiche Material, welches auch für die Strassenmarkierung gebraucht wird. Wo bestehen bei der Anbringung die Schwierigkeiten?
Ich wurde von der Baukommission gebeten, nochmals abzuklären, ob es Alternativen zur Variante Strassenmarkierung gäbe, wie etwa eingefräste Rillen, die ausgegossen werden, oder klassische Materialien wie Pflastersteine, da der Kaltplastik natürlich in seiner Dauerhaftigkeit begrenzt ist. Ich werde bei jedwelcher Ausführung allerdings darauf achten, dass die Kurvenschwünge exakt der mathematischen Eigenschaft entsprechen. Dazu benötigt man Schablonen. Diese Schablonierarbeiten müssen konsequent gemacht werden, damit die Linien präzise ausfallen.
Tragen Sie die Linien selber auf oder überlassen Sie das anderen?
Kunst ist immer auch Handwerk. Ob ich es selber mache oder machen lasse, ich muss so oder so zumindest immer daneben stehen und alles überwachen, und da ich immer gerne mitarbeite, komme ich mir gerne wie ein Strassenbauarbeiter vor. Als Künstler ist man sowieso eine «multiple Persönlichkeit», jedes neue Projekt hält eine neue Herausforderung bereit, aber auch neue schöne Erfahrungen.
Christian Kathriner
Geboren 1974 in Sarnen, lebt zurzeit in Mettmenstetten ZH.
Künstlerische Biografie: 1990 –91 Schule für Gestaltung Luzern, 1992– 97 Kunstakademie Düsseldorf Einzelausstellungen: Max von Moos – gesehen von Peter Roesch, Christian Kathriner und Robert Estermann, Kunstmuseum Luzern (2011); Auslegeordnung (für Aby M. Warburg) Kunstraum Kreuzlingen (2010); Transposition (mit Davide Cascio), Wallfahrtskirche Hergiswald (2009); Inkrustation/Pontifex, Kunstkammer, Zürich (2007).
Auszeichnungen, Preise: Beitrag des Kulturfonds, Bundesamt für Kultur BAK, Bern (2010); Swiss Art Award (Eidgenössischer Preis für Kunst) (2008). Werkbeitrag der Kantone Ob- und Nidwalden (2008).