Natalie Fuchs
Im Gespräch an der Kanzel mit Diakon Stefan Staub stellte sich Alt-Bundesrätin und ehemalige Bundespräsidentin Doris Leuthard gestern Fragen zu Politik, Gesellschaft und Religion.
Die Einladung nach Teufen nahm die CVP-Frau letzten Sommer sofort an. Denn wie sie sagt, ist das Format «Gespräch an der Kanzel» eine moderne Form von Kirche, die es heute braucht. Die Menschen seien interessiert an Diskussionen über den Glauben, die Welt und Sinnstiftung im Leben. Leuthard ist sich sicher, dass jeder Werte und Orientierung brauche – und die Kirche könne Raum dafür bieten. Doch Kirchenhäuser müssen sich öffnen, zeitgemäss und persönlich werden. Nur dann können auch junge Leute erreicht werden.
Vertrauen ist zentral
Laut Leuthard muss die Kirche sich fragen, wo Menschen Orientierung brauchen, und genau da ansetzen. Diakon Stefan Staub interessierte auch, welche Ängste Leuthard in Hinblick auf die Zukunft der Welt hat. Ein Problem der aktuellen Weltpolitik sieht Leuthard darin, dass einige Personen an der Spitze stehen «die zuerst sich selbst gernhaben und erst dann die Menschen. Das sollte umgekehrt sein.» Vertrauen in die Regierung ist laut Leuthard das Wichtigste in der Politik. Ein Ja müsse ein Ja sein, ein Nein ein Nein. «Das Volk sollte auf die Rechtsstaatlichkeit vertrauen können.» Leuthard betont auch, dass wir es in der Schweiz im Vergleich schön haben und dafür dankbar sein müssen. Zugleich, so Leuthard, verpflichte dieser Umstand uns zum Helfen und zur Unterstützung von Ländern, denen es nicht gut gehe.
«Junge Leute haben heute oft düstere Gedanken, wenn es um die Zukunft geht, sehen schwarz», so Interviewer Stefan Staub. Was mein Doris Leuthard dazu? «Sie haben Recht! Junge Menschen sollen demonstrieren, sich für etwas einsetzen und kämpfen.» Doch müsse dabei bedacht werden, dass Prozesse nicht von heute auf morgen verändert werden können. Junge Menschen können aber etwas erreichen, indem sie ihr eigenes Verhalten hinterfragen, anpassen und so zu Vorbildern werden. Gefragt nach dem Allerwichtigsten in ihrem Leben, ihren persönlichen Basics, antwortet Leuthard: «Jeden Morgen aufzustehen, Freude an den kleinen Dingen zu haben und Gutes zu tun. Menschen lechzen nach Geborgenheit, Anerkennung und Liebe. Jeder Mensch kann Gutes tun. Sonne ins Leben der Menschen bringen. Einfach Mensch sein und dies – ob mit oder ohne Gott – im Herzen haben.»
Nein zu Gewalt
Ein klares «Nein» gibt es von Frau Leuthard hingegen zu allem, was mit Gewalt verbunden ist. Gewalt in jeglicher Form gehe gar nicht. Angesprochen auf die Bedeutung des C’s in CVP entgegnet die Alt-Bundesrätin: «Es kommt nicht auf den Namen einer Partei an.» Viel wichtiger seien die Inhalte und wie die christlichen Werte der Partei wie Menschenwürde und Solidarität, die laut Leuthard zentral sind, begründet werden. Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst in der voll besetzten Kirche von Gesängen und Zäuerli des Jodlerclubs Teufen. Bei strahlendem Sonnenschein sorgte dieser noch draussen nach der Kirche, beim gemeinsamen Apéro, für Stimmung.