Die Innerrhoderin Karin Enzler hat ein «Tröckli», darin sind Wünsche versteckt, Begehren eingesperrt. Sie rumpeln im Hosensack und manchmal befreit sich ein Wunsch, oder zwei. Die junge Appenzeller Schauspielerin meinte, jeder habe wohl so ein geheimes Kästchen. Sie hat einige Wünsche freigelassen und am Sonntag Mittag auf der Ledi in Teufen davon gesungen.
Monica Dörig
Nach dem Gymnasium hat Karin Enzler neben ihrem Germanistik-Studium in Deutschland die Ausbildung zur Schauspielerin gemeistert, hatte Engagements in Hamburg, Linz und Zürich, erhielt Auszeichnungen (zuletzt von der IBK). Jetzt lebt und arbeitet die 33-Jährige in Bremen.
Am letzten Sonntag stand sie auf der Ledi-Bühne und hat erstmals Lieder aus ihrer «Kompositionsküche» nicht nur vor der Verwandtschaft gesungen. Die Premiere wurde frenetisch bejubelt.
Um den Finger gewickelt
Karin Enzler ist noch am Sonntagabend nach Bremen gefahren, die Nacht durch. Denn diesen Freitag ist Premiere des Stücks «Schimmernder Dunst über Coby County». Die Innerrhoder Schauspielerin gehört seit dieser Saison zum Ensemble des Theater Bremen.
Zuvor hat sie dem Publikum der Wanderbühne aber eine zauberhafte Mittagsstunde beschert. Im «Freispiel», das an jedem Standort der Wanderbühne zum Kantonejubiläum AR°AI 500 Raum lässt für Experimente und Spontanes, stellte sie sich ans Mikrofon um einige Lieder zu singen, die sie im Lauf der letzten Jahre aus Spass an der Freud, zu Familienfeiern oder zur Gedankenverarbeitung geschrieben hat. Es sind Mundartleider, ein bisschen Jodellied, ein bisschen Chanson, mit einem «Zick» ins Ratzliedli-Fach und einem Hauch von Brecht-Weillscher Moritatenart (mit Ungeschicklichkeiten anstelle von Mord und Totschlag).
An ein paar Nachmittagen während der Sommerwochen hat sie zusammen mit dem Hackbrettvirtuosen Roland Küng und seiner Schwester, der Bassistin Madlaina, die Arragements entwickelt. Die beiden Musiker haben Intermezzi und Begleitmelodien komponiert. So präsentierte sich das Trio als jüngste Ledi-Bande.
Karin Enzler plauderte sich die Schlotterknie weg – wie ihr der Schnabel in Meistersrüte gewachsen ist. Mit ihrem Charme, ihrer hellen Stimme, mit den poetischen und witzigen Texten wickelte sie das Publikum um den Finger.
Ironisches und Herzerwärmendes
Das Konzert widmete sie komplett den Eltern, hat sie angekündigt, bevor sie von ihrem «Tröckli» sang, vom «Föö», zu dem sie Gewitterperkussion beisteuerte, von der «Backpfiiffe», vom eindeutig zweideutigen «Möösli» und vom «truurige Pöschtli» nach durchzechter Nacht. Die Sängerin dosierte ihre Stimme raffiniert, liesst sie vom reinen Liedermodus ins gebrochene Chanson-Timbre kippen. Sie moduliert wie eine Diseuse vom kraftvollen Brustton bis zum Sprechgesang.
Ihr wunderschöne Liebeslied «Mit der a de Hand» kann man auch für die Schwester anstimmen, die Zeilen aus «Winteraugenblick» sind schönste Poesie: «…Wenn am Wegrand der Schnee hohe Lieder singt…».
Das Lieblingslied des Publikums, ein wahrer Ohrwurm, ist das ironische «I bin en Saugoof». «Hätte ich gewusst, dass der Winter kommt, hätt’ ich mehr gelacht, mich mehr erwärmen lassen», lautete eine der Zeilen. Über Karin Enzlers Witz lachen und sich von ihrer Poesie erwärmen lassen, wäre auch ein Rezept gegen den Winterblues.
Karin Enzler “I bin en Saugoof” (Youtube 2,5 Min).
Mehrere Ausschnitte aus dem Programm von Karin Enzler („Mis Tröckli“ u.a.m. Youtube, 31 Min)